Martin Suter – Melody Diogenes, 26 €
Kaum jemand vermag die Welt der Reichen und Schönen so meisterhaft zu beschreiben wie Martin Suter. Und so spielt auch der neue Roman des Schweizer Bestseller Autors im Villenviertel am Zürichberg. Hier residiert Alt-Nationalrat Dr. Stotz, der gerade den jungen Rechtsanwalt Tom Elmer damit beauftragt hat, seinen Nachlass zu ordnen. Stunden verbringt Tom mit staubigen Papieren, schreddert alles, was ein unvorteilhaftes Licht auf seinen Auftraggeber werfen könnte – und stößt auf allerlei Ungereimtheiten. Bei ausschweifenden Mahlzeiten – es wird gut und viel gegessen in diesem Roman – erzählt Stotz seine Geschichte. Melody war einst seine Verlobte, doch kurz vor der Hochzeit – vor über 40 Jahren – ist sie verschwunden. Bis heute kommt Stotz nicht darüber hinweg. Zusammen mit Stotz’ Großnichte Laura beginnt er, Nachforschungen zu betreiben, die an ferne Orte führen – und in eine Vergangenheit, wo Wahrheit und Fiktion gefährlich nahe beieinanderliegen. Und ist ein bisschen Schwindel am Ende eines langen Lebens eigentlich der Rede wert? Ein Roman wie ein erfrischender Fluss – Sogwirkung inklusive. (E.B.)
Maiken Nielsen – Die Frau, die es nicht mehr gibt Wunderlich, 24 €
Maiken Nielsen hat eine wunderbare Hommage geschrieben. Ihr Roman ist eine Liebeserklärung an den südfranzösischen Lubéron, an die Freundschaft und an die Waghalsigkeit und Unbeschwertheit der Jugend. Mit viel Gespür für Zwischenmenschliches gelingt Maiken Nielsen ein großartiger Roman, den sie in einen zeitgeschichtlichen Kontext einbettet: Während in der politisch aufgeheizten Bundesrepublik der 1980er Jahre die RAF Terror verbreitet, verschlägt es die junge Hamburger Fotografin Alex auf ihrer Europa-Reise ins Lubéron-Gebirge – ein Mikrokosmos aus Künstlern, Intellektuellen und Versteck für jene, die nicht gefunden werden wollen. Alex trifft neben Berühmtheiten wie Leonard Cohen und Isabelle Adjani auf die mysteriöse Mado, Mitglied einer Gruppe von Straßenkünstlern. Immer auf der Suche nach außergewöhnlichen Gesichtern ist Alex fasziniert von Mado. Mit ihr, Fantomas und Loïc verbringt sie einen Großteil ihrer Zeit. Dann verschwindet Mado spurlos. Erst über dreißig Jahre später begegnen sich die beiden Frauen wieder. Doch Mado gibt vor, eine andere zu sein. (E.B.)
Colin Cotterill – Dr. Siri und das sitzende Skelett Goldmann, 22 €
Ein Roman mit Dr. Siri, dem mittlerweile pensionierten Leichenbeschauer, ist immer ein höchst willkommenes Wiedersehen mit Freunden. Cotterill hat ein sehr sympathisches Personal erschaffen, das mit sehr viel (Galgen-)Humor im sozialistischen Laos der ausgehenden 1970er bzw. Anfang der 1980er Jahre ermittelt und der dort herrschenden Mangelwirtschaft mit Improvisationsgeist trotzt. Dieses Mal dreht sich alles um ein mysteriöses Frauen-Skelett, das urplötzlich nachts unter dem Triumphbogen von Vientiane auftaucht. Eigentlich ist Siri damit befasst, eine laotische Adaption von „Krieg und Frieden“ mit einer illegal aus Thailand eingeschmuggelten Profi-Kamera zu drehen. Aber die Tote gibt zahlreiche Rätsel auf – da kann der Doktor natürlich nicht widerstehen. Auch der 13. Fall ist wieder hinreißend komisch. (E.B.)
Camilla Grebe – Schlaflos btb, 17 €
Der achtzehnjährige Samuel ist ziemlich aus der Spur. Naiverweise lässt er sich in einen Drogendeal hineinziehen, der nicht nur eine Nummer zu groß für ihn ist, sondern zu allem Überfluss auch noch gründlich schiefgeht. Er wird von den Gangstern gesucht und muss untertauchen. Ein Aushang im Supermarkt lässt ihn aufhorchen: Eine Familie, die an einem entlegenen Haus am Meer lebt, sucht einen Betreuer für ihren schwerbehinderten Sohn sucht. Kost und Logis inklusive. Doch bald geschehen in dem Haus merkwürdige Dinge. In der Zwischenzeit werden in den Schären die Leichen junger Männer angeschwemmt. Kommissar Manfred Olsson ermittelt. Ein packender Psychothriller mit einigen sehr unerwarteten Wendungen. (E.B.)
Joy Williams – Stories dtv, 25 €
Es liest sich zunächst wie der Beginn eines klassischen Kaffeekränzchens: Mehrere ältere Damen treffen sich und schließen sich zu einem Club zusammen. So weit, so gut. Bis man dann erfährt, dass sie die Mütter von verurteilten Mördern sind und sich hier zu einer von der Gesellschaft geächteten Außenseitergemeinschaft zusammenfinden. Und das ist nur eine der Wendungen in den fulminanten Erzählungen von Joy Williams Da sind zwei zehnjährige Mädchen auf einer nächtlichen Zugfahrt, die durch die Waggons laufen. Was sich anhört wie ein Abenteuer, entpuppt sich schon bald als trübe Vorausschau aufs künftige Leben. Ja, man braucht schon eine gehörige Portion Mumm und Resilienz gegen Tristesse, um die lakonische Schärfe von Joy Williams‘ Stories aushalten zu können. Aber es lohnt sich. In Europa erreicht allenfalls Tove Ditlefsen das erzählerische Niveau dieser Short Stories. (H.O.)
John Grisham – Feinde Heyne, 24 €
„Biloxi, Mississippi: Die Einwanderersöhne Keith und Hugh wachsen in den Sechzigerjahren gemeinsam auf, verbunden durch eine scheinbar unverbrüchliche Freundschaft. Bis sie sich auf den verschiedenen Seiten des Gesetzes wiederfinden: Keith hat Jura studiert und ist Staatsanwalt geworden. Hugh dagegen arbeitet für seinen Vater, einen Boss der Dixie-Mafia. Eine tödliche Feindschaft entsteht, die vor Gericht ein dramatisches Finale findet.“ Der Klappentext verspricht ein bisschen zu viel. Die enge Freundschaft von Keith und Hugh verbleibt für meinen Geschmack zu sehr an der Oberfläche, entsprechend gering ist die Fallhöhe, als sie zu Feinden werden. Leider gerät der Einstieg des Romans zu einer Lehrstunde zum Thema Alltagsgeschichte von Einwanderern in den USA. Das kann Grisham normalerweise besser. (E.B.)
Freida McFadden – Wenn sie wüsste Heyne, 16 €
Für Millie ist Ninas Jobangebot als Haushaltshilfe inklusive Kost und Logis bei ihrer Familie auf Long Island ein Sechser im Lotto. Eine scheinbar echt umgängliche Familie, bis Millie einzieht. Sofort wird sie von Nina drangsaliert und ihre düstere Kammer auf dem Dachboden ist alles andere als luxuriös. Auch von der verzogenen Tochter wird sie wie Dreck behandelt. Nur Ninas attraktiver Mann ist nett zu ihr. Zu nett? Ninas Eifersucht kennt keine Grenzen oder steckt hinter den Tobsuchtsanfällen ein perfider Plan? Ein solider Psycho-Thriller, der Freunden von vielen Twists eine Menge Spaß machen wird. (E.B.)
Paul Fournel – Im Peleton Covadonga, 16,80
Das Peloton ist so etwas wie das mobile Zuhause der Radprofis. Ein farbenfrohes, katzenartiges Haus, das sich streckt, sich sammelt, sich anschleicht, das Rennen gestaltet. Es gibt so viele verschiedene Arten, dieses Haus zu bewohnen, wie es Fahrer gibt. Manche verstecken sich hier, andere verrichten Helferdienste, einige stecken die Nase aus dem Fenster. Wer den Mut hat oder nicht mehr die Kraft, verlässt das Haus auch mal fluchtartig oder notgedrungen. Und trotzdem versammeln sie alle sich jeden Morgen wieder dort.
Dieses Buch erzählt vom Leben im Peloton, vom Glück, dort zu bleiben, und von der Freude, es zu spüren. In 45 Kurzgeschichten entführt Paul Fournel, Autor des in viele Sprachen übersetzten Rennrad-Kultbuchs „Die Liebe zum Fahrrad“, seine Leserinnen und Leser mitten hinein ins Renngeschehen und lässt sie in die Köpfe der Radprofis schauen. Ob Kapitäne, Ausreißerinnen oder Wasserträger, ob große Motoren oder filigrane Bergflöhe – ihnen allen verschafft Fournel auf packende und authentische Weise Gehör. Nicht „nur“ für Radfans spannend.