DIE SCHÖNHEIT DES KREISVERKEHRS
Ob die eine oder der andere hier bereits Extrarunden gedreht haben, um die Pracht im Vorbeifahren länger zu genießen? Gut möglich. Fest steht auf jeden Fall, dass nicht nur Insekten auf die Blühbeete fliegen. Viele positive Rückmeldungen kommen auch von begeisterten Bielefelder*innen.
2012 legte der Umweltbetrieb der Stadt Bielefeld (UWB) das erste Staudenbeet auf der Kreisverkehrsfläche an der Engerschen Straße an. Damals eine kleine Revolution. Seitdem sind zahlreiche weitere Verkehrsbegleitflächen aufgeblüht – und es werden immer mehr.
Ein bisschen Überzeugungsarbeit musste Michaela Wangler allerdings leisten, als sie ihre Idee vorstellte. Schließlich war Straßenbegleitgrün typischerweise jahrzehntelang tatsächlich vor allem eins: grün. Ihren Vorschlag, reine Rasenflächen durch artenreiche Mischbeete zu ersetzen, brachte die Landschaftsarchitektin aus Höxter mit. Dort war sie nach dem Studium als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Botanischen Garten tätig. Seit 2010 arbeitet sie in der Neubauabteilung im Bereich Stadtgrün und Friedhöfe des UWB.
„Von Rasenflächen wird immer mehr Abstand genommen, da die Pflege an den zum Teil stark befahrenen Straßen eine große Gefahr für die Mitarbeitenden darstellt“, erklärt die Landschaftsarchitektin. Außerdem ist Rasen pflegeintensiv und hält der durch den Klimawandel hervorgerufenen Hitzeentwicklung schlechter Stand als die neu angelegten Staudenbeete. Eine Einschätzung, die ihre Kollegin Babette Schröder teilt. Die Abschnittsleiterin in der Grünunterhaltung hat Landespflege studiert und ist seit 1990 bei der Stadt Bielefeld. Ihr persönlicher Favorit ist die Fläche zwischen Polizei und Kesselbrink. „Sie ist gut zugewachsen und macht kaum Arbeit. Wir schneiden die Pflanzen einmal im Frühjahr zurück, haben wenig Unkraut und müssen nicht wässern.“
Unsere Städte sind heute sehr zubetoniert, wir wollen etwas Lebendigkeit zurückbringen.
Michaela Wangler
Was sie besonders freut: „Alle zeigen Respekt vor der Bepflanzung, das ist nicht selbstverständlich.“ Dass niemand Pflanzen platttrampelt oder pflückt, führt sie auf die Begeisterung der Bielefelderinnen zurück. Auch die Mitarbeiterinnen haben Spaß daran. „Das ist echte gärtnerische Arbeit“, unterstreicht die Abschnittsleiterin, die selbst gelernte Floristin und Gärtnerin ist. „Sie haben Interesse, die Entwicklung der Beete zu beobachten und machen auch selbst Vorschläge, was man pflanzen könnte.“ Was gepflanzt wird, beruht auf einem ausgeklügelten Plan, denn es sollen attraktive, ökologisch wertvolle Beete entstehen, die Kälte ebenso aushalten wie extreme Hitzeperioden und Wassermangel. „Unsere Städte sind heute sehr zubetoniert, wir wollen etwas Lebendigkeit zurückbringen“, erklärt Michaela Wangler.
Dafür wählt sie eine Artenzusammensetzung, wie sie etwa in natürlichen Vorbildern wie Felssteppen vorkommt. Diese Mischungen selbst zusammenzustellen, ist ihr ein besonderes Herzensanliegen. Gepflanzt wird auf einem tief ausgekofferten unkrautfreien Untergrund in ein mit Sand abgemagertes Substrat.
Alle zeigen Respekt vor der Bepflanzung, das ist nicht selbstverständlich.
Babette Schröder
Die oberflächliche Abdeckung mit einer mineralischen Kiesschicht verhindert Austrocknung und Verkrauten. „Anfangs mag es so aussehen, aber das hat mit den Steinwüsten in vielen Vorgärten ganz und gar nichts zu tun“, betont Babette Schröder. Ihre Kollegin ergänzt lachend: „Schon im zweiten Jahr wundert man sich, was da passiert.“ Dann nämlich geht der Plan auf: Die für den jeweiligen Standort gewählten Farbkonzepte aus Blau, Gelb und Lila werden sichtbar, die Gesamtkomposition erkennbar. Und von Frühling bis Herbst wird schlichtweg durchgeblüht.
www.umweltbetrieb-bielefeld.de
„KOST“ -BARE MISCHUNG
Die Blühbeete sollen Insekten-Treffpunkte für möglichst viele Käfer, Bienen, Wespen, Schmetterlinge, Libellen u. v. m. sein. Die ausgewählten Pflanzenarten stellen im Frühjahr und Sommer mit ihren Blüten und Blättern eine gute Nahrungsquelle dar, sind aber auch ein wichtiger
Schutz- und Rückzugsort im Winter. Über das Jahr gesehen sind Pflanzenarten gewählt worden, die eine möglichst durchgehende Blütenfülle und entsprechende Nahrungsquelle für Insekten bieten. Die standhaften Stauden mit ihren Blüten und Samenständen bleiben im Winter stehen und bieten so Struktur und Lebensraum.
DAS WÄCHST HIER
Die Staudenmischpflanzungen bestehen in der Regel aus 15-25 Arten – Stauden, Gräser und Halbsträucher –, die auf dem Extremstandort „Verkehrsinsel“ gut miteinander harmonieren. Wo es möglich ist, werden sie durch geeignete Bäume ergänzt. Nach Größen und Farben aufeinander abgestimmt gedeihen auf dem vollsonnigen Standort am Kesselbrink etwa Rutenhirse, Blauraute und Sonnenhut als „Gerüstbilder“. Dazu gesellen sich in lockeren Dreiergruppen Begleitstauden wie Astern, Steppensalbei und Fetthenne. Als Füllpflanzen dienen Witwenblume, Staudenlein und Prachtkerze, dazu kommen Bodendecker wie Schleierkraut und Wolfsmilch. Auf Wunsch sind beim UWB detaillierte Pflanzlisten mit genauen Sortenangaben erhältlich.