Wer in Bielefeld die erste Geige spielt? Nimmt man die Frage wörtlich, ist die Antwort eindeutig: Katrin Adelmann. Noch dazu hat sie – Achtung, noch ein Wortspiel – den Bogen raus. Die Violinistin ist nämlich 1. Konzertmeisterin der Bielefelder Philharmoniker. Gemeinsam mit dem Orchester steht sie Anfang des Jahres vor einer gewaltigen Aufgabe: Beethoven in zwanzig Tagen.

„Das wird körperlich anstrengend und eine extreme Konzentrationsleistung.“

Katrin Adelmann

Zum 250. Geburtstag will Generalmusikdirektor Alexander Kalajdzic dem visionären Künstler nämlich ein ganz besonderes „Ständchen“ bringen. Von Ende Januar bis Anfang Februar werden alle neun Symphonien aufgeführt – gepaart mit drei zeitgenössischen Kompositionen. Beethovens nachhaltige Wirkung auf die Musikgeschichte entfaltet sich nämlich besonders dann, wenn seine Meisterwerke im Kontext neuerer Musik erklingen. Diese zyklische Aufführung dürfte eine echte Tour de Force für die Bielefelder Philharmoniker werden. „Das wird körperlich anstrengend und eine extreme Konzentrationsleistung“, so Katrin Adelmann. „Die Geigen sind die ganze Zeit beschäftigt und Beethoven ist technisch wirklich schwer zu spielen. Er hat so seine Fallstricke, etwa extrem schnelle Wechsel der Tempi oder von laut zu leise, das ist geigerisch schwierig.“

Ich finde es spannend, dass man sich auf technischer Ebene gut überlegen muss, wie man etwas spielt, um die Vorstellung des Komponisten zu erfassen.

Dennoch oder gerade deshalb freut sich die 44-Jährige auf diesen Kraftakt. „Es ist toll, einmal alle Symphonien zu spielen und die Wahnsinnsentwicklung von der 1. bis zur 9. zu erleben.“ Darüber hinaus hat sie als 1. Konzertmeisterin aber noch weitere Aufgaben. Ihr obliegt die Stimmführung der 1. Geigengruppe. „Die Gruppe muss nach mir spielen, im Prinzip ist das ein Übersetzungsangebot dessen, was der Dirigent will“, erklärt die sympathische Violinistin. „Ich halte den Streicherapparat zusammen, aber im Zweifel bin ich auch die Person, nach der die anderen Gruppen spielen. Dabei ist viel nonverbale Kommunikation gefragt, von kleinsten Bewegungen bis zum Atmen. Man muss immer mitkriegen, was die anderen tun, sonst würde das Prinzip Orchester nicht funktionieren.“ Diese Übersetzungsarbeit schätzt sie auch bei der Beschäftigung mit Beethoven. „Es ist spannend, dass er mit dem einen Bein in der Klassik, mit dem anderen in der Romantik steht. Er sucht den persönlichen Ausdruck, ist aber noch sehr in der Musiksprache der klassischen Epoche verhaftet. Jeder Komponist hat seine Faszination, bei Beethoven ist die Architektur und Struktur extrem wichtig.“ Hier kommt eine ihrer weiteren Aufgaben als 1. Konzertmeisterin ins Spiel: gemeinsam mit dem Dirigenten legt sie die Bogenstriche fest. „Die Geigen haben immer einen Ab- oder Aufstrich, damit kann man interpretatorisch großen Einfluss nehmen. Darüber wurden schon ganze Bücher geschrieben“, lacht Katrin Adelmann. Und obwohl Beethoven detailverliebt war, hat er dazu keine Angaben gemacht. Notiert hat er nämlich vor allem das, was anders gespielt werden sollte, als es zu seiner Zeit Tradition war. „Ich finde es spannend, dass man sich auf technischer Ebene gut überlegen muss, wie man etwas spielt, um die Vorstellung des Komponisten zu erfassen“, betont Katrin Adelmann. Auch eine Art von Dolmetschen: „Was denkt der Dirigent, was der Komponist wollte – und ich übersetze das für den Rest des Orchesters.“

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Foto: Bielefelder Philharmoniker