In einer quirligen Metropole trifft man immer auch auf spannende Menschen, die das Stadtleben bereichern. Wir stellen sie vor.

Marcus Beuter (52)

Klangkünstler

„selbstverständlich – mit leerstellen“. Der Name seiner Klanginstallation bringt es auf den Punkt: Einerseits ist jüdisches Leben in Deutschland seit 1.700 Jahren selbstverständlich. Andererseits hat der Holocaust unfassbare Leerstellen hinterlassen. „Und über die Individuen hinaus haben wir in unserer Gesellschaft und Kultur noch weitaus mehr verloren“, unterstreicht Marcus Beuter. „Es fehlt ganz viel, was bis 1933 selbstverständlich war.“ Heute bedingt der aktuelle Antisemitismus ebenfalls eine Leerstelle: Jüdisches Leben in Deutschland findet kaum in der Öffentlichkeit statt.

Die Idee zu seiner Klanginstallation entstand, als der Komponist von dem Festjahr „#2021JLID – Jüdisches Leben in Deutschland“ erfuhr. Das will mit bundesweit rund 1.000 Veranstaltungen jüdisches Leben sichtbar und erlebbar machen. Er ist auf die Jüdische Kultusgemeinde Bielefeld zugegangen und hat sein Projekt vorgestellt. Die holte die Jüdische Gemeinde im Kreis Unna mit ins Boot, und die LWL-Kulturstiftung fördert das Projekt mit 4.000 Euro. Die Installation wird in den Synagogen Bielefeld und Unna sowie im öffentlichen Raum erlebbar sein.

„Die Kooperation mit der Jüdischen Kultusgemeinde ist klasse, sehr offen“, freut sich Marcus Beuter. „Ich habe Interviews mit Mitgliedern der Gemeinde geführt: Was verstehen sie unter jüdischem Alltag, wie leben sie ihn? Außerdem konnte ich einen Gottesdienst aufnehmen und der Kantor hat mir Lieder eingespielt und mit dem Schofar (Widderhorn) aufgenommen. Aus diesem Material komponiere ich die Klanginstallation.“ Für die Synagoge arbeitet er im Vierkanal, die Besucher*innen sitzen in der Mitte und werden von Klängen umgeben. „Für den öffentlichen Raum – in Planung ist der Jahnplatz, denn dort war einmal das erste jüdische Textilkaufhaus in Bielefeld – komponiere ich in Stereo und mit noch mehr Leerstellen.“

Spannend und herausfordernd ist für den Komponisten, dass er mit einem Material arbeitet, dass er vorher nicht einschätzen kann. „Bei den Interviews, wusste ich ja nicht, welche Antworten ich bekomme. Ich muss mir das Material, immer wieder anhören, um ein Gefühl dafür zu entwickeln. Was rührt an, welche zentrale Aussage ist wichtig? Vieles probiere ich aus, schiebe es hin und her, und weil es in der Synagoge Vierkanal sein soll, muss ich auch räumlich denken. Das Material erzählt seine Geschichte beim Komponieren, es leitet einen.“ Die Leerstellen baut Marcus Beuter als Störgeräusch ein, als Bruch in der Klanginstallation. „Man kann sich in die Musik hereinbegeben, aber wird auch immer wieder aufgeweckt.“


www.juedische-gemeinde-bielefeld.de
www.lwl-kulturstiftung.de/de/2021jlid/
www.2021jlid.de

Tipp: Die Eröffnung der Klanginstallation in der Synagoge Beit Tikwa Bielefeld findet am 9. Mai um 17:00 Uhr im Rahmen eines Gedenkens zum Ende des 2. Weltkriegs statt. Bis zum 22.5. kann die Installation dann immer Mo.-Do., von 9-15 Uhr besucht werden. Ab dem 17.6. erklingt sie außerdem im öffentlichen Raum.

SUSANNE CRAYEN (66)

Vize-Präsidentin der Architektenkammer NRW

Baustellen haben sie schon immer angezogen. „Ich liebe den Entstehungsprozess“, sagt Susanne Crayen, die jetzt in ihrem Amt als Vize-Präsidentin der Architektenkammer NRW bestätigt wurde. In den kommenden fünf Jahre macht sie sich für die Belange der ArchitektInnen, Innen- und LandschaftsarchitektInnen sowie StadtplanerInnen der größten deutschen Architektenkammer stark und setzt sich für die Baukultur in NRW ein. „Glücklicherweise hatte ich schon eineinhalb Jahre die Chance mich einzuarbeiten“, stellt sie fest. Sich ehrenamtlich einzubringen, etwas für den Berufsstand und die Gesellschaft zu bewegen, motiviert sie. „Das finde ich sehr reizvoll, denn da kann ich meine Erfahrung einbringen.“ Die gebürtige Hanseatin, die es nach ihrem Architekturstudium an der TU Braunschweig der Liebe wegen nach Bielefeld verschlug, ist mit ihrer Wahlheimat eng verbunden. Auch vor Ort bringt sie sich an den unterschiedlichsten Stellen ehrenamtlich ein. „Mich interessiert Kunst und daher habe ich mich beispielsweise beim Kunstforum Hermann Stenner oder bei dem Thema Kunst im öffentlichen Raum engagiert“, erzählt Susanne Crayen, die sich zudem für ein lebenswertes urbanes Umfeld einsetzt. Die Stadt tagsüber aber auch abends lebendig zu halten, sollte aus ihrer Sicht ein Ziel der Stadtentwicklung sein: „Den Wert einer lebendigen Innenstadt hat uns Corona vor Augen geführt. Wir brauchen eine gute Durchmischung von Gewerbe und Wohnraum. Das heißt, wir müssen Baulücken nutzen, nachverdichten und aufstocken, aber auch Luftschneisen fürs Klima erhalten.“ Dass sie in Bielefeld anfangs sehr unglücklich war, ist längst der Liebe zur Stadt gewichen, in der sie sich ihr Architekturbüro aufgebaut hat.

Chris Hartung (20)

Filmemacher & Content Creator

Im Alter von 10 Jahren hat Chris Hartung seinen ersten Kurzfilm gedreht. Seither ist die Kamera seine ständige Begleiterin. Nach seinem Schulabschluss ging es im September 2019 nach Australien. Keine gewöhnliche Backpacker-Reise, denn Chris wollte seinen ersten selbstfinanzierten Dokumentarfilm „Facing Down Under“ drehen. Nun ist das Material im Kasten und fertig geschnitten. Der gebürtige Bielefelder nimmt die Zuschauer mit auf seine Reise. In 84 Minuten zeigt er positive und auch negative Momente des Work and Travel. „Am eindrücklichsten waren neben der Natur die vielen Begegnungen mit den Menschen. Ich war in den sieben Monaten nie wirklich allein.“ Und auch die negativen Erfahrungen, wie der grundlose Rausschmiss bei einem Winzer, für den er im Bundesstaat Victoria, in Mildura, gearbeitet hat, verbucht er als „wertvolle Erfahrung, die mich auf lange Sicht weiterbringt“.

Um die Atmosphäre des riesigen Kontinents mit seiner einzigartigen Natur einzufangen, hat Chris Hartung viel mit Drohnenaufnahmen gearbeitet, wie z. B. in der flachen Karstwüste, der Nullarbor. Mit 200.000 Quadratkilometern das größte Stück Kalkstein der Welt. Sie misst über 1.200 km in Ost-West-Richtung und bietet aufgrund ihrer Lage direkt an der Großen Australischen Bucht immer wieder spektakuläre Ausblicke auf den tosenden Ozean. Unter anderem für diese Bilder gab’s sogar schon einen Preis in der Kategorie „Beste Kamera“ bei einem Reisefilm-Festival in Moskau. Aus der Leidenschaft für den Film wurde nun auch seinen Beruf. Chris Hartung produziert außergewöhnliche Filme für Unternehmen deutschlandweit.

Mitte April wird der Film veröffentlicht und ist auf dem Portal Vimeo zu sehen:

https://vimeo.com/ondemand/facingdownunder.

www.chrishartung.com

Christina-Carolin Rempe (53)

Vorständin der Bielefelder Rotkreuzstiftung

Ihre drei Kinder haben Bielefelder DRK-Kitas besucht. Eng verbunden ist sie mit dem Deutschen Roten Kreuz Bielefeld immer noch. Die Arbeit für den Wohlfahrtsverband prägt seit zehn Jahren ihren beruflichen Alltag. Jetzt wurde sie gemeinsam mit Erik Brücher zum neuen Vorstand der Bielefelder Rotkreuzstiftung gewählt. „Das ehrenamtliche Engagement für die Stiftung ermöglicht eine andere Perspektive“, erklärt Christina-Carolin Rempe, die die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim DRK Bielefeld verantwortet. „Stiftungsarbeit ist ein wichtiger Teil unserer Gesellschaft. Man tut einfach etwas Gutes“, erklärt die Marketingbetriebswirtin, die die erfolgreiche Arbeit fortsetzen und die Stiftung noch bekannter machen, die Kommunikation mit den Stiftenden intensivieren und das Netzwerk ausbauen möchte. Ganz besonders freut sie sich, über Projektförderungen mitentscheiden zu können. „Es ist einfach ein erfüllendes Gefühl, Projekte zu entwickeln, an den Start zu bringen, anzuschieben und weiterzuführen“, so die 53-Jährige, die vor 23 Jahren mit ihrer Familie von Münster nach Bielefeld zog, das Grün und die Kultur vor Ort schätzt und sich für die Vielfalt der Projekte, die unter dem Dach der Stiftung angesiedelt sind, begeistert. Auch für „ichó“. Der digitale, interaktive Therapieball holt Demenzkranke aus ihrer Lethargie. „Da geht mir das Herz auf.“ Sie selbst möchte andere mit ihrer Begeisterung für die Stiftung begeistern.
www.bielefelder-rotkreuzstiftung.de