DAS HANDWERK – DIGITAL, NACHHALTIG, VIELFÄLTIG
125 Jahre sind ein Anlass zurück-, vor allem aber vorauszuschauen. Wir haben mit Dr. Jens Prager, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Ostwestfalen-Lippe zu Bielefeld, über die Herausforderungen, die Chancen und die Zukunft des Handwerks gesprochen – ebenso wie über das Jubiläum.

Was beschäftigt die Mitgliedsbetriebe aktuell am meisten?
Jens Prager: Unsere Betriebe stehen vor riesigen Herausforderungen. Der Fachkräftebedarf ist groß, die Energiepreise sind hoch, die Bürokratie wächst und die wirtschaftliche Lage ist unsicher. Viele fragen sich: Wie sollen wir da langfristig bestehen und investieren? Besonders kleine und mittlere Unternehmen brauchen dringend bessere und stabilere politische Rahmenbedingungen. Wir erwarten von der neuen Bundesregierung schnelle und effektive Lösungen, damit das Handwerk stark bleibt – denn ohne das Handwerk gibt es keine stabile Wirtschaft in unserer Region.
Wie stellt sich die Handwerkskammer diesen Herausforderungen?
Jens Prager: Niemand kann die Zukunft genau vorhersagen, aber wir tun alles, um bestmöglich darauf vorbereitet zu sein. Unsere Kammer setzt auf moderne Bildungsangebote, digitale Services und nachhaltige Initiativen. Der Campus Handwerk im Herzen Bielefelds wächst und unser Bildungszentrum sucht bundesweit seinesgleichen. Gleichzeitig unterstützen wir unsere Mitgliedsbetriebe mit digitalen Lösungen und maßgeschneiderter Beratung – von der Gründung über die Betriebsnachfolge bis hin zu Themen wie Digitalisierung und Innovation. Unser Ziel ist es, die Interessen unserer Betriebe so gut wie möglich zu vertreten.
Sie planen ein Frauen-Forum für das OWL-Handwerk und fördern junge Talente. Warum ist das so wichtig?
Jens Prager: Ganz klar: Das Handwerk braucht mehr Frauen! Nicht nur als Fachkräfte, sondern auch in Führungspositionen, als Unternehmerinnen und im Ehrenamt. Deshalb bieten wir schon in den Meisterkursen spezielle Info- und Beratungsangebote für alle, die gründen, einen Betrieb übernehmen oder sich in unseren Gremien engagieren wollen. Zusätzlich sind wir in Netzwerken wie dem Kompetenzzentrum Frau und Beruf und der Initiative Klischeefrei aktiv. Mit dem neuen Frauen-Forum wollen wir die Sichtbarkeit von Frauen im Handwerk stärken und sie gezielt unterstützen – mit Weiterbildungsmöglichkeiten, Netzwerkarbeit und konkreten Hilfsangeboten. Wir wollen Frauen ermutigen, ihren eigenen Weg im Handwerk zu gehen, unabhängig von alten Rollenklischees.
Wie würden Sie jungen Leuten die Chancen im Handwerk erklären?
Jens Prager: Handwerk ist viel mehr als nur ein Job, Handwerk verbindet Können mit Leidenschaft. Es bedeutet Kreativität, Sinnhaftigkeit und echte Zukunftsperspektive. Wer handwerklich arbeitet, kann etwas Eigenes aufbauen und innovative Lösungen für gesellschaftliche Probleme entwickeln. Wir als Kammer unterstützen junge Menschen mit vielen Orientierungsangeboten, damit sie selbst erleben können, wie vielseitig und spannend das Handwerk ist. Wer sich heute für eine Ausbildung entscheidet, hat die besten Chancen, morgen in Bereichen wie nachhaltigem Bauen, Energietechnik oder Digitalisierung eine führende Rolle zu spielen.
Wie sieht die Zukunft des Handwerks aus?
Jens Prager: Digital, nachhaltig und vielfältig. Smarte Gebäudetechnik, ressourcenschonendes Bauen und Automatisierung sind schon jetzt zentrale Themen. Aber eines wird immer bleiben: der persönliche Kontakt und das handwerkliche Können. Gerade in einer ländlich geprägten Region wie Ostwestfalen-Lippe ist das Handwerk nicht nur Arbeitgeber, sondern auch eine wichtige Stütze der Gesellschaft – als Ausbilder, Innovationstreiber und wirtschaftliches Rückgrat.
Was fordern Sie von der Politik?
Jens Prager: Wir brauchen dringend weniger Bürokratie, eine Beschleunigung des Verwaltungsvollzugs, bessere Förderstrukturen für die berufliche Bildung und eine echte Gleichstellung von beruflicher und akademischer Bildung. Gerade beim Thema Fachkräfte muss mehr passieren – das beginnt schon in der Schule mit einer stärkeren Berufsorientierung. Und natürlich brauchen unsere Betriebe steuerliche Entlastungen und verlässliche Rahmenbedingungen, damit sie investieren und wachsen können.
Wie feiern Sie das 125-jährige Jubiläum der Handwerkskammer OWL?
Jens Prager: Wir wollen nicht nur unsere Tradition feiern, sondern auch zeigen, dass das Handwerk modern, innovativ und zukunftsfähig ist. Unser Jubiläumslogo, das seit Jahresbeginn an unserer Fassade leuchtet, steht genau für diese Verbindung von Vergangenheit und Zukunft. Dazu kommen Themenwochen, Ehrungen für besonders langjährige Betriebe und eine Jubiläumswebsite. Ein besonderes Highlight wird auch in diesem Jahr die Verleihung des Zukunftspreises sein, der sich mit dem Thema Ressourcenschonung befasst. Mit all diesen Aktionen wollen wir eines deutlich machen: Das Handwerk ist nicht nur eine tragende Säule, sondern auch das Schwungrad für die wirtschaftliche Transformation unserer schönen Region.