In einer quirligen Metropole trifft man auf spannende Menschen, die das Stadtleben durch ihr engagiertes Tun bereichern. Wir stellen einige von ihnen vor:

Robin Davis
Künftiger Generalmusikdirektor der Bühnen und Orchester Bielefeld

„Das Orchester ist toll und hat eine wunderbare Klangkultur. Besonders reizvoll ist für mich das breite Programm der Philharmoniker, das nicht nur aus Klassikkonzerten, sondern vielen anderen Genres wie Jazzformaten besteht“, sagt Robin Davis, der ab der Spielzeit 2025/26 – in der Nachfolge von Alexander Kalajdzic – den Posten des Generalmusikdirektors der Bühnen und Orchester Bielefeld übernimmt.

Noch ist der aus Exeter stammende Brite, der zunächst ein Mathematikstudium in Cambridge abschloss, dann Klavierbegleitung bei Michael Dussek und später Dirigieren bei Ekhart Wycik studierte, Generalmusikdirektor am Theater Pforzheim.

Zu seinen bisherigen Stationen gehören das Theater Dortmund, das Oldenburgische Staatstheater, das Theater Lüneburg sowie das Salzburger Landestheater, wo er erster Kapellmeister war. Mit Blick auf seine zukünftige Aufgabe in Bielefeld betont er: „Ich freue mich darauf, mit dem Publikum in Kontakt zu kommen und meine Leidenschaft für die Musik weiterzugeben. Auch die Nachwuchsarbeit liegt mir am Herzen. Ich habe schon viele Ideen im Kopf und freue mich sehr auf die Zusammenarbeit mit dem Orchester und allen Abteilungen des Theaters.“ Einer seiner Schwerpunkte liegt im Bereich Education, zudem konnte er schon mehrere deutsche Erstaufführungen bedeutender Komponistinnen für die Sinfoniekonzertreihe gewinnen.

Jelena Quaet-Faslem (43)
Schauspielerin

Die Liebe hat ihr eine zweite Heimat beschert. „Bielefeld war unsere letzte Station“, erinnert sich Jelena Quaet-Faslem an 2019 zurück. Vor fünf Jahren gastierte sie mit einer Produktion ihrer Theatergruppe in Bielefeld. Dann verliebte sich die serbische Schauspielerin in den Bielefelder Musiker, der den Kontrabass spielte.

Und blieb. „Inzwischen ist die Theater-Community in Bielefeld für mich ein positives wie treibendes Element“, sagt Jelena Quaet-Faslem, die im Kulturhaus Ostblock einen Ort zum Arbeiten gefunden hat und jetzt den Bielefelder*innen ihr Solostück „Zuhause“ vorstellt. Sich mit Emigration und Immigration und den damit verbundenen Fragen zu beschäftigen, liegt nahe. „Ich bearbeite damit auch meine neue Lebenssituation“, stellt sie mit einem sympathischen Lachen fest. Und so thematisiert die Schauspielerin und Autorin die Gefühle von Menschen, die freiwillig oder unfreiwillig ihr Herkunftsland verlassen haben.

Sie blickt darauf, welche Möglichkeiten der Integration es gibt und stellt in ihrer Soloproduktion die Frage, auf welche Weise Menschen ihre eigene Identität behalten und sich gleichzeitig in eine andere Gesellschaft integrieren können. In einer Zeit intensiver Migration in Europa und der Welt, verursacht durch Kriege, aber auch durch ökonomische, ökologische und soziale Faktoren, möchte Jelena Quaet-Faslem zu mehr Toleranz und Diversität in der Gesellschaft beitragen. Und ist sich sicher: „In Bielefeld gibt es Raum für verschiedene Kulturen.“ – Premiere 20.12., 20 Uhr, TOR 6 Theaterhaus

Indira Heidemann & Karl Godejohann
Schauspielerin & Musiker

„Mit ‚The Blame Game‘ möchte ich das Wesen der Schuldlogik offenlegen und im besten Fall erreichen, dass die Wahrnehmung für diese ‚Auseinandersetzungs-Abkürzung‘ geschärft wird“, sagt Indira Heidemann über ihr neues Projekt. Gemeinsam mit Karl Godejohann und in Kooperation mit dem Theaterlabor erarbeitet die Schauspielerin eine multimediale Performance-Collage, die einen Bogen von philosophischen Grundlagen über psychologische Analyseansätze bis hin zu politischen Fragestellungen zieht.

Nach „Blumen pflücken mit Indira“ und „Liederliebe“ ist das bereits ihr drittes gemeinsames Projekt. Kennen und schätzen gelernt haben sich die beiden über das Theaterlabor. Denn Karl Godejohann ist nicht nur Jazzmusiker, sondern auch Schauspielmusikkomponist und Theatermusiker. „Die Idee stammt zwar von Indira, aber mit dem Thema konnte ich auch gleich etwas anfangen“, so der Musiker. „Es geht um den Mechanismus, als Reaktion auf ein Problem, schnell jemandem die Schuld zuzuweisen und sich so aus der Verantwortung zu ziehen. Diese Haltung, die die eigentliche Auseinandersetzung verhindert, und stattdessen zu einer aufgeladenen Stimmung führt, ist etwas, was uns beide umtreibt.“

Indira Heidemann ergänzt: „Je länger ich mich mit den Mechanismen von Schuldzuweisung und Schuldgefühl beschäftige, desto mehr fällt mir auf, wie durchsetzt wir als Individuen und als Gesellschaft mit diesem ‚Ordnungsprinzip‘ sind: Schuld räumt auf! Die Qualität von Debatten und Diskursen wird immer eskalatorischer, das ‚Prinzip Schuld‘ hat Hochkonjunktur. Wenn möglich, halten wir uns in ‚safe spaces‘ auf – und das ist verständlich, weil niemand gern ungeschützt ist. ‚Draußen‘ gilt immer öfter: Irgendjemand muss schuld sein, und dann ist das Problem – vermeintlich – gelöst. Die Brisanz und das Tempo gesellschaftlicher Konflikte fordern immer häufiger, härter und unerbittlicher diesen ‚Notfallmechanismus‘ heraus und wir alle werden immer durchtrainierter in dieser Disziplin. Und ehrlich gesagt, es fühlt sich ja auch erst mal erleichternd an, wenn jemand schuld ist, oder? Das Problem ist, dass das Verstehen im Dunkeln bleibt. Vielleicht auch aus Angst davor, die Realität anzuschauen und auszuhalten, dass wir in Widersprüchen leben, in einem Sowohl-Als-Auch, das oft unausgereift, unlogisch und auch enttäuschend ist.“

„Wir wagen eine theatrale Aufarbeitung einiger dieser Aspekte und versuchen Bilder dafür zu finden und einen anderen Blick zu ermöglichen. Da komme ich ins Spiel“, so Karl Godejohann, der für Komposition, Sounddesign und Livemusik zuständig ist. „Wir haben eine interessante audiotechnische Umsetzung gefunden. Der Surround-Sound wird mit zusätzlichen Lautsprechern über den Köpfen des Publikums ergänzt. Wenn etwas von oben kommt, kann es innere Zustände noch mehr verdeutlichen. Das passt zu dem Thema.“ Indira Heidemann resümiert: „Es wird eine Stunde lang in Bild, Text und Ton um die perfiden Winkelzüge des ‚Blame-Games‘ gehen: Tiefsinnig, hochmütig, temporeich, überraschend und mit ausreichend Fallhöhe versehen.“

30.11. & 1.12., 20 Uhr, Theaterlabor im TOR6 Theaterhaus

Farkhunda Karimi (36)
HSBI-Masterstudierende

Hoffnung. Es ist ein Wort, das Farkhunda Karimi häufig benutzt, wenn sie von ihrer Lebenssituation erzählt. Schließlich ist es diese Hoffnung, die sie antreibt, seit sie vor den Taliban geflohen ist.

„Ich hatte einen guten Job bei der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit“, berichtet die 36-Jährige. „Ich war im zweiten Semester meines Masterstudiums über Internationale Beziehungen. Vor der Einnahme Kabuls durch die Taliban habe ich ein ganz normales Leben geführt. Dann ist alles kollabiert.“

Drei Jahre nach ihrer Flucht haben sich einige von Karimis Hoffnungen erfüllt. Sie hat Deutsch gelernt, konnte ihr Studium an der Hochschule Bielefeld (HSBI) fortsetzen und sie arbeitet wissenschaftlich an einem Thema, das ihr am Herzen liegt: die Bildungsförderung von Mädchen und Frauen in Afghanistan. „Amoozesh“ heißt ihr im Mai gestartetes Projekt – das bedeutet auf Dari „Bildung“ oder „Unterricht“. „Die Diskriminierung von Frauen in Afghanistan hat unter den Taliban dramatisch zugenommen“, sagt Farkhunda Karimi. „Mittlerweile sind sie vom öffentlichen Leben weitestgehend ausgeschlossen.“ Mädchen müssen nach der 6. Klasse die Schule verlassen, Frauen wurden von den Universitäten verbannt. Als eine besonders effektive Methode, ihre Bildung trotz der Unterdrückung zu stärken, haben sich Online-Kurse erwiesen, die an geheimen Orten stattfinden. „Bei meinen Recherchen habe ich den Eindruck gewonnen, dass die Mädchen in Afghanistan engagiert sind und bereit, bei der Umsetzung solcher Ideen mitzuhelfen“, so Karimi. „Sie sind sehr stark und mutig, trotz der schlimmen Situation.“

Alexandra Sonntag (55)
Künstlerin

Die renommierten „CityARTists“-Kunstpreise – ausgeschrieben vom NRW KULTURsekretariat (NRWKS) – werden in diesem Jahr bereits zum fünften Mal verliehen. Bereits zwei Mal erhielten Bielefelderinnen diese Auszeichnung: 2021 Prof.‘in Katharina Bosse und 2023 Lars Rosenbohm. In Bielefeld wurde jetzt Alexandra Sonntag für den Preis nominiert.

„Der Anruf erreichte mich, als ich mit dem Koff er in der Hand auf dem Bahnhof in der Nähe von Mainz stand. Ich war auf dem Weg zu einem Kunstaufenthalt“, freut sich Alexandra Sonntag über die Nominierung. Die Bielefelder Künstlerin steht für ein eigenständiges malerisches Werk, in dem Malerei selbst zum Thema wird. In ihrem Werkkomplex, mit dem sie sich für die Auszeichnung beworben hat, wird der Landschaftsraum zum Ausgangspunkt freier malerischer Gestaltung.

Der klassische Topos der Malerei, der Blick aus dem Fenster, wird durch eine auf Unmittelbarkeit basierende Wahrnehmung überformt, die aus Emotion, Intuition und Einflüssen wie Musik – einen von Klängen gelenkten Pinsel – gespeist wird. Alexandra Sonntag, die Malerei an der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig studierte, spricht vom „Flow“ des Malprozesses. Das Ergebnis ist ein sinnlich erlebtes „Nachbild“ von eigenem Rhythmus an der Grenze zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion. Die engagierte Künstlerin ist Mitbegründerin des Künstlerinnen-Vereins BLOCK1 zur Schaff ung bezahlbarer Atelierräume für Bielefelder Künstlerinnen sowie der galerie 61 (2000–2016 in Bielefeld).

Das NRWKS gibt am 18.10. die ausgewählten Preisträgerinnen im Rahmen einer feierlichen Verleihung in der Ludwiggalerie Schloss Oberhausen bekannt. – www.alexandrasonntag.de

weitere Infos: www.nrw-kultur.de/programme/cityartists.