Die Tage werden schon wieder länger – mehr Tageslicht zum Lesen 🙂

Wolfgang Schorlau – Black Forest
Kiwi, 18 €
Georg Dengler erhält alarmierende Nachrichten aus seinem Heimatdorf im Schwarzwald. Seine Mutter sieht nachts Gestalten auf dem Hof. Ist sie an Demenz erkrankt? Kurzerhand macht er sich auf den Weg und stellt schnell fest, dass mit seiner Mutter alles in Ordnung ist. Allerdings besitzt die Familie Dengler ein Grundstück auf dem Feldberg – die ideale Lage für ein Windrad. Im Ort formiert sich gegen den Bau Widerstand. Georgs Jugendliebe, mittlerweile die Heilpraktikerin seiner Mutter, ist Wortführerinn der Gegner. Nachdem die Denglers auf einer schmalen Straße brutal von einem anderen Fahrzeug abgedrängt werden, landet Margret im Krankenhaus – und ihr Georg ist endgültig beunruhigt.
In seinem 11. Fall hat es Dengler mit der Zukunft der Energiegewinnung und divergierende Interessen zu tun: Klima- und Naturschutz vs. Profitgier. Das ist höchst spannend, lehrreich und einfach gut zu lesen. Schorlau ist der Meister des politischen Krimis. (E.B.)
Alena Schröder – Bei euch ist es immer so unheimlich still
dtv, 14 €
1989: In Berlin vibriert es, Aufbruchstimmung liegt in der Luft. Silvia Borowski aber macht einen Schritt zurück. In einem geklauten Polo fährt sie wenige Monate vor dem Fall der Mauer Hals über Kopf Richtung Süden. Zusammen mit ihrer erst wenige Wochen alten Tochter Hannah. Zurück zu ihrer Mutter Evelyn nach Ildingen. Was erwartet Silvia in ihrem Heimatort, aus dessen provinziellen Enge sie vor vielen Jahren überstürzt geflohen ist? Mit viel Einfühlungsvermögen entwickelt Alena Schröder eine spannende und von Spannungen geprägte Mutter-Tochter-Geschichte.

Denn nicht nur Silvia hat ihr Päckchen zu tragen, sondern auch Evelyn, die in den 1950ern voller Leidenschaft ihrem Beruf als Ärztin nachgegangen ist – bis Silvia zur Welt kam. Ein Familienroman mit Sogwirkung, der ganz nebenbei einen Bogen von der Nachkriegszeit bis zur Wende schlägt. Sehr empfehlenswert. (E.B.)

Martin Ehrenhauser – Der Liebende
Ullstein, 12,99 €
Monsieur Haslinger erlebt zum ersten Mal die Liebe. Der Seelsorger im Ruhestand führt ein beschauliches und zurückgezogenes Leben, bis er mit Madame Janssen eine neue Nachbarin bekommt. Erstaunlich schnell kommen sie sich näher, im Alter bleibt keine Zeit für das Taktieren in Liebesdingen. Madame Janssen ist von bemerkenswerter Offenheit und bittet den bis dato zölibatär lebenden Monsieur Haslinger, sie in ihr Haus am Meer zu begleiten. Die bittersüße Geschichte nimmt ihren Lauf. Martin Ehrenhauser ist ein sehr zarter und berührender Roman über die Liebe im Alter und über das Recht auf Selbstbestimmung gelungen. (E.B.)
Jo Callaghan – Die Schuld des Vergessenes
Piper, 17 €
Als die gekreuzigte Leiche eines Mannes aufgefunden wird, beginnen DCS Kat Frank und ihr Team umgehend mit den Ermittlungen. Besonders makaber: Dem Opfer wurden nachträglich die Ohren abgeschnitten. Die Presse ist elektrisiert – nicht zuletzt, weil der erste KI-Ermittler der Welt Teil des Teams ist. Bisher haben Kat und Lock nur an Cold Cases gearbeitet. Jetzt wollen die Behörden unter Beweis stellen, dass der Einsatz von KI auch der regulären Polizeiarbeit zuträglich ist. Kat steht unter enormen Druck. Und die Kombination aus sekundenschneller Datenauswertung und statistischer Wahrscheinlichkeit mit Instinkt und Erfahrung erweist sich als ungemein hilfreich. Es ist überaus fesselnd, wie realitätsnah Jo Callaghan die Mensch-Maschine-Interaktion schildert.

Zumal Lock noch nicht gelernt hat, wie sich Menschen gegenüber Vorgesetzten verhalten. Auch Ironie ist für die KI ein Buch mit sieben Siegeln. Das ist zuweilen urkomisch und manchmal wünscht man sich selbst mehr von dieser ungefilterten sozialen Interaktion. Und nicht nur das Ermittler-Duo ist spannend, auch der Fall selbst zieht die Leserschaft in einen Sog. (E.B.)

Scott Preston – Über dem Tal
S. Fischer, 25 €
Unerbittlichkeit ist das Stichwort, wollte man die Herausforderungen für Bauern im Norden Englands beschreiben: Unerbittlich die Herausforderungen durch raues Klima und eine zwar schöne, aber karge Landschaft, unerbittlich die wirtschaftlichen Existenznöte auf den Höfen der Schaffarmer, unerbittlich und kompromisslos aber auch ihre Liebe zu den Herden. Da trifft es die Bauern umso härter, dass Anfang 2001 eine tödliche Seuche auf den Farmen im Lake District umgeht. Herden müssen gekeult werden, viele Farmen gehen kaputt.
Der junge Steve Ellimen, nach Jahren der Abwesenheit ins Dorf zurückgekehrt, hilft auf dem Hof des Bauern William Herne aus. Sie tun alles, damit die Farm überlebt – Gewalt, Viehdiebstahl, Raubüberfälle, das Leben verlangt ihnen alles ab. In seinem Debütroman beschreibt Scott Preston eindrucksvoll, wie brutal der Kampf um die eigene Existenz sein kann – und das Scheitern daran. Kratzen, spucken, beißen, ein Roman mit Dreck unter den Fingernägeln, der dennoch ein raues Liebeslied für ein vergessenes England ist. (H.O.)
Lucy Fricke – Das Fest
Claassen, 20 €
Ein fünfzigster Geburtstag wirft seine Schatten voraus und Jacob, einst gefeierter Regisseur, fühlt diese Schatten existenziell. Er möchte sich am liebsten einmotten und das Fest unbemerkt an sich vorüberziehen lassen. Doch da gibt es Freunde wie Ellen sowie einstige Lebens- und Liebespartner wie Inken, die dem Misanthropen das nicht durchgehen lassen wollen. Scheinbar zufällig trifft er diese Freunde fast alle an einem Tag wieder und sie alle geben ihm frische Impulse. Das Wagnis, im Freibad vom Fünfer zu springen, um einen 10-jährigen Jungen zu beeindrucken, ist gleichzeitig der Sprung in ein neues Leben, auch wenn er dabei einen Schneidezahn einbüßt.

Lucy Fricke hat mit „Das Fest“ einen sommerleichten, luftigen Roman geschrieben, ein Buch über den Wert von Freundschaft und Liebe, der einen als Leser mal leicht anstupst, mal an den Schultern packt und schüttelt. Solche Aufmunterungen kann man in diesen Zeiten gut gebrauchen. (H.O.)

Jojo Moyes – Zwischen Ende und Anfang
Wunderlich, 26 €
Eigentlich scheint bei Lila alles, wie gewünscht zu laufen. Glücklich verheiratet, zwei nette Kids, Haus, Garten und Hund. Die Autorin von Beziehungsratgebern ist zufrieden mit ihrem Leben. Doch ausgerechnet wenige Wochen nach Erscheinen ihres neuen Buchs, in dem sie kluge Ratschläge zu einer funktionierenden Beziehung gibt, verlässt ihr Mann sie wegen einer jüngeren Frau. Lila schäumt vor Wut und ist zutiefst verletzt. Zu allem Überfluss geht der Sohn der „Neuen“ auf dieselbe Schule.
Das Abholen der Kinder und die mitleidigen Blicke der Schulhofmütter ein wahrer Alptraum. Ihre Teenager-Tochter scheint Lila die Schuld daran zu geben, dass ihr Vater ausgezogen ist und ihr Stiefvater Bill ist seit dem Tod ihrer Mutter depressiv verstimmt und gleich bei ihr eingezogen. Zu allem Überfluss steht aus heiterem Himmel Lilas leiblicher Vater Gene – nach jahrzehntelanger Abwesenheit – vor der Tür. Der alternde Schauspieler sorgt für mächtigen Wirbel. Und da wäre noch Bills Gärtnerfreund und ein höchst attraktiver Mann, der um Lila wirbt. Jojo Moyes hat vielleicht mit diesem Roman das Rad nicht neu erfunden, aber die liebevollen
Charakterzeichnungen und die schlagfertigen Dialoge macht ihr so schnell keiner nach. Ein Buch zum Wohlfühlen – mit der tröstlichen Gewissheit, dass nach über 500 Seiten bester Unterhaltung ganz vieles wieder gut wird. (E.B.)
Paula Irmschler – Alles immer wegen damals
dtv, 24 €
Der Hund ist jetzt da, nun muss man sich eben um ihn kümmern, sagt Mutti. So wie die Kinder, die waren damals auch plötzlich da und man musste sich eben kümmern. Das will ihre Tochter Karla in jedem Fall anders machen. Also ist sie von Leipzig nach Köln geflohen, hat den Kontakt zur Mutter abgebrochen, das ist einfacher als mit Gerda zu diskutieren. Aber jetzt hadert Karla mit der Ausbildung, kämpft mit der Miete, und mit ihrer Freundin könnte auch mal der nächste Schritt kommen. Ob es eine gute Idee von Karlas Geschwistern war, den beiden zu ihren Geburtstagen – zum 30. und 60. – eine gemeinsame Reise nach Hamburg zu schenken? Familie kann manchmal schrecklich kompliziert sein, aber man kann ihr selten entrinnen. Das schildert Paula Irmschler auf ihre ganz eigene Art. (E.B.)
