Einfach mal weg!
Das ist leider im Moment nicht so einfach. Statt Reisen in ferne Länder, schicken wir die Fantasie auf Reisen. Und das geht am besten mit einem guten Buch. Unsere Tipps im Januar.
Roger Willemsen: Unterwegs
Fischer Verlag, 10 €
Wer diesen eloquenten Erzähler einmal live erlebt hat, wird seine Stimme und den Sound, den er seinen Geschichten und Betrachtungen verleiht, nie vergessen. Leider verstarb Roger Willemsen 2016 viel zu früh. Insa Wilke hat aus seinem Nachlass Erzählungen, Reportagen und Reflexionen „Vom Reisen“ ausgewählt, die auch immer Willemsens Sehnsucht nach der Fremde spiegeln. Er erzählt vom „Nordweh“, von fußballspielenden Frauen in Afghanistan, vom Kongo als traurigstes Beispiel subsaharischer Geschichte. Es ist ungeheuer bereichernd, mit Roger Willemsen unterwegs zu sein. (E.B.)
Andreas Eschbach: Eines Menschen Flügel
Lübbe, 26 €
1.257 Seiten hat dieses epische Werk. Aber – versprochen – es lohnt sich. Normalerweise ist Science Fiction nicht meine erste Wahl (ehrlich gesagt: auch nicht meine zweite), aber Andreas Eschbach gelingt es, seine Leser mitzunehmen in eine eine andere Welt, zu einem fernen Planeten, in einer fernen Zukunft. Hier können die Menschen fliegen, bleiben aber Menschen aus Fleisch und Blut. Das Zusammenleben wird bestimmt von den Regeln, die die Ahnen aufstellten, die einst von den Sternen kamen. Jede Frau und jeder Mann leistet ihren oder seinen Beitrag für die Gemeinschaft. Geld ist abgesehen von der Eisenstadt eher unbekannt. Auf Märkten werden Waren getauscht. Maschinen darf es nicht geben. Doch auch das Paradies birgt tödliche Gefahren. Und als sich Owen aufmacht, zu den Sternen zu fliegen, die man nicht sehen kann, gerät die gesamte Balance der „bekannten Welt“ aus den Fugen. Andreas Eschbach hat mit seiner ungebremsten Lust am Fabulieren und mit seiner großartigen Fantasie eine neue Welt geschaffen. Die Charaktere mit ihren Lebens- und Liebesgeschichten, Schwächen und Stärken wachsen einem nach kurzer Zeit ans Herz. Man mag gar nicht mehr aufhören, dieses moderne Märchen mit klarer Botschaft zu lesen. Das Ende kommt dann trotz der weit über 1.000 Seiten etwas unvermittelt. So geht sehr gute Unterhaltung. (E.B.)
Raffaella Romagnolo: Dieses ganze Leben
Diogenes, 22 €
„Ich bin hässlich. Das ist die Wahrheit, die schlichte unzweifelhafte Wahrheit.“ So beginnt der beeindruckende Roman der italienischen Bestseller-Autorin Raffaella Romagnolo, der den Leser sofort in seinen Sog zieht. Paola ist 16, nicht Fisch nicht Fleisch. Findet sich hässlich und ist trotz – oder wegen? – des Reichtums ihrer Familie mit Villa, Pool und allem drum und dran kreuzunglücklich. Als sie von ihren Mitschülern per Social Media gemobbt wird, zieht sie sich noch weiter zurück und unternimmt mit ihrem im Rollstuhl sitzenden jüngeren Bruder von ihrer Mutter verbotene Ausflüge in die Sozialwohnungssiedlung, die die Baufirma ihres Vaters errichtet hat. Dort trifft sie Antonio. Aber hat sie den Mut, Vertrauen zu fassen? Zwischenzeitlich bröckelt die privilegierte Scheinwelt ihrer Eltern, die mit einem Knall in Schutt und Asche gelegt wird. Ein außergewöhnlicher Coming-of-Age-Roman jenseits gängiger Klischees. Unbedingt lesen. (E.B.)
Tentakel-Anthologie – Der Sound von OWL
KunstSinn-Verlag, 19,90 €
Seit 13 Jahren gibt es sie bereits: Die Tentakel, das Literaturmagazin aus OWL, das drei Mal im Jahr erscheint und neuen Arbeiten von AutorInnen aus der Region ein starkes Forum gibt. Die Tentakel-Macher Peter Bornhöft, Mechthild Borrmann, Matthias Bronisch, Ralf Burnicki und Antje Doßmann haben nun Nägel mit Köpfen gemacht und prägnante Texte aus dieser Zeit in einer Anthologie versammelt. Der schöne, hochwertig aufgemachte Hardcover-Band trägt den Titel „Der Sound von OWL“, etwas missverständlich, da er auch zahlreiche Werke von bildenden KünstlerInnen der Region enthält. „OWL: Sound & Vision“ hätte es besser getroffen. Gleichwohl lohnt sich das Lesen und Blättern. Denn man gewinnt zwischen Prosa, Lyrik, Essays und Übersetzungen zahlreiche erfrischende Einblicke. Neben AutorInnen, die sich schon überregional einen Namen gemacht haben, wie Elke Engelhardt, Mechthild Borrmann, Marcus Neuert, Franziska Röchter u. a. sind es Beiträge von z. B. Thomas Beblo, Katharina Hagemann, Rolf Birkholz, Natascha Hefenbrock (um nur einige zu nennen), die die Lektüre lohnend machen. Obwohl regional verankert, ist Heimattümelei keineswegs ein Kennzeichen des Bands, im Gegenteil. Gerade die Beiträge von SchriftstellerInnen und KünstlerInnen, deren Herkunft in anderen Ländern liegt, werfen einen neuen inspirierenden Blick auf die Region. Fazit: Ein Lesebuch bereichernder Entdeckungen. (H.O.)
Marcel Beyer – Dämonenräumdienst
Suhrkamp, 18 €
Ja, seufzt man angesichts dieses Titels unwillkürlich, einen Dämonenräumdienst könnte man in diesen seltsamen Zeiten gut gebrauchen. Doch die Dämonen in diesem Band entspringen keiner Pandemie, sondern ganz anderen Quellen. Teilweise sind es Wiedergänger: Hildegard Knef steigt zu einem ins Auto, Elvis fegt die Einfahrt, Rudolf Mooshammer trägt seinen Yorkshire-Terrier durch München. Dann wieder geschehen merkwürdige Dinge. Ein Amselpapst tritt auf, der Wertstoffhof wird zur Disko und derlei Dinge mehr. Es geht wild zu in den neuen Gedichten von Marcel Beyer, Unerhörtes passiert. Stilistisch ist das erst mal nicht zu erahnen. Formstreng kommen die Poeme daher, jedes Gedicht hat zehn Strophen zu je vier Versen. Aber die Art, wie Beyer sich in seine Gedichtanfänge stürzt, lässt Formdisziplin schnell vergessen: „Der Tod ist ein Arschloch aus Strehlen“, so verblüffend beginnt etwa das Gedicht „Ginster“. Wenn man genauer hinschaut, ist auch die strenge Form oft nur vorgetäuscht: Da werden Reime nicht durchgehalten, da werden heterogenste Sinneinheiten zusammengeflanscht. Beyer lässt seine Gedichte bisweilen bewusst wie hastig zusammengenagelte Bretterbuden aussehen. Doch in jeder dieser Buden stößt man auf wahre Leseabenteuer. (H.O.)
Joe Friel mit Jim Rutberg: Ride Inside – Trainingshandbuch Indoorcycling
Covadonga Verlag, 17,80 €
Schlechtes Wetter, Geschäftsreisen, Gefahren im Straßenverkehr oder ganz aktuell die Kontaktbeschränkungen in Zeiten der Corona-Pandemie: Es gibt zig Gründe, das Radtraining drinnen zu absolvieren. „Ride inside“ liefert Radsportlern und Triathleten nun einen intelligenten Leitfaden, wie man moderne Trainingskonzepte erfolgreich auf das Indoorcycling anwendet und den idealen Nutzen aus jeder einzelnen Indoor-Einheit zieht. Ob reine Fitness-Fahrer oder ambitionierte Leistungssportler: Alle, die zumindest hin und wieder auch drinnen trainieren möchten, erhalten mit diesem Buch praxisnahe Anleitungen für die Herausforderung des Indoortrainings: Welche physiologischen Unterschiede bestehen zwischen Indoorcycling und dem Radfahren auf der Straße? Welches Equipment ist erforderlich, um drinnen sinnvoll trainieren zu können? Wie passt man die Geräte an individuelle Bedürfnisse an? Wie überwacht und steuert man die Belastung? Wie plant man sinnvolle Indoor-Workouts? Wie nutzt man Zwift & Co. effektiv, um dann später auch im realen Leben mehr Power auf die Straße zu bringen? „Ride inside“ liefert Antworten.