Draußen rascheln die herbstlich verfärbten Blätter und drinnen die Buchseiten, die uns in neue Welten entführen. Bücher sind immer auch eine wunderbare Geschenk-Idee!
Malla Nunn: Ist die Erde hart
Ariadne, 24 €
Sie sind nicht schwarz und nicht weiß, sondern sogenannte Mischlingskinder, die 1965 die Keziah Christian Academy in Swasiland besuchen. Die Stellung der Schüler und Schülerinnen wird u. a. dadurch determiniert, ob die Eltern das volle Schuldgeld bezahlen können oder auf Gelder aus einem Wohltätigkeitsfonds angewiesen sind. Entsprechend die Hierarchie bis hin zu der Größe der Essensportionen. Adele Joubert hat einen weißen Vater, der in Südafrika verheiratet bei seiner anderen Familie lebt, und das das volle Schulgeld zahlt. Von ihrer Mutter hat Adele gelernt, nicht anzuecken, immer nett und höflich zu sein und Situationen, in denen ihr Unrecht geschieht, wegzulächeln. Als nach den Ferien die Schule wieder beginnt, muss Adele ihren Platz bei den privilegierten Mädchen, der Oberliga, räumen, weil ein neues Mädchen reichere Eltern hat. Zur ihrem Entsetzen muss sie nun mit einer aufsässigen Außenseiterin ein Zimmer teilen. Ein Alptraum, der aber nicht lange währt. Nicht zuletzt durch ihre gemeinsame Leidenschaft für das Lesen und einige gemeinsam überstandene Abenteuer kommen sich die so unterschiedlichen Mädchen näher. Und Adele lernt peu à peu für sich einzustehen – gegenüber den ungeschriebenen Regeln in der Schule – und sie beginnt, auch das Apartheidregime in Frage zu stellen. Mall Nunn gelingt es fabelhaft, die Mechanismen der offenen wie der subtilen Unterdrückung in dieser Coming-of-Age-Geschichte ohne erhobenen Zeigefinger zu schildern. „Ist die Erde hart“ ist ein kluges, humorvolles und auch ein sehr spannendes Buch, das lange nachhallt.
Charlotte Link: Einsame Nacht
Blanvalet, 25 €
Bestseller-Autorin Charlotte Link hat wieder einen klassischen Pageturner im besten Sinne vorgelegt. Denn immer wieder lockt sie die geneigte Leserschaft auf die falschen Fährten. Die ideale Lektüre für kalte Tage, denn Schnee spielt eine große Rolle, als eine junge Frau durch eine einsame Nacht inmitten der entlegenen North York Moors fährt. Doch sie ist nicht allein. Plötzlich sieht sie in einer Parkbucht ein Auto. Ein Mann steht auf der Straße und schwingt sich blitzschnell auf den Beifahrersitz. Wird die junge Frau gerade Zeugin eines Überfalls? Oder kennen sich die beiden? Mit schlechtem Gewissen fährt die Frau nach Hause, aber der Vorfall lässt ihr keine Ruhe. Am nächsten Tag will sie sich davon überzeugen, dass sie sich unnötig in etwas hineingesteigert hat. Aber an der bewussten Parkbucht wimmelt es von Polizisten. Ein Frau wurde ermordet. Kate Linville nimmt die Ermittlungen auf und ist schnell auf einer Spur, die in die Vergangenheit führt, zu einem Cold Case, in dem Caleb Hale damals ermittelt hat und der nie gelöst werden konnte …
Stefanie vor Schulte : Schlangen im Garten
Diogenes, 24 €
Früher oder später tauchen sie immer auf – die ach so Wohlmeinenden, die den Hinterbliebenen vorschreiben wollen, auf welche Art und wie lange sie trauern dürfen. Wohl alle, die schon einmal einen geliebten Menschen verloren haben, kennen sie. Diese Erfahrung treibt die Autorin auf die Spitze, erfindet gar ein Traueramt und Nachbarn, die die Familie Mohn nach dem Tod der Mutter regelrecht bespitzeln. „Verschleppte Trauerarbeit“ lautet die Diagnose. Doch der Vater und die drei Kinder widersetzen sich den Erwartungen und möchten die Erinnerungen an Johanne auf ganz eigene Art bewahren. Poetisch, phantasievoll und mit magischer Sprache nähert sich die Autorin dem Thema auf überraschende Weise.
Christian v. Ditfurth: Tanz mit dem Tod
C. Bertelsmann, 22 €
Berlin-Wedding, November 1932: Sieben SA-Männer stürmen eine Kneipe und erschießen Kurt Esser, Redakteur des KPD-Blatts „Rote Fahne“. Dem jungen Kriminalpolizisten Karl Raben gelingt es auf abenteuerliche Weise, den Anführer der Mörder, Gustav Fehrkamp, zu stellen. Doch kaum ist Hitler 1933 an der Macht, kommt Fehrkamp auf freien Fuß. Raben hat fortan nur noch einen Gedanken: Gerechtigkeit. Für sein Vorhaben geht er einen Pakt mit dem Teufel ein und arbeitet für die gerade gegründete Geheime Staatspolizei. Damit ist sein Leben in der Hand von Gestapo-Chef Reinhard Heydrich. Genauso wie das Schicksal seiner Frau Lena und seiner Schwiegermutter, die jüdischer Herkunft sind. Christian v. Ditfurth ist ein großartiger historischer Spannungsroman gelungen. Ohne den Hauch von Langatmigkeit zeichnet er ein lebendiges Bild einer Zeit, als die Machtverhältnisse – auch innerhalb nationalsozialistischer Kreise – alles andere als geklärt waren und schildert die damit verbundenen Unsicherheiten. Und er erzählt von der Schwierigkeit, in unanständigen Zeiten ein anständiger Mensch zu bleiben. Wer Kerrs Bernie Gunther vermisst, wird sich über v. Ditfurths Karl Raben freuen – umso mehr, als dass „Tanz mit dem Tod“ den Auftakt zu einer vielversprechenden Reihe bildet.
Ferdinand von Schirach: Nachmittage
Luchterhand, 22 €
Es ist immer eine große Freude, die kleinen, feinen Geschichten dieses großen Erzählers zu lesen. Auf wenigen Seiten entwirft Ferdinand von Schirach eine verdichtete Story, für die andere einen ganzen Roman brauchen. Und doch wünscht man sich als Leser manchmal, das Buch hätte doch noch viel mehr Seiten. Der Bestseller-Autor entführt uns in ferne Länder, nach Taipeh, Tokio, New York, Marrakesch, aber auch nach Oslo, Zürich Pamplona und seine Wahl-Heimat Berlin. Er braucht nur wenige Sätze, um die Leserschaft in die Geschichte einzustimmen und einen unwiderstehlichen Lesesog zu entfalten. Geschichten, die man definitiv immer wieder zu Hand nehmen kann – und das nicht nur nachmittags.
Arttu Tuominen: Was wir verbergen
Lübbe, 16,99 €
Es ist ein überaus feiger Anschlag. Ein Fanatiker, der sich in einem Bekennervideo als „Gesandter“ bezeichnet, hat Handgranaten in einen Nachtclub geworfen, in dem die LGBT-Community feiern geht. Es sterben fünf Menschen und es gibt viele Schwerverletzte. Kommissar Henrik Oksman von der Kripo in Pori übernimmt die Ermittlungen und kommt dabei in schwere Bedrängnis. Denn er war wenige Stunden vor dem Attentat selbst in dem Nachtclub gewesen. Seine Kolleg*innen ahnen nichts von seinem Privatleben, das Oksman sorgfältigst für sich behält. In den sogenannten Sozialen Medien überschlagen sich indes die Kommentare. Unverhohlener Hass und Homophobie schlagen den Ermittlern entgegen, die mit aller Macht weitere Anschläge verhindern wollen. Denn sie wissen, dass der Täter weitere Handgranaten hat … Tuominen legt in „Was wir verbergen“ den Finger in die Wunde der augenscheinlich so toleranten westlichen Gesellschaft, in der vordergründig die sexuelle Orientierung keine Rolle spielt.
Lars Lenth: Tödlicher Nordwind
Limes, 22 €
Familie kann ungeheuer anstrengend sein. Und Anita, die neue Freundin von Rechtsanwalt Leo Vangens, hat da ein besonderes Prachtexemplar am Start. Ihre Mutter Agnes betreibt auf der abgelegenen Insel Stadlandet einen Windpark und in einem heruntergekommenen Hotel eine Unterkunft für Asylsuchende, die sie aus Profitgier gnadenlos ausbeutet. Wer sich beschwert, bekommt es mit ihren beiden skrupellosen Handlangern zu tun und landet schlimmstenfalls mit einem Gewicht an den Füßen im Wasser. Und dennoch vermittelt Leo seinem Freund, dem Umweltschützer Rino, eine leer stehende Hütte in der Nähe des Hotels. Eigentlich hätte Leo das Drama kommen sehen müssen. Denn natürlich ist Rino der Windpark ein Dorn im Auge. Was als Familiendrama beginnt, wird bald zum blutigen Konflikt um Profit und Ausbeutung von Natur und Menschen – zumal Mutter Agnes schon recht gebrechlich scheint und ein fettes Erbe für Anita und ihre zwei Brüder auf dem Spiel steht. Die Frage ist nur, wer diesen Kampf überlebt.
Paul Fournel: Die Liebe zum Fahrrad
Covadonga, 14,80 €
Wer ein Ohr hat für die Literatur und sein Fahrrad liebt, wird dieses Buch nicht mehr aus der Hand legen wollen. Denn Paul Fournels gesammelte Erzählungen vom Radfahren besitzen jene seltene, kostbare Magie, die unmittelbar einen Strom liebevoller Erinnerungen auslöst – bei allen, die selbst mit Freude in die Pedale treten.
Rund um die Jahrtausendwende, in seiner Zeit als Kulturattaché der französischen Botschaft in Kairo, schrieb und veröffentlichte Paul Fournel eine Liebeserklärung an seine zweite große Leidenschaft neben der Literatur: „Besoin de vélo“, ein Band mit fünfundfünfzig Erzählungen vom Radfahren, bescherte dem angesehenen Schriftsteller nicht nur zwei weitere Literaturpreise (den Prix Sport-Scriptum und den Prix Louis-Nucera). Seine Geschichten aus seinem Leben als passionierter Rennradfahrer wurden im Laufe der Jahre auch in mehrere Sprachen übersetzt und immer wieder neu aufgelegt und avancierten so mehr und mehr zu dem Radsport-Kultbuch bei Velo-Freunden in aller Welt. Denn in wunderbar knapper, suggestiver Prosa entwirft Paul Fournel ein Universum, in dessen Zentrum das Fahrrad steht. Die deutschsprachige Ausgabe „Die Liebe zum Fahrrad“ war zuletzt längere Zeit vergriffen. Nun aber ist dieses zeitlos schöne Buch endlich wieder erhältlich – in einer Neuausgabe als Klappenbroschur mit einem Gemälde des in Nürnberg lebenden Künstlers Axel Gercke als Umschlagillustration.