D3 Dance Discovers Digital / Chapter II

Ihre Liebe zum Theater hat biografische und geografische Gründe. „Als Kind dachte ich, dass Theater und Oper ganz normale Bestandteile der Welt sind und für alle im Mittelpunkt stehen“, lacht Claudia Rohrmoser. Erst später merkte sie: Diese Einschätzung hatte mit ihrem Geburtsort Salzburg zu tun. Aber auch fern der Festspielstadt zieht es sie an die Bühne.

Nanine Linning und Claudia Rohrmoser während der Proben

Am Theater Bielefeld zeichnet die Künstlerin und Professorin gerade – gemeinsam mit Studierenden der FH – für die Videoszenografie der interdisziplinären Tanzproduktion „Anima Obscura“ verantwortlich. An der Schnittstelle von zeitgenössischem Tanz und digitalen Medien stellt das Stück im Rahmen der Reihe „D3 – Dance Discovers Digital“ die Frage nach dem ewigen Leben.

Die renommierte niederländische Choreografin Nanine Linning spannt einen weiten Bogen von der mystisch aufgeladenen Stofflehre der Alchemie bis zur Gegenwart, in der wir durch Biohacking Organismen manipulieren und so unserem Traum von der Unsterblichkeit immer näherkommen. Aber können wir das Geheimnis unserer „anima obscura“ (dunklen Seele) je lüften? Zehn Tänzer*innen und die Harfenistin Sylvia Gottstein gestalten den Abend, der sich zur Musik von Johannes Brahms’ „Ein Deutsches Requiem“ und Yannis Kyriakides’ „Ein Schemen“ im Spannungsfeld zwischen der physischen Kunstform Tanz und dem gesamten Spektrum der Videoanimation entfaltet. Hier kommt Claudia Rohrmoser ins Spiel. „Ich habe Multimedia studiert, aber auch viel mit Musik zu tun gehabt“, so die Österreicherin. „Animation war die Brücke zwischen beiden.“ Das Ergebnis: visuelle Musik. Ähnlich wie andere VJs (Videokünstler – analog zum DJ), schuf sie zunächst experimentelle Visuals für Konzerte, bevor sie der Weg aus den Clubs an verschiedene Theater führte. Speziell für „Anima Obscura“ hat sie eine dynamisierte Raumbühne entwickelt, die so etwas wie ein Echo bzw. Partner für den Tanz ist. Nicht einfach eine Leinwand, auf der ein Video läuft, sondern eine begehbare Projektion. „Alles kann sich mitbewegen.

Ideen setzen sich in Bewegung um, die Bühne spielt im Gesamtkunstwerk mit. Alles ist im Fluss, es entstehen Kreisbewegungen,
Metamorphosen – das ist die Kernidee der Choreographie.“ Der Mehrwert gegenüber einem klassischen Bühnenbild? „Animation kann Verwandlungen zeigen, die man mit bloßem Auge nicht sehen könnte“, so Claudia Rohrmoser. Ich kann zum Beispiel die Spuren, die Tänzerinnen im Raum hinterlassen, mit meiner Technik sichtbar machen. Das ist dann mehr wie eine Gedankenspur. Tanz und Video sind sich einerseits ähnlich, können sich aber auch widersprechen oder kommentieren. Die Tänzerinnen sind zugleich Autor*innen der Videoprojektion, indem sie auf der Bühne das Material beeinflussen. Ihre manuelle Manipulation geht über in eine digitale Verwandlung. So entsteht eine ständige Spannung zwischen Projektion und Choreographie.“ Wie das opulente Gesamtkunstwerk aus Choreografie, Video-Performance, Animation und 3D-Computersimulation letztlich genau funktioniert, ist für Laien nicht leicht zu verstehen. „Der Hardwareaufwand ist jedenfalls enorm“, verrät Claudia Rohrmoser schmunzelnd. Und auch das sinnliche Theatererlebnis lässt sich nur schwer in Wort fassen. „Man muss es im Raum erleben und auf sich wirken lassen“, macht die Videodesignerin Lust auf eine außergewöhnliche Produktion.

Claudia Rohrmoser …
wurde in Salzburg geboren. Die Videokünstlerin studierte MultiMediaArt und Computeranimation an der dortigen Fachhochschule sowie Experimentelle Mediengestaltung an der Universität der Künste in Berlin. In ihren Arbeiten überschreitet sie die Grenzen konventioneller Filmformate, indem sie diese als räumlich, akustisch und performativ erfahrbar inszeniert. Hierbei überführt sie bevorzugt malerische und grafische Techniken mit digitalen Werkzeugen in filmische Bewegung. Claudia Rohrmosers Werke wurden international von renommierten Institutionen aufgeführt und ausgestellt. Claudia Rohrmoser unterrichtete mehrere Jahre im Bereich experimenteller Animationsfilm und Audiovision an der FH Salzburg, ehe sie 2010 als Professorin für Motion Design an die Berliner Technische Kunsthochschule berufen wurde. Seit 2019 leitet sie als Professorin zusammen mit Prof. Florian Kühnle die neue Studienrichtung Digital Media and Experiment im Fachbereich Gestaltung der FH Bielefeld. In ihren künstlerischen Arbeiten beschäftigt sich Claudia Rohrmoser mit dem Grenz- und Zwischenbereich von Film, Musik und Bühnenbild.


www.theater-bielefeld.de


Premiere: 23.10., 19:30 Uhr, Stadttheater