PRÄSENZ, MOBILE WORK ODER HOMEOFFICE?
AM BESTEN EIN MIX – HYBRIDES ARBEITEN LIEGT IM TREND
Die Coronapandemie hat die Arbeitswelt auf den Kopf gestellt. Mitarbeiter sitzen reihenweise im Homeoffi ce. Die Lehre aus der erzwungenen Distanz: nicht nur im Büro ist produktive Arbeit möglich. Eine Chance für neue Arbeitsmodelle. Wir haben in Bielefelder Unternehmen nachgefragt: zurück ins Büro oder mehr Flexibilität wagen?
Arbeiten von zu Hause ohne starres Zeitkorsett, darauf möchte Arne Kleinekathöfer nicht mehr verzichten: „Ich fange um 6.30 Uhr an. So schaffe ich schon einiges, bevor ich die Kinder für Schule und Kita fertigmache.“ Der Abteilungsleiter Marketing-Kommunikation der Ceyoniq Technology GmbH schätzt die Flexibilität, die seine Firma seit der Coronapandemie ermöglicht und will – wie so viele seiner Kolleg:innen – nicht mehr zur reinen Präsenzkultur zurück. „Jeder kann sich aussuchen, wie er arbeiten will. Das wird in den Teams unterschiedlich gehandhabt“, so Kleinekathöfer. Zwischen 6.30 Uhr und 21.30 Uhr können die Aufgaben erledigt werden. Eine digitale Zeiterfassung macht’s möglich. Arne Kleinekathöfer sieht in hybriden Modellen eine Chance für Unternehmen. Die Vorteile liegen auf der Hand: Die Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf wird leichter und Mitarbeiter:innen sparen Zeit und Geld durch wegfallende Arbeitswege. Doch kaum jemand möchte ausschließlich von zu Hause arbeiten und seine Kolleg:innen nur bei Videomeetings oder in digitalen Kaffeepausen zu Gesicht bekommen. Der persönliche Austausch und das soziale Miteinander im Büro sind für viele unverzichtbar. Das sehen die meisten Unternehmen ebenso. Zumal sich manche Arbeiten – etwa mit Materialien – nicht von zu Hause aus erledigen lassen.
Eine Umfrage der IHK Berlin „Homeoffice – neue Normalität oder zurück zur Präsenzkultur“ brachte es an den Tag: 47,4 Prozent der befragten Unternehmen sprachen sich für die Einfühung hybrider Modelle aus, die beide Arbeitsformen vereinen. Ein Mix aus mobilem Arbeiten und Büropräsenz wird voraussichtlich auch beim Bielefelder Traditionsunternehmen Seidensticker eingeführt. „Eine Mitarbeiterbefragung zeigte, dass sich der Großteil unserer Beschäftigten auch langfristig Möglichkeiten des mobilen Arbeitens wünscht, weil sie so Familie und Beruf besser vereinbaren können“, erklärt Dr. Marc Barrantes, Chief Financial Officer der Seidensticker Group. Für die Unternehmensleitung steht jedoch fest: Ganz ohne Präsenz geht es nicht. Barrantes: „Ein vollständiger Wechsel zu Homeoffice ist für uns keine Option – auch das bestätigen die Umfrageergebnisse. Kreative Prozesse und das erforderliche Arbeiten am textilen Produkt machen eine Präsenzkultur in unserer Branche unverzichtbar.“ Organisationen wie die Founders Foundation, die junge Start-up-Unternehmer fördert, setzen dagegen schon lange auf Flexibilität. „Hybrides Arbeiten war auch schon vor der Pandemie Teil unserer DNA“, sagt Dominik Gross, Geschäftsführer der Founders Foundation. „Wir arbeiten in einem dynamischen, agilen Umfeld mit Start-ups und verfügen deshalb über die entsprechende Tool- und Kommunikations Infrastruktur wie Laptops und Mobiltelefone und unsere Software liegt in der Cloud. Es ist also grundsätzlich egal, von wo jemand arbeitet, da die gemeinsame Basis steht.“ Bei der Founders Foundation heißt das Virtual Office. Doch ganz ohne physische Firmenzentrale geht es auch bei Unternehmen nicht, die bereits in der Welt der „New Work“ angekommen sind. Gross: „Unser Founders Home in der Bielefelder Altstadt ist der Magnet, um zusammenzukommen. Der persönliche Austausch und das gemeinsame Arbeiten vor Ort ist elementarer Bestandteil einer lebendigen Start-up-Kultur.“ Soziales Miteinander schweißt zusammen und inspiriert.
Neue Arbeitskulturen werden die Büros und Firmenzentralen verändern, davon ist Goldbeck überzeugt. Das Bielefelder Unternehmen, das auf die Entwicklung und den Bau von Gewerbeimmobilien spezialisiert ist, arbeitet bereits an Konzepten für die Welt von „New Work“. Das Büro werde in der neuen Arbeitswelt zur wichtigen Begegnungsstätte, zum „modernen Lagerfeuer“. Rund um dieses Lagerfeuer entwickeln sich Ideen und lassen sich Prozesse schneller abstimmen. Goldbeck: „Es gilt, Raumkonzepte zu entwickeln, die eine optimale Kombination von Mobile Work und Präsenz ermöglichen.“ Wie das aussehen kann, demonstriert Goldbeck an seinem Standort in Frankfurt am Main: „Dort gibt es wenige Einzelbüros, dafür viele Open Spaces, die sich zum Teil flexibel öffnen und schließen lassen. Mitarbeiter, die nicht ständig im Büro sind, können Shared Desks buchen. Ihre persönlichen Dinge haben sie in Rollcontainern, die in ‚Caddy-Garagen’ zwischengeparkt werden. Sensoren erfassen in diesem technisierten Büro, ob etwa ein Meetingraum belegt ist oder es noch freie Plätze in der Cafeteria gibt. Diese Infos sind digital abrufbar.“
Ganz so futuristisch mögen es andere ostwestfälische Unternehmen bisher nicht. Bei Ceyoniq etwa haben die Mitarbeiter:innen auch in der hybriden Arbeitswelt ihre eigenen Schreibtische in der Firmenzentrale. Arne Kleinekathöfer: „Jeder soll seinen vollwertigen und gut ausgestatteten Arbeitsplatz im Büro behalten! Das gehört für uns dazu, damit man sich nicht abstimmen muss, ob ein Schreibtisch frei ist. Wir haben Mitarbeiter:innen, die wollen lieber ins Büro, weil sie nur kleine Wohnungen haben oder zu langsames Internet.“ Die Pandemie habe klaren Nachholbedarf für eine zukunftsfähige Infrastruktur sichtbar gemacht, erklärt auch Dominik Gross: „Nicht jede Wohnung ist mit Breitband ausgestattet. Für manche Mitarbeiter war während des Lockdowns im Homeoffice das Smartphone als WLAN-Hotspot die einzige Möglichkeit für schnelles Internet. Das muss sich ändern.“ Ganz ohne Kabel im Boden oder Funkmasten in der Landschaft lässt sich die neue Arbeitswelt also nicht realisieren. Nötig sind sichere VPN-Leitungen gegen Datenk lau, flächendeckend schnelle Verbindungen und eine gute Firmensoftware.
Eine Investition, die sich lohne. Für Dominik Gross von der Founders Foundation ist New Work ein entscheidender Faktor beim Kampf um gute Köpfe. Gross: „Flexible oder hybride Modelle sind für die Unternehmen definitiv ein Vorteil, wenn es darum geht, neue Talente für sich zu gewinnen.“ Arbeitnehmer hätten heute klare Vorstellungen, was Flexibilität in Kontrast zu klassischen Arbeitszeitmodellen angeht. Gross prophezeit: „Ich schätze, der klassische ‚nine to five’-Job im Büro wird aussterben.“