Auch der neue Monat hat wieder vielfältigen Lesestoff zu bieten.

Trude Teige – Der Junge, der Rache schwor
atb, 14 €
Als ein älteres Ehepaar tot auf seinem abgelegenen Hof aufgefunden wird, ist die Journalistin Kajsa Coren sofort vor Ort. Die beiden Ermordeten wohnten nicht weit von ihrem eigenen Haus entfernt. Eigentlich recherchiert Kajsa gerade zu Missbrauchsfällen in Kinderheimen und sie hat mit ihrem Mann die Vereinbarung, sich von Mordfällen, an denen er als Polizeipsychiater beteiligt ist wegen etwaiger Interessenkonflikte, fernzuhalten.
Aber nach und nach findet Kajsa immer mehr Verbindungen zwischen den vergangenen und gegenwärtigen Verbrechen – und bringt sich in große Gefahr. Der spannende Norwegen-Krimi ist Auftakt einer Reihe und lebt von den höchst lebendigen Figuren und Konstellationen. Ein Lesevergnügen mit Sogwirkung. (E.B.)
Martin Conrath – Kohle, Stahl und Mord
rororo, 14 €
Der Berg, in dem schon bald ein Besucherzentrum entstehen soll, bebt. In der Zeche Ludwig werden Knochen gefunden. Als der Notruf bei Hauptkommissarin Elin Akay eingeht, weiß sie sofort, worum es geht: Das Wandernde Dutzend wurde gefunden. Zwölf Bergmänner, die vor 34 Jahren im Füllort der Zeche verschüttet wurden. Doch es sind nicht zwölf Skelette, die die Einsatzkräfte bergen – es sind dreizehn. Das dreizehnte Opfer starb durch einen Kopfschuss. Die Patrone steckt noch in dem Schädel, den der Bergmann Werner Flemming findet. Flemming gehört zu den damals Geretteten, durch den Fund ist er retraumatisiert und spricht nicht mehr.

Elin Akay zieht die forensische Psychiaterin Jana Fäller als Beraterin hinzu. Weil sie die Beste ihres Fachs ist. Und weil ihr verstorbener Vater damals bei dem Grubenunglück dabei war. Sie kennt die Bergmänner, ihr vertrauen sie. Aber einer von ihnen hat damals zur Waffe gegriffen. Aber wer? Martin Conrath fängt auf grandiose Weise das Zusammengehörigkeitsgefühl der Kumpel ein und beschreibt eindringlich, wie es sich unter Tage anfühlt. Da meint man den Kohlenstaub selbst einzuatmen. Das ist ungeheuer spannend. Ein Buch, das man nur schwerlich zur Seite legen kann. (E.B.)

Monika Helfer – Der Bücherfreund
Hanser, 22 €
Mit liebevollem Blick auf den Vater und aus der Perspektive eines Kindes erzählt Monika Helfer, wie Bücher zu Lebensrettern werden können. Gerade die einfache Sprache macht die Geschichte des Kriegsinvaliden, der Zuflucht in einer Bibliothek findet, so poetisch und berührend. Ein kleines, feines Büchlein, dem die Illustrationen von Kat Menschik noch eine weitere Dimension verleihen. Eine gelungene Liebeserklärung an die Welt der Bücher. (S.G.)
Bela B Felsenheimer – Fun
Heyne, 24 €
Hey, it’s Rock `n` Roll! Entschuldigt das alles? Auch das grenzüberschreitende Verhalten alternder Musiker jungen Frauen gegenüber? Sicher nicht. Bela B Felsenheimer – vielen als Schlagzeuger und manchmal auch als Sänger der „Ärzte“ bekannt – hat aus aktuellem Anlass dem Musik-Bizz aufs Maul geschaut und in seinem Roman das schwer fassbare Verhältnis zwischen Stars und Fans genauer beleuchtet. Es geht um Machtmissbrauch, Verantwortung, Image und nicht zuletzt darum, Mensch zu bleiben. (E.B.)


Anna Bella Eschengerd – Eingelebt
KunstSinn-Verlag, 22,95 €
Die Erzählung beginnt mit dem scheinbar lapidaren Satz: „Am 28. September hat sich meine Mutter das Leben genommen. Ich war nicht da.“ So lakonisch dieser Einstieg auch daherkommen mag, an diesen Sätzen muss man als Leser erst mal vorbei. Vor allem muss aber die Familie in diesem (vermutlich autobiographisch eingefärbten) Setting mit dem niederschmetternden Faktum fertig werden. Das Alter Ego, die Protagonistin Britta Lübke, zeichnet in formal sehr heterogenen Fragmenten ein so eindrückliches wie originelles Porträt ihrer Familie.
Da ist die charakterlich schwer zugängliche Mutter, der flüchtige Vater, der die Familie eher wie ein Familienalbum voller schneller Schnappschüsse wahrnimmt, da sind die etwas indifferenten Geschwister – eine Familie unter dem Druck von Fliehkräften unterschiedlicher Gefühle. Wie kann ein so einschneidendes Erlebnis wie der Suizid einer zentralen Figur verarbeitet bzw. „eingelebt“ werden? Anna Bella Eschengerd geht bei der Wahl der literarischen Mittel volles Risiko – und gewinnt. Sie legt die posthume Familienaufstellung als Collage an, in ihrer Erzählung finden sich Briefe, Tagebuchnotizen, Gedichte und klassische Prosa. Dank der bemerkenswerten Sprachkraft der Autorin entsteht so ein facettenreiches, faszinierend zu lesendes Stück Erzählkunst. (H.O.)
Elke Schmitter – Alles, was ich über Liebe weiß …
C.H. Beck, 26 €
Reife Menschen mit viel Erfahrung und reichlich Intellekt, man sollte meinen, die seien nun wirklich liebes- und lebensklug genug, um sicher und berechenbar durch eine romantische Passion zu steuern. Doch weit gefehlt. Helena und Levin, beide Geistesmenschen, beide mit Familien und fast erwachsenen Kindern, stürzen in eine amour fou, die vor allem für Helena Glück, Unruhe und Qual in einem bedeutet.

Sie kann auch dem Ende dieser Passion vergessen, da helfen auch philosophische Slalomstangen wie Simone de Beauvoir, Niklas Luhmann und Sigmund Freud nicht weiter. Elke Schmitter hat einen vielstimmigen, weisen und mitreißenden Bildungsroman über die Liebe geschrieben, die auch Kopfmenschen die Kontrolle verlieren lässt und rettungslos verzaubern kann. (H.O.)

Alice Hunter – Die Frau des Serienkillers
Lübbe, 18 €
Beth und Tom Hardcastle leben in dem kleinen, idyllischen Ort Lower Tew und werden von allen um ihr perfektes Leben mit Tochter, Haus etc. beneidet. Doch plötzlich steht die Polizei vor der Tür und verhaftet Tom. Er wird verdächtigt, eine Frau ermordet zu haben. Allerdings fehlt noch jede Spur von der Leiche. Für Beth beginnt ein Spießrutenlauf. Denn für die Nachbar steht fest: Die Ehefrau muss doch davon gewusst haben. Doch was hat sie tatsächlich gewusst – und was ist wirklich geschehen? Es ist schade, dass der Titel des Thrillers schon so viel von der Spannung vorwegnimmt, denn sonst wäre die Geschichte, die mit einigen Wendungen aufwartet, um ein Vielfaches überraschender gewesen. (E.B.)