Passend zum Internationalen Frauentag am 8. März stellen wir in dieser Ausgabe ausschließlich Bielefelderinnen vor. Interessante Frauen, die das Stadtleben bereichern.
Anke Unger (40)
Regionsgeschäftsführerin, DGB Region Ostwestfalen-Lippe
„Wir möchten ein Zeichen für diejenigen setzen, die in der Corona-Zeit alles dafür tun, dass es weitergeht, aber den ganzen Frust abbekommen“, sagt Anke Unger mit Blick auf die für das Frühjahr geplante Ausstellung „Vergiss nie, hier arbeitet ein Mensch“. Stellvertretend für die Berufssparten Busfahrer, Pflegende, Erziehende, Feuerwehrleute u.v.m. sind Porträtfotos mit Original-Zitaten zu sehen: „Ich lösche das Feuer und du spuckst mich an.“ Solidarität, soziale Gerechtigkeit und Geschlechtergleichheit sind Themen, die die Regionsgeschäftsführerin des DGB antreibt, seit CDU-Ministerpräsident Rüttgers Studiengebühren einführen wollte. „Ich war zu der Zeit hochschulpolitisch aktiv und wir wurden bei den Protesten von ver.di unterstützt. Das war mein erster Kontakt zu Gewerkschaften und ich habe gesehen, dass die sich für wirklich coole Sachen einsetzen. Urlaubsanspruch, von dem nun alle profi tieren, oder Mindestlohn, würden wir bei bestimmten Themen nicht einhaken, würde das in eine schräge Richtung laufen.“ Aktuell steht die Beratung der Mitglieder im Mittelpunkt. Es geht u. a. um Kurzarbeit und um die Sorge, ob es den Arbeitsplatz in ein paar Monaten überhaupt noch gibt.„Durch die Pandemie hat das Homeoffice einen Schub bekommen“, sagt Anke Unger, die seit 2007 beim DGB in unterschiedlichen Funktionen arbeitet. „Darin sehe ich eine Chance, dass Frauen aus der Teilzeit, die schnell zu einer Armutsfalle werden kann, herauskommen.“ 2021 soll verstärkt der Ausbildungsmarkt in den Fokus rücken. „Wir fürchten, dass die Ausbildungsbereitschaft der Unternehmen abnehmen könnte. Wir möchten jeden Betrieb auffordern, gerade in diesem Bereich nicht nachzulassen. Denn die duale Ausbildung ist wichtig und sorgt für zukünftige Fachkräfte.
Heike Lütgert (66)
Zonta-Präsidentin
„Meine Amtszeit als Zonta-Präsidentin begann mitten im ersten Lockdown“, erklärt Heike Lütgert, die im Mai letzten Jahres für die kommenden zwei Jahre gewählt wurde. „Gemeinsam mit anderen Frauen möchte ich dazu beitragen, dass die Vision von Zonta International ‚In dieser Welt lebt keine Frau mehr mit der Angst vor Gewalt‘ Realität wird.“ Eine Vision, die für Heike Lütgert mehr als 30 Jahre lang auch Berufung war. Als erste Kriminalhauptkommissarin im Polizeipräsidium Bielefeld setzte sie sich schwerpunktmäßig für den Schutz und ein Leben ohne Gewalt an Frauen und Mädchen ein. Es ist ein Thema, dass sie auch als Zontianerin bewegt. „Ich finde es hochspannend über Zonta ein globales Netzwerk zu finden, um mein Wissen einzubringen und die Arbeit fortzuführen“, betont sie. 30.000 Frauen aus 63 Ländern vereint das Zonta-Netzwerk. Die weltweit führende Service-Organisation berufstätiger Frauen unterstützt benachteiligte und fördert begabte junge Frauen und tritt für die Rechte der Frauen ein – international, national und lokal. „Jede Einzelne bringt sich mit ihrem spezifischen Blick und Know-how ein“, so Heike Lütgert, die mit den 36 Bielefelder Zontians örtliche Projekte wie „Orange your City“ unterstützt und auf Netzwerke setzt. Gerade in Corona-Zeiten ist das eine Herausforderung. „Die Treffen finden virtuell statt, da auch wir uns nicht mehr treffen können. Wichtige Punkte wollen wir aber natürlich nicht aus den Augen verlieren“, erklärt die 66-Jährige auch mit Blick auf das Thema „Häusliche Gewalt“.
www.zonta-bielefeld.de
Kerstin Schröder (53)
Diplom-Grafikdesignerin
Das Dutzend ist voll. Die zwölfte Ausgabe der Bielefelder Edition lädt ein zum Streifzug durch den Teutoburger Wald. „Das Thema stand schon lange auf meiner Liste, denn der Wald gehört einfach zu Bielefeld“, so die Herausgeberin „Die Aktualität durch die Corona-Pandemie war ein Zufall.“ Nach Editionen z. B. zu Murnau oder der Königsbrügge geht es jetzt also hinaus ins Grüne. Und selbst auf scheinbar vertrauten Pfaden gibt es Überraschendes zu entdecken. „Dass in der Nähe der Schwedenschanze Wacholder wächst, war für mich ebenso neu wie der Geschlitztblättrige Spitzahorn auf dem Johannisberg“, so Kerstin Schröder. „Ich glaube schon, dass man genauer hinschaut, wenn man das Buch gelesen hat.“ Genau hinzuschauen lohnt sich auch bei dem Büchlein selbst, denn wie alle Bielefelder Editionen wurde es mit viel Liebe zum Detail und einer ganz eigenen Handschrift gestaltet. Neben den kenntnisreichen Texten gefällt die 12. Edition mit ihrem durchscheinenden Papier, naturalistischen Illustrationen und ausdrucksstarken Fotografien. „Die Reihe ist ein echtes Liebhaberprojekt“, unterstreicht die Grafikdesignern, „bei dem sich das ganze Team einbringt. Es macht Spaß, so frei zu arbeiten.“
www.bielefelder-edition.de
Janice Jensen (26)
Künstlerin
Ihre Inspiration? Das Magazin „SPRING“, das 2004 von der
gleichnamigen Künstlerinnengruppe in Hamburg gegründet wurde. Spannende Künstlerinnen auf der Suche nach Publikationsmöglichkeiten gibt es schließlich auch in Bielefeld. Janice Jensen ist eine von ihnen. Gemeinsam mit insgesamt 31 Frauen hat sie gerade die zweite Ausgabe des Magazins „Naturtrüb“ an den Start gebracht. „Die Idee des Magazins ist es, aus Frauenperspektive zu berichten“, so die Bielefelderin. „Wir haben ein Netzwerk aus Frauen – von der Illustratorin bis zur Autorin – geknüpft, die sich gegenseitig unterstützen und das Heft gemeinsam erarbeiten.“ Handelte die erste Ausgabe 2019 „Vom Suchen und Finden“, lautet das Leitthema dieses Mal „Hunger.“ Das feministische Kollektiv betrachtet es aus ganz verschiedenen Blickwinkeln. Die mal persönlichen, wissenschaftlichen, visuellen, poetischen, faktenbasierten oder emotionalen Sichtweisen repräsentieren dabei auch die Diversität des Kollektivs. In Form von Essays, Comics, Zeichnungen oder eben auch wissenschaftlichen Analysen finden diesmal Themen wie Lebenshunger, Begierde und Sehnsucht, Protest oder feministische Fakten Platz in dem 43 Artikel starken Heft. „Nachdem wir uns positioniert und unser Ding gefunden haben“, lacht Janice Jensen, „haben wir jetzt Hunger darauf, aktiv zu sein, in die Welt rauszugehen.
www.naturtrueb-magazin.de
Tipp: Lesung am 19.2., 19 Uhr, Veranstaltungssaal SO2
Anke Wiegräbe (59)
Vorstand Frauenkulturzentrum e.V.
Maylow, ihr Westie, ist immer dabei. Auf Fotos, aber auch auf Demos. „Mir ist es wichtig, für Frauenrechte zu kämpfen“, stellt Anke Wiegräbe klar. Eine Aufgabe, die sie auch im Frauenkulturzentrum – das erste kulturelle Zentrum für Frauen und Lesben in Ostwestfalen – beruflich umtreibt. Seit der Gründung im Jahr 1984 hat es sich als Treffpunkt für Frauen mit unterschiedlichsten
Hintergründen etabliert. „Wir sind für alle Frauen offen und es ist schön zu sehen, was sich entwickelt hat“, so die Bielefelderin. Kommunikation, Austausch sowie Offenheit für alle Frauen jeglichen Alters und sexueller Orientierung sowie Herkunft sind die Säulen, auf denen das Fraze ruht. „Jede kann sich hier einbringen und verwirklichen, daraus erwächst Gemeinschaft“, sagt die 59-Jährige, die ihr Herzblut in die Arbeit steckt und sich schwerpunktmäßig um Migrantinnen und Flüchtlingsfrauen kümmert. Ob Gleichberechtigung, Gewalterfahrung, Outingberatung, frauenpolitische Diskurse oder Kursangebote – das Fraze ist eine erste Anlaufstelle für Frauen. „Wir trainieren die
sozialen Muskeln, haben ein Nähatelier, organisieren Walkingkurse, unterstützen beim Radfahren lernen und sind auch bei Behördengängen und Arztbesuchen behilflich“, skizziert Anke Wiegräbe das breite Spektrum. „Nicht aufgeben“, lautet für sie die persönliche wie berufliche Maxime. Mit dieser Lebensphilosophie hat die Bielefelderin, die ganz Asien bereist hat, vor Jahren auch ihr Leben als Aussteigerin gemeistert.