Herbstlektüre
Jetzt schon an die Herbstferien denken – und dabei die gute Lektüre nicht vergessen!
Adrian McKinty: Alter Hund, neue Tricks
Suhrkamp Nova, 15,95 €
Der katholische Bulle ist eigentlich schon teilzeitpensioniert. Er muss nur noch wenige Stunden im Monat in der Unruheprovinz im Westen Europas abreißen – und diese eigentlich am Schreibtisch. Eigentlich. Doch ein dubioser Mord hält Detective Inspector Sean Duffy in Belfast fest. Ein Landschaftsmaler wird tot aufgefunden. Und sein Jaguar ist weg. Dass ein Autodiebstahl, der aus dem Ruder gelaufen ist, die Lösung des Falls ist, kann nach kurzer Betrachtung ausgeschlossen werden. Wie so oft ist in Nordirland nur wenig so, wie es scheint. Da hilft auch keine Tasse Tee. Auch wenn sich die Zeiten 1992 geändert haben – der Milchmann hat seine morgendliche Hauslieferung eingestellt und die Musik kommt von CD – unter seinen Wagen muss Sean Duffy noch immer gucken. Es könnte ein Sprengsatz der erbittert verfeindeten Konfliktparteien des kaum kaschiert herrschenden Bürgerkriegs montiert sein. (E.B.)
Bernhard Schlink: Abschiedsfarben
Diogenes, 24 €
Bilanz ziehen auf der Zielgeraden des Lebens, das machen die Protagonisten in den neun Erzählungen von Bernhard Schlink. Wenn man den Titel als inhaltliches Programm nimmt, so sind die Farbtöne aus der Perspektive zumeist älterer Männer eher dunkel als Indian-Summer-mäßig. Da ist der Informatiker, der einst in der DDR seinen Kollegen und Freund als IM an die Stasi verpfiff indem er dessen Ausreisepläne verriet. Da ist der Mann, der nach Jahrzehnten seine große Liebe wiedertrifft, die damals seltsam verhalten war und von der er nun erfährt, dass sie mühsam eine große Schuld abträgt. Es sind durchweg interessante Settings, die Schlink als Rahmen setzt, aber die Geschichten leiden etwas an dem immer gleichen Erzählstil, der faktenreich, fast kolportagehaft die Handlung rafft, aber kein Gespür für Stimmungen und Schwingungen beim Leser evoziert. Schade! (H.O.)
Ulrike Almut Sandig: Monster wie wir
Schöffling & Co., 22 €
Es ist die Geschichte einer Freundschaft, die sich wandelt wie die Landschaft ringsum. Ruth und Viktor sind beste Freunde. Sie wachsen in der Pampa Ostsachsens auf, einem Gebiet, das durch den Braunkohletagebau geprägt ist, wo ganze Dörfer durch Schaufelradbagger eingeebnet werden. Aber nicht nur der Natur wird Gewalt angetan. Auch die Jugendlichen erleben im familiären Umfeld Gewalt und Missbrauch. Wie sie sich unter diesem Druck entwickeln, das schildert die als Lyrikerin gestartete Ulrike Almut Sandig in ihrem Debütroman mit einer so noch nicht gehörten taufrischen, musikalischen Prosa. Das Besonders ist neben der Musikalität und dem Gespür für sprachlichen Rhythmus die Ökonomie. Sandig plaudert die entscheidenden Dinge nicht einfach aus, sondern lässt den Leser selbst drauf kommen. Darunter sind manche Ungeheuerlichkeiten, die einem den Atem stocken lassen. (H.O.)
Stephen Baxter: Artefakt
Heyne, 10,99 €
Wenn es um fantastische Ideen und faszinierende Weltentwürfe geht, ist der britische SF-Autor eine Klasse für sich. In seinem aktuellen Roman entfaltet er eine wuchtige Space Opera über eine gewaltige Katastrophe, die unser Sonnensystem bedroht – und frönt einem seiner Lieblingsthemen: den mannigfaltigen Möglichkeiten eines Multiversums inklusive alternativer Geschichtsverläufe. Dafür weckt er nach 400 Jahren Kälteschlaf seinen Protagonisten Reid Malenfant auf. Denn dessen verschollene Gattin Emma hat sich unerwartet mit einem Notruf vom Marsmond Phoebus gemeldet! Aber stammt sie tatsächlich aus Malenfants Universum, in dem Neil Armstrong auf dem Mond starb und Präsident Nixon als großer Wohltäter in die Geschichte einging – oder aus einem anderen Universum? (K.M.)
Thomas Enger & Jørn Lier Horst: Blutzahl
Blanvalet, 11 €
Sie ist die „Ewige Erste“. Die ehemalige Leistungssportlerin Sonja Nordstrøm hat ihre Autobiographie geschrieben. Doch zur Buch-Premiere taucht sie nicht auf. Society-Reporterin Emma Ramm findet ihre Villa leer vor. Nur eine „Eins“ klebt am Spiegel. Emma hat ein mieses Gefühl in der Bauchgegend, das sich bald bestätigen soll, denn Alexander Blix vom Osloer Dezernats für Gewaltverbrechen ist der nächste, der eine Zahl findet: die Nummer Sieben, und zwar auf der Leiche eines Mannes, der in Sonja Nordstrøms Sommerhaus gefunden wird. Der Countdown hat begonnen. Und weder Polizei noch Presse können ahnen, wie viele Opfer dieses zutiefst gewalttätige „Spiel“ fordern wird. Solide Hochspannung aus Skandinavien. (E.B.)
Mark Johnson: Das blinde Spiel
rororo, 10 €
Es ist bereits der zweite Thriller aus der Feder des Schweden Johnson und ein Wiedersehen mit bekannten Figuren. Während einer Konferenz wird Jonatan Stark von einem Unbekannten erpresst. Entweder er beeinflusst das Ergebnis der Besprechung oder seine Ex-Freundin wird getötet. Zur gleichen Zeit recherchiert Journalistin Betty Lind im Fall eines exzentrischen IT-Unternehmers, der ein Flüchtlingsschiff samt Überfahrt nach Schweden finanziert hat. Da nimmt der schwedische Geheimdienst Kontakt zu ihr auf: Auf dem Schiff gibt es einen Passagier, der für die Friedensverhandlungen im Nahen Osten von größter Bedeutung ist. Jonatan und Betty stoßen auf undurchsichtige Allianzen, alle Spuren führen zu dem mysteriösen Passagier. Dabei geht nicht nur ums Geschäft, sondern die nationale Sicherheit steht auf dem Spiel. (E.B.)
Jan Beck: Das Spiel
Penguin, 15 €
Dieser Thriller ist nichts für schwache Nerven. Im Fokus stehen dabei Tattoos, die nur im Schwarzlicht zu sehen und ansonsten unsichtbar sind. Mavie fällt es erst auf, als sie auf einer Party darauf angesprochen wird. Sie ist entsetzt, weil sie keine Ahnung hat, wann und wo ihr jemand das Tattoo gestochen hat. Was sie nicht ahnt, für die Jäger eines über das Darknet initiierten tödlichen Spiels ist sie durch den Skorpion als „Beute“ klassifiziert worden. Wie andere auch. Die Polizei sieht nur eine Chance: Sie muss dieses Spiel mitspielen, um die Jäger dingfest zu machen. Jan Beck beschreibt überaus brutal und blutrünstig zu welchen Perversitäten Menschen fähig sein können. Das ist in dieser Klarheit nicht immer nötig. Zum Schluss überdreht der Autor und so wird der Showdown zur unglaubwürdigen Farce. (E.B.)
Johannes Groschupf: Berlin Prepper
Suhrkamp, 14,95 €
Walter Noack hat einen höchst deprimierenden Job. Er muss täglich acht Stunden lang Pöbeleien und Hasstiraden auf der Webseite einer großen Tageszeitung löschen. Das zerrt an seinen Nerven und lässt sein ohnehin eher geringes Vertrauen in die Menschheit weiter schwinden. Als er scheinbar grundlos vor dem Verlagsgebäude zusammengeschlagen wird, reicht es ihm. Er will sich nie wieder so hilflos fühlen. Er will nicht nur gewappnet – das ist er als Prepper in puncto Dinge horten zum Überleben ohnehin schon –, sondern auch bewaffnet sein. Allmählich rutscht er immer weiter hinein in die braune Sumpfsauce der waffensammelnden Reichs-und Wehrbürger. Erst viel zu spät, als es während der allumfassend lähmenden Berliner Sommerhitze zu Großbränden, Unruhen und offener Anarchie kommt, merkt er, dass er sich mit den falschen Leuten eingelassen hat. Kommt Walter Noack da noch mal raus? Mit erschreckender Klarheit schildert Johannes Groschupf die vermeintliche Zwangsläufigkeit von extremen Positionen, wenn sich abgehängt fühlende Menschen dauerndem Populismus ausgesetzt sind. (E.B.)
Deon Meyer: Beute
Aufbau Verlag, 20 €
Wer meint, Bennie Griessel von der südafrikanischen Polizei in Kapstadt sei in seinem 7. Fall amtsmüde, wird eines Besseren belehrt. Im Gegenteil: Bennie hat es mit einer hochpolitischen Angelegenheit zu tun, als ein ehemaliger Polizist in einem Luxuszug ermordet wird. Denn die geheimen Sicherheitsbehörden tun alles, um es nach einem Selbstmord aussehen zu lassen. Als ein zweiter Todesfall ebenfalls vertuscht werden soll, bekommt Griessel eine Ahnung davon, dass es um sehr viel mehr geht als um Mord. Zeitgleich plant ein alter Bekannter von Frankreich aus einen Coup gegen die korrupte südafrikanische Regierung. Deon Meyer schreibt nicht nur spannende Krimis, sondern er bringt den Lesern das Leben in seiner Heimat Südafrika näher und entführt in ein großartiges Land. (E.B.)
Asterix & Obelix: Keine Kohle mehr im Pott
Egmont, 14 €
Dat Ende der Kohle war schon fuffzig vor Christus sein Jesus im Ruhrgebiet ein großes Thema. Und zwar bei Asterix und seinen Kumpels! Diesmal hat nämlich wer die ganze Kohle aus dem Kupferpott von Ruhrbaron Solingenolix geklaut und unser kleiner Kollege und sein dicker Freund Obelix müssen durch dat Revier ziehen, um die Asche wieder aufzutreiben! So alles klar? Oder müssen wir noch mal erklären, dass der beliebte Comedian Hennes Bender wieder einen Asterix-Band ins Ruhrdeutsche übersetzt hat? Es ist jetzt schon der Sechste in der Reihe. Wer des Hochdeutschen mächtig ist – aber wer ist das schon – kennt den Band vielleicht auch unter Asterix und der Kupferkessel. Es ist jedenfalls ein großer Spaß, wie Hennes Bender die Geschichte – samt aktueller Bezüge – nachgedichtet hat. Unbedingt lesen!