Die Ausstellung im Historischen Museum ist Abschiedsvorstellung und Premiere zugleich.
Mit „Ansichtssache. Bielefeld-Bilder vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart“ verabschiedet sich Dr. Gerhard Renda in den Ruhestand. Das Projekt setzt erstmals die Idee um, die historischen Ansichten Bielefelds in ausgewählten Beispielen vorzustellen. Die Ausstellung läuft vom 29. Mai bis 2. Oktober.

Ernst Sagewka, Gaswerk, 1919, Öl auf Leinwand, Stadtwerke Bielefeld

Die Exponate reichen von Gemälden über Grafiken und Postkarten bis zu Fotografien und Filmen. Außerdem erscheint ein umfangreiches Begleitbuch. Doch wie haben sich die bildlichen Darstellungen im Laufe der Jahrhunderte entwickelt und wie wurden sie künstlerisch umgesetzt? Darauf gibt es naheliegende Antworten – so ist die Sparrenburg ein beliebtes Motiv – aber auch unerwartete. Bei der Auswahl ist Dr. Gerhard Renda immer wieder auf Überraschendes gestoßen. „Oft habe ich gedacht: Ach, so kann man das auch sehen“, verrät der Ausstellungskurator. „Veit Mette hat zum Beispiel das Blindenmodell am Alten Markt im Schnee fotografiert. Es ragen nur noch Dächer und Turmspitzen aus dem Schnee, dadurch wirkt es fast abstrakt.“ So wie der Fotograf kommen auch die meisten anderen Künstler*innen aus Bielefeld oder haben hier gelebt, als sie ihr Werk schufen. „Eine Ausnahme ist der Niederländer Martin Monnickendam. Er hat in den 1920ern eine Reise an der Weser entlang gemacht und seine Eindrücke in Aquarellen festgehalten. Für seinen Blick von der Sparrenburg hat er eine ungewöhnliche Perspektive gewählt.

Neben dieser Leihgabe aus Amsterdam zeigt die Ausstellung insgesamt rund 140 Arbeiten von 30 öffentlichen und privaten Leihgeber*innen. Einige Werke stammen aus dem eigenen Bestand, weitere aus dem Stadtarchiv und der Kunsthalle. „Gefunden“ hat sie der Wahl-Bielefelder auch aufgrund seiner langjährigen Arbeit im Historischen Museum – er gehörte bereits 1990 vor der Eröffnung zum Team, das ein Konzept für das Haus entwickelte. „Im Prinzip ist die Ausstellung auch die Frucht meiner langen Tätigkeit hier. Im Laufe der Jahre bin ich auf viele Sachen gestoßen und musste mit der Recherche nicht bei null anfangen.“ Wären die Exponate chronologisch geordnet, müssten sie übrigens mit der ersten bildlichen Darstellung der Stadt 1612 beginnen, die als Folie für die Sensationsmeldung eines Erdbebens in der Region diente. Doch Dr. Gerhard Renda hat einen anderen Weg gewählt und thematische Schwerpunkte gesetzt. Die Themenfelder reichen von „Panorama“ über „Wahrzeichen“ und “Souvenirs“ bis zu „Alt-Bielefeld“. „Dieser Sammelbegriff hat sich vor dem 1. Weltkrieg herausgebildet“, erklärt der Kurator. „Er hat mit den Umbrüchen durch Industrialisierung und Urbanisierung zu tun. Angesichte von Lärm, Hektik und Schmutz durch die Industrie wuchs im Bürgertum der Wunsch nach einer Rückbesinnung auf die Natur und den Schutz des Ortsbildes, der mit nostalgischen Gefühlen verbunden war. Typisch für diese Zeit sind bestimmte Blickwinkel der Altstadt.“

Unbekannter Künstler, Bielefeld von Westen, um 1850, Öl auf Leinwand, Kunsthalle Bielefeld

Künstler der „Bielefelder Moderne“, wie Peter August Böcksti egel, Hermann Stenner und Victor Tuxhorn, entdecken jene krummen Fachwerkwinkel und -gassen, die malerische Motive bieten. Übrigens eine Perspektive, die auch Dr. Gerhard Renda selbst gefällt. „Ich mag alte Städte, wo man flanieren und immer wieder viele Details entdecken kann. Da ist Bielefeld durch die Kriegszerstörung benachteiligt. Aber sehr schön finde ich den Durchgang an der Jodokuskirche, der zum Klosterplatz führt.“
Ganz anders dagegen die Ansichten zum Themenfeld „Industriestadt“. Auch wenn der Ausstellungsmacher kein Lieblingswerk hat, ist er hier von der künstlerischen Ausdruckskraft des „Gaswerks“ von Ernst Sagewka begeistert: „Das ist eine farbliche Explosion.“ Industrieschornsteine, Rauch, Fabriken und die Eisenbahn schreien allerdings geradezu nach einem Gegenentwurf, den die „Idylle“ mit scheinbar intakten Dörfern wie Dornberg und Schildesche zeichnet.
Auf das Kapitel „Zerstörung“, was sich sowohl auf den Krieg als auch auf den Wiederaufbau als autogerechte Stadt bezieht, folgen als Abschluss die „Visionen“. Hier geht es um Bauten und Projekte, die nicht realisiert worden sind, aber das Stadtbild wesentlich verändert hätten. „1971 gab es zum Beispiel einen Plan für eine Terrassensiedlung, die den Pass des Teuto überbauen sollte. Dann wäre der OWD durch die Siedlung unten durchgefahren.“ Wer weitere erstaunliche Ansichtssache(n) sucht, wird in der Ausstellung garantiert fündig.

Karl Martin Holzhäuser, FUCK OWD, Kamerafotografie, 1982, Karl Martin Holzhäuser