Dr. Constanze Döhrer
„Ich habe ein Herz für Dinge, die ein bisschen hässlich sind. So, wie dieses Souvenir: ein lila-glitzernder Schwan“,
sagt Dr. Constanze Döhrer schmunzelnd und dreht den Porzellanschwan vorsichtig in ihren Händen. Die eine Seite ist farbig – lilafarben mit goldenem Glanz. In der Mitte des Schwanenbauchs prangt das Panorama Bielefelds, versehen mit einem nüchternen, aber prägnanten Hinweis: Bielefeld – Totalansicht.
Dieser „Schauseite“ steht eine schlichte, nicht bemalte und verzierte Rückseite kontrastreich gegenüber. Wozu dieses Souvenir aus dem frühen 20. Jahrhundert genutzt wurde? „Vielleicht als kleine Mini-Vase oder für Süßes“, mutmaßt die Leiterin des Historischen Museums. Im Archiv des Museums befindet sich eine ganze Anzahl erstaunlicher Bielefelder Souvenirs: Eine Tasse tarnt sich als Erdbeere, ziert sich noch dazu mit einer Bielefeld Ansicht und verfügt über eine Untertasse in Form eines Erdbeerblatts. Aber es gibt auch winzige Fingerhüte mit Bielefelder Motiven und kleine Plastikfernseher, die auf Knopfdruck Bielefelder Stadtansichten produzieren.
„Letztere stammen aus den 1970/80er Jahren, unsere Sammlung reicht aber bis ins 18. Jahrhundert zurück“, sagt die 41-Jährige. Denn, so viel steht fest, Souvenirs stehen im engen Zusammenhang mit einer privaten Reisetätigkeit. „Es brauchte eine bürgerliche Schicht, die es sich leisten konnte, zu reisen“, sagt Constanze Döhrer. Natürlich reisten die Menschen auch schon lange davor, aber da spielten eher Gastgeschenke als Souvenirs eine Rolle. „Souvenirs sind dagegen etwas Privates. Es sind ‚Stehrümkens‘, die die Menschen in aller Regel als Erinnerung mitbringen oder auch verschenken. Entweder an Menschen, die einen Bezug dazu haben oder – wie Postkarten – um zeigen zu können, wo man war“, sagt die Museumleiterin mit Blick auf die Bildungsreisen des 18. Jahrhunderts, wo Souvenirs einen eigenen Topos erhalten. Kleine Dinge im überschaubaren Format, die noch dazu ins Reisegepäck passen – diese Beschreibung dürfte auf viele Souvenirs zutreffen. „Und natürlich verziert mit Ansichten von Stadtpanoramen und Gebäuden, Parkszenerien oder auch mit Stadtwappen“, erklärt Constanze Döhrer. Im 19. Jahrhundert kommt die Industrie mit ins Spiel. Neben romantischen Landschaften und Burgruinen tauchen immer häufiger prächtige Industriebauten oder Motive von Bahnhöfen oder Bahnstrecken auf Souvenirs auf.
Das diente auch damals schon repräsentativen „Stadtmarketing“-Zwecken. In Bielefeld waren es einzelne Vignetten wie die Raspi oder der Alte Markt, ergänzt um ausgewählte Szenen. Ein Bielefeld Souvenir besitzt Constanze Döhrer, die als neue Leiterin des Historischen Museums gerade den Umzug nach Bielefeld hinter sich hat, noch nicht. „Aber schon einen ganzen Fundus an unterschiedlichsten Souvenirs, die mit Erinnerungen und Erlebnissen verknüpft sind“, wie sie verrät. Dazu gehört eine Bechertasse, die sie nach einem USA Austausch mitbrachte und heute als Stiftebox nutzt. Dazu kommen zahlreiche Souvenirs, die sie an Ausstellungen erinnern. „Durch unseren Umzug ist mir auch ein blauer Plastikfotoappart in die Hände gefallen, mit dem man sich durch Tirol klicken kann. Ihn habe ich jetzt aber entsorgt“, sagt sie mit einem Schmunzeln. Aus historischer Sicht kommen Stadt-Souvenirs jedoch eine besondere Bedeutung zu. Was sie zeigen und was nicht, ist historisch interessant. „Schließlich sind Souvenirs immer auch eine Projektionsfläche und dienen der Selbstpräsentation“, erklärt Constanze Döhrer. Kein Wunder also, dass früher Eisenbahnanbindungen oder Industriebauten auf Souvenirs zu finden waren. Und natürlich gab und gibt es Souvenirs für unterschiedliche Zielgruppen. Ein stückweit spiegelt sich in den Souvenirs auch Lokalpatriotismus und der Stolz auf die eigene Stadt. „Das tut jeder Stadt gut und trägt dazu bei, sich für die eigene Stadt zu engagieren“, stellt sie fest. Das Besondere an Souvenirs ist jedoch, dass sie persönliche Erinnerungsträger sind. „Souvenirs sind wie ein Erinnerungsspeicher und triggern die damit verknüpften Gefühle“, unterstreicht Constanze Döhrer. Kein Wunder also, dass das Historische Museum den Bielefeld Souvenirs unter der Überschrift „Ansichtssache“ schon längst eine Ausstellung gewidmet hat. Und nicht immer sind es Stadtansichten, durch die Souvenirs an besuchte Städte erinnern. Eine Erfahrung, die Constanze Döhrer privat schon oft gemacht hat. „Die Kuscheltiere unserer Kinder erhalten immer einen Namen, der mit dem Ort, wo wir sie gekauft haben, in Verbindung steht.“ Und so hört das kuschelige Walross aus Hagenbecks Tierpark in Hamburg im Hause Döhrer auf den klangvollen Namen Hagen. ✔