Wenn es Lieferprobleme bei Elektroartikeln wegen fehlender Chips und Halbleitern gibt, verschenken Sie doch einfach ein gutes Buch. Das kommt immer gut an!
Jenny Blackhurst: Dein dunkelstes Geheimnis
Lübbe, 11 €
Anglesey, die malerische Insel vor der walisischen Nordwestküste bildet das Setting für diesen spannenden Psychothriller. „Wo ist sie?“ Das ist die Frage, die Kathryn ihrem Vater bei ihrem alljährlichen Besuch im Gefängnis stellt. Vor mehr als zwanzig Jahren verschwand ihre Freundin Elsie. Obwohl die Leiche des kleinen Mädchens nie gefunden wurde, sprachen die Indizien gegen Kathryns Vater, der verurteilt wurde. Kathryns Familie musste die Insel verlassen, zu groß war der Hass der Bewohner. Als am 25. Jahrestag von Elsies Verschwinden ein Mädchen vermisst wird, wiederholt sich die Geschichte. Oder doch nicht? Kathryn kehrt zurück, gibt sich aber nicht zu erkennen und stellt auf eigene Faust Fragen, deren Antworten ihr sicher geglaubtes Gedankenfundament in den Grundfesten erschüttert. Jenny Blackhurst ist Meisterin des cleveren Verwirrspiels. Und (fast) alles ist anders, als es scheint.
Hjorth &Rosenfeldt: Die Früchte, die man erntet
Wunderlich, 24 €
Ganz kurz hatte ich die Befürchtung, dass dem gefeierten Autoren-Duo nichts Neues mehr zur Sebastian-Bergmann-Reihe einfällt, aber die Sorge war definitiv unbegründet. Es tun sich weiterhin Abgründe auf, obwohl Bergmann, der selbstgefällige Womanizer und Egomane, als Großvater eine interessante Entwicklung durchläuft und einen tieferen Einblick in sein Seelenleben gewährt. Für die Polizei ist er nicht mehr tätig, er arbeitet als Psychotherapeut. Als ein Patient ihm von seinem durch den Tsunami 2004 hervorgerufen Trauma erzählt, gerät auch bei Bergmann, der selbst Frau und Tochter verlor, so einiges aus den Fugen. In der Zwischenzeit sind Vanja Lithner und ihre Kollegen von der Reichsmordkommission mit einem skrupellosen Heckenschützen beschäftigt, der seine Opfer scheinbar wahllos abknallt. Wie soll man ohne jegliche Verbindungen dem Täter auf die Spur kommen? Und da wäre noch Polizeikollege Billy, der auf perverse Weise Geschmack am Töten gefunden hat. Noch bleibt er unter dem Radar, aber wenn er nicht aufhört, wie lange noch? Hjorth &Rosenfeldt kreieren wieder Hochspannung, ein Buch, das man äußerst ungern aus der Hand legt.
Chris Hammer: Gold Coast
Scherz, 16 €
Nach „Outback“ ist „Gold Coast“ der neue Australien-Thriller aus der Feder von Chris Hammer. Dieses Mal schickt er seinen Protagonisten Martin Scarsden zurück in dessen Heimat an der Ostküste. Doch seine Rückkehr gestaltet sich anders als gedacht. Bei seiner Ankunft bietet sich ihm ein schreckliches Bild: Seine Freundin Mandy sitzt in der Küche ihres Hauses, Blut an den Händen. Neben ihr liegt ein alter Freund von Martin, brutal erstochen. Mandy ist die Hauptverdächtige. Martin ermittelt auf eigene Faust – und trifft auf alte Lügen und neues Geld. Dann der Schock: Unter den Palmen eines Hippie-Resorts sterben sieben Touristen an Gift, darunter ein indischer Guru und ein Filmstar. Die Medien wollen von Martin die große Story. Kann er sie liefern und gleichzeitig Mandys Unschuld beweisen? Die Zeit läuft ihm davon. Chris Hammer ist ein akribischer Beobachter australischer Verhältnisse. Ein Land, in dem die Preise für Grundstücke und Immobilien durch den Mining-Boom für Otto Normalverbraucher unerschwinglich werden und den Riss durch die Gesellschaft weiter vertiefen.
Maiken Nielsen: Ein neuer Horizont
Wunderlich, 20 €
Schon in „Space Girls“ widmete sich Maiken Nielsen starken Frauen. Und das ist zweifellos eine der großen Stärken der Hamburger Autorin und Journalistin. Dieses Mal entführt sie die Leserschaft nach Korea. 1950 ist die junge Zeitungsreporterin Nellie die einzige Frau, die vom Krieg zwischen Nord- und Südkorea berichtet. Um Akzeptanz, Respekt und Anerkennung muss sie jeden Tag kämpfen, während um sie herum Soldaten, aber auch Kollegen sterben. Zudem hat sie mit einem persönlichen Trauma zu kämpfen: Sieben Jahre zuvor ist ihre Zwillingsschwester Laura verschwunden, mit der sie auf dem Schiff ihres Vaters aufwuchs. Halt gibt ihr der Pressefotograf Jake, der jedoch in seine Heimatstadt Berlin zurückkehren muss, um den Wiederaufbau der Stadt zu dokumentieren. Abgesehen davon gibt es dort jemanden, mit dem er noch eine Rechnung offen hat … Und während die Welt in zwei Hälften zerfällt, kämpft Nellie gleich an mehreren Fronten – nicht zuletzt um ihr Glück. Maiken Nielsens Roman ist großes Kino. Vor dem Hintergrund des in der breiten Öffentlichkeit in Vergessenheit geratenen Korea-Kriegs erzählt sie davon, wie hart Frauen in den 1950er arbeiten mussten, um sich in vermeintlichen Männer-Domänen durchzusetzen.
Tana French: Der Sucher
Scherz, 22 €
Cal Hooper, ehemaliger Cop aus Chicago, hat sich in den Westen von Irland geflüchtet. Die Natur scheint friedlich, im Dorf nimmt man ihn freundlich auf. Da springt sein langjährig trainierter innerer Alarm an: Er wird beobachtet. Immer wieder taucht ein Kind bei ihm auf. Auf den umliegenden Farmen kommen auf seltsame Weise Tiere zu Tode. Stück für Stück gerät Cal in eine Suche, die ihn tief in die Dunkelheit führt. Ein großartiger atmosphärisch dichter Roman mit ungeheurer Sogwirkung. Tana French stellt eindrücklich unter Beweis, dass Krimis ganz große Literatur sein können.
Sven Regener: Glitterschnitter
Galiani Berlin, 24 €
Charlie, Ferdi und Raimund wollen mit ihrer Band „Glitterschnitter“ reich und berühmt werden. Ein erster Schritt wäre das Wall City Noise. Aber schon bald wird deutlich, dass es mehr braucht als eine Bohrmaschine, ein Schlagzeug und einen Synthie. Außerdem sind sich die Bandmitglieder nicht unbedingt einig darüber, wie der künstlerische Weg beschritten werden soll. Daneben in Sven Regeners skurrilem Figuren-Universum: Wiemer, der will, dass H. R. ein Bild malt, aber der will lieber eine Ikea Musterwohnung in seinem Zimmer aufbauen. Frank und Chrissie wollen die alte Trinkerstube Café Einfall zur kuchenbefeuerten Milchkaffeehölle umgestalten, aber Erwin will lieber einen temporären Schwangerentreff etablieren. Alle wollen etwas, aber was bekommen sie tatsächlich? Das dröselt Sven Regener in seiner unnachahmliche Weise mit Dialogen auf. Keiner versteht es so gut wie er zu beschreiben, wie vortrefflich Menschen aneinander vorbeireden können.
Elisabeth Herrmann: Der Teepalast
Goldmann, 16 €
Elisabeth Herrmann versteht es immer wieder, ihre Leserschaft zu überraschen. Schauplätze, Figuren und natürlich die Geschichten sind ungemein abwechslungsreich. Dieses Mal reist sie in die Vergangenheit, in das Jahr 1834. Lene Vosskamp wächst in einem kleinen ostfriesischen Dorf in bitterer Armut auf und muss schon als Kind schwere Schicksalsschläge hinnehmen. Doch dann gerät sie durch einen Fremden in den Besitz einer geheimnisvollen Münze, die sie berechtigt, in China mit Tee zu handeln. Fortan ist sie beseelt von dem Gedanken, sich aus ihren elenden Verhältnissen zu befreien und als erste Frau ein Tee-Imperium zu gründen. Für Lene beginnt eine gefahrvolle Odyssee, die sie über die Meere der Welt und in ferne Länder führt – und sie auf die Spur der Liebe ihres Lebens führt, die ihr einst in einer Weissagung prophezeit wurde. Ein Schmöker im allerbesten Sinne für lange Wintertage.