Nun wird es aber Zeit, dass der Sommer Fahrt aufnimmt. Schließlich haben wir für Sie schon die passende Lektüre zusammengestellt.

Mathijs Deen – Der Retter

Mare, 23 €

An den Romanen von Mathijs Deen mag ich vor allem zwei Dinge: Erstens die Schauplätze, die zumeist im Grenzgebiet zwischen den Niederlanden und Deutschland angesiedelt sind, genauer: zwischen den ost- und westfriesischen Nordseeinseln. Und zweitens die Präzision, mit der Mathijs Deen schreibt, die genaue Recherche, das meteorologische und seemännische Know-how, das spürbar wird. An der Küste im englischen Northumberland finden Urlauber die Reste einer Leiche. Bei der Untersuchung wird festgestellt, dass in der Schulter des Toten Projektile stecken. 

Handelt es sich bei ihm um den Kapitän eines Schleppers, der vor mehr als zwanzig Jahren bei einer Havarie zwischen Borkum und Texel als einziges Crewmitglied nicht gerettet werden konnte? Kommissar Liewe Cupido, bekannt aus früheren Deen-Romanen, macht sich mürrisch an die Arbeit. Sein jüngerer Kollege Xander Rimbach wird bei Ermittlungen auf Norderney vergiftet, also muss er sich allein auf mühsame Recherche begeben. Er befragt die alten noch lebenden Crewmitglieder, doch die sind noch schweigsamer als er selbst. Was ist damals bei der Rettung schiefgelaufen?  Die Auflösung liest sich hochspannend, sei aber hier nicht verraten. (H.O.)

Elizabeth von Arnim – Elizabeth und ihr Garten

Insel Taschenbuch, 8 €

Die englische Autorin verschlägt es Ende des 19. Jahrhunderts auf ein preußisches Landgut – zu einem Ehemann, den sie stets nur „der Grimmige“ nennt und belagert von Besucherinnen, die eine Angewohnheit eint: Sie bleiben viel zu lange. Wie sie das erträgt? Ganz einfach: Elizabeth von Arnim besinnt sich auf die urenglische Leidenschaft für das Gärtnern und beginnt den verwilderten Garten in ein Paradies zu verwandeln. Ausgestattet mit viel Begeisterung, aber anfangs wenig Wissen, legt sie einfach los. Die zahlreichen Fehlschläge beschreibt sie mit ebenso viel Charme und Humor wie die blühenden Erfolge.

Mag sich seitdem auch vieles verändert haben – vom Frauenbild bis zum Umgang mit Landarbeitern – der Zauber und die Magie, die Gärten und dem Gärtnern innewohnen, sind bis heute ungebrochen. (S.G.)

Flores & Santana – Dunkle Verwicklungen auf La Palma

Ullstein, 15,99 €

Als an einem entlegenen Strand ein Toter gefunden wird, ist es mit dem Inselfrieden auf La Palma vorbei. Buchhändlerin Naira Calderon und Journalist Ben Rodriguez sind sich einig: Sie müssen dem örtlichen Kommissar auf die Sprünge helfen. Bei Wein und anderen Köstlichkeiten tauschen sie sich über den Mordfall aus und stoßen auf Ungereimtheiten. Schnell verstricken sie sich immer tiefer in einem unübersichtlichen Geflecht: Unter dem dunklen Sand verbirgt sich ein dunkles Geheimnis. Mit viel Lokalkolorit und Ortskenntnis haben Rotraut Schöberl und Erwin Riedesser einen unterhaltsamen Krimi geschrieben, mit dem man ganz leicht ein gutes Urlaub-Feeling heraufbeschwören kann.

Die Charaktere sind mit viel Liebe zu Detail und sehr lebendig angelegt. Und die Schilderung der kanarische Köstlichkeiten machen Appetit auf mehr. So geht Cozy Crime. (E.B.)

Maria Grund – Krähentochter

Penguin, 16 € Småland: März 1986. Während ganz Schweden ob des Mordes an Olof Palme unter Schock steht, sieht sich die frisch zur Polizistin ausgebildete Sanna ihrem ersten Fall gegenüber. Ein Mädchen aus dem Dorf Augu wird vermisst. Und es ist nicht die erste junge Frau. Zwei Jahre zuvor fand man auf zwei weiße Koffer verteilt die traurigen Überreste eines verschwundenen Mädchens. Der Mörder sitzt seitdem hinter Gittern – zumindest glauben das die Einwohner des Dorfes. Aufgrund dieser Geschichte ist Sanna in höchster Alarmbereitschaft und ermittelt auf eigene Faust.

Sie stößt auf eine Mauer des Schweigens bei den Dorfbewohnern, aber dennoch setzt sie alles daran, das Mädchen zu finden. Nach „Fuchsmädchen“ und „Rotwild“ der dritte spannende Thriller der Reihe. (E.B.)

Tommy Jaud – Komm zu nix

Scherz, 16 €

Tommy Jaud beschert uns wieder einen wunderbar lustigen Lesespaß. Und das ist auch gut so, denn das Leben ist schließlich ernst genug. Jaud stellt die wirklich wichtigen Fragen: Warum ist die Steuererklärung komplizierter, als Hebräisch zu lernen? Darf man lästige Werbeanrufer in den Wahnsinn treiben? Warum dauert es länger, die Wohnung saugrobotergerecht zu machen, als selbst zu saugen? Und was tun mit der Zeit, wenn der Lieferdienst meldet, dass die Sportsocken nur noch sieben Stopps entfernt sind? Herrlich abgedreht und irre komisch. Die ideale Strandkorblektüre. Ab 26. 06. 2024 als Taschenbuch. (E.B.)

Jojo Moyes – Das Haus der Wiederkehr

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Das Haus der Wiederkehr gehört zu den ersten Büchern der heutigen Bestsellerautorin, die seinerzeit vielleicht noch nicht die Klasse hatte, die sie heute auszeichnet. Die Protagonistinnen Lottie und Celia bleiben bemerkenswert blass. Dabei hätte die Geschichte der ungleichen Schwestern viel Potenzial. Während Celia gegen die Enge der Kleinstadt Merham aufbegehrt, liebt Lottie den idyllischen Ort und vor allem das Meer. Besonders fasziniert sie ein prächtiges Art-déco-Haus direkt am Strand, in dem eine bunte Gruppe von Künstlern lebt.

Gemeinsam tauchen Celia und Lottie ein in eine aufregende, unkonventionelle Welt, bis sich ihre Wege trennen. Leider fehlte mir bei dieser Geschichte die Lebendigkeit und auch der Humor, der mir sonst an den Romanen von Jojo Moyes so gefällt. (E.B.)

Emanuel Bergmann – Tahara

Diogenes, 25 €

Ein schönes Setting hat Emanuel Bergmann („Der Trick“) für seine rasante „amour fou“ gewählt. Beim Filmfestival in Cannes trifft der renommierte Filmkritiker Marcel Klein, gerade in einer veritablen Schaffenskrise, die mysteriöse Französin Héloïse. Sofort knistert es bei den beiden und zwischen Presse-Events, Partys und Premieren nehmen sie sich immer wieder die Zeit, sich voller Leidenschaft zu streiten. Als ein Interview mit einer weltberühmten Schauspielerin vollends aus dem Ruder läuft, muss Klein die glamouröse Stadt an der Côte d’Azur schleunigst verlassen.

Héloïse begleitet ihn, denn auch sie hat etwas Existenzielles zu verbergen, Mit viel Tempo und ein ungeheures Gespür für seine Charaktere entwirft Bergmann einen Roman, der im Gedächtnis bleibt. (E.B.)

Cecilia Rabess – Alles gut

Eichborn, 24 €

Jess bekommt einen begehrten Job bei Goldman Sachs in New York. Dort trifft sie ausgerechnet Josh wieder, der ihr mit seinen reaktionären Sprüchen schon an der Uni schwer auf die Nerven gegangen ist, Aber als einzige Frau und einzige Schwarze im Büro braucht sie einen Verbündeten. Es kommt, wie es eigentlich kommen muss, aber dann doch ganz anders. Aus den Kontrahenten werden Freunde – die dennoch beherzt weiterstreiten. Bald stellt Jess zu ihrer eigenen Überraschung fest, dass sie sich in Josh verliebt hat. Die ohnehin konfliktbeladene Beziehung wird durch das politische Klima in den USA weiter verkompliziert:

Donald Trump folgt auf Barack Obama. Der Riss durch die US-amerikanische Gesellschaft vertieft sich und macht auch vor Freundschaften nicht Halt. Welchen Umgang finden Jess und Josh damit, dass sie in wichtigen Dingen des Lebens so unterschiedlicher Meinung sind. Cecilia Rabess` Plädoyer für Toleranz ermuntert dazu, miteinander im Gespräch zu bleiben – seien die Positionen auch noch so gegensätzlich. (E.B.)

Markus Thiele – Zeit der Schuldigen

Lübbe, 22 €

Eigentlich sind Krimis, die auf wahren Begebenheiten beruhen, nicht so mein Ding. Markus Thiele ist es jedoch gelungen, die Fakten, die an den Fall Frederike von Möhlmann angelehnt sind, in einen auch mich fesselnden Roman zu überführen: Im November 1981 wurde die 17-jährige Nina Markowski auf brutale Weise umgebracht. Die Spuren am Tatort belasteten Volker März seinerzeit schwer, doch die Beweise reichten nicht für einen Schuldspruch. Verzweifelt kämpft Ninas Vater seither für Gerechtigkeit. Unterstützung erfährt er von Kriminalhauptkommissarin Anne Paulsen, die den Fall Jahrzehnte später wieder aufrollt. Angetrieben von einem sehr persönlichen Motiv schmiedet sie einen ungeheuerlichen Plan, um den damals freigesprochenen und nun 72-jährigen Volker März doch noch zur Rechenschaft zu ziehen.

Aber ist sie auch bereit, dafür selbst zur Täterin zu werden? Ein aufwühlender Kriminalroman über Recht, Gerechtigkeit und die Grenzen der Rechtsstaatlich. (E.B.)

Thomas Kunst – WÜ

Suhrkamp, 24 €

WÜ? Was für ein Titel für einen Gedichtband! Wofür steht WÜ? Wüste oder Württemberg? Wütend oder würdevoll? Nichts von alledem. WÜ ist der Name der Katze des Dichters, sie taucht in diesen Poemen ab und zu auf. So banal die Erklärung, so wenig banal die Gedichte. Sie sind nicht leicht zugänglich, denn Thomas Kunst ist nicht daran interessiert, Poesie bis ans bittere Ende ihrer allgemeinen Nachvollziehbarkeit zu führen. Poesie muss für ihn auch immer ein unentschlüsselbares Geheimnis bergen. Der Dichter bevorzugt die klassische Form des Sonetts, aber er verblüfft dabei immer wieder durch Sätze, mit denen man nicht rechnet. Wann begann denn schon mal ein Sonett mit dem Vers: „Du warst zuletzt um drei Uhr vierzehn online“? Auf diesen eher ernüchternden Einstieg folgt indes ein formvollendetes Sonett, das mit der schönen Zeile endet:

„Ich bleib am Bildschirm, bis mich jemand liebt.“ Das ist vielleicht das poetische Geheimnis von Thomas Kunst: Überraschung und Unberechenbarkeit. Man blättert um als Leser und stößt schon auf der nächsten Seite auf einen wunderbar entwaffnenden Satz. (H.O.)