FLEXIBEL & FREI
Camping findet immer mehr Fans, denn Camping hat schon etwas. Kein Wunder, kaum eine andere Art des Reisens lässt sich spontaner, flexibler und individueller gestalten. Dem einen reicht die grüne Wiese und der andere bevorzugt das Glamping, das keineswegs nur ein Modewort ist, sondern es steckt eine echte Urlaubsphilosophie dahinter: „Glamourous“ und „Camping“ = glamouröses Campen mit allen Annehmlichkeiten eines guten Hotels in den eigenen mobilen vier Wänden.
Denn Camping bedeutet nicht unbedingt, ohne Luxus in der Natur auf sich alleine gestellt zu sein und sich im nahegelegenen Bachlauf zu waschen, sondern auch die Kombination aus Ferienresort und Camping zu genießen. Und wer denkt, Camping geht nur im Sommer, der war noch nicht mit Caravan oder Wohnmobil im Schnee. Eigentlich geht fast alles.
Und das überzeugt immer mehr Menschen. Wie ein Blick auf die Zahlen belegt, ist 2019 als das beste Jahr der deutschen Campingindustrie in die Annalen eingegangen – sowohl bei den Neuzulassungen von Freizeitfahrzeugen in Deutschland als auch beim Branchenumsatz. Das ist das sechste Jahr in Folge, in dem die Branche ein Rekordergebnis einfuhr und mit Blick auf das Corona-Jahr 2020 sicherlich wieder getoppt werden dürfte. War gerade in 2020 eine verlässliche Reiseplanung mit Blick auf drohende Beherbergungsverbote im Inland und Grenzschließungen zum benachbarten Ausland kaum möglich, kurbelte dies den ohnehin auf dem Vormarsch befindlichen Camping-Trend noch einmal deutlich an.
Besitzer eines Wohnwagens, wie Alf Meyer zur Heyde, genießen mit ihrer Familie die mobile Freiheit und die Flexibilität, die diese Art des Reisens bietet. „In den Herbstferien wollten wir eigentlich zur Zugspitze fahren. Aber in Anbetracht der steigenden Infektionszahlen konnten wir die Buchung kostenlos stornieren. Hätten wir eine Pauschalreise gebucht, wären die Storno-Kosten sicherlich erheblich höher gewesen.“ Aber auch ohne die Einschränkungen durch die Maßnahmen zur Eindämmung von Covid-19 hat das Reisen mit dem eigenen Zuhause im Gepäck eine Menge Vorteile. Das lästige Packen vor dem Urlaub fällt deutlich leichter. „Die Basics sind ja schon im Wohnwagen und der Rest packt sich fast von allein“, lacht der Vater von zwei Kindern, der besonders die Flexibilität schätzt. Durch den Camping-Boom der letzten Jahre empfiehlt es sich, frühzeitig einen Stellplatz für die Sommer- und Weihnachtsferien zu reservieren, wenn man sich einen besonderen Camping-Platz ausgesucht hat. In der Vor- und Nachsaison, zu der meist auch Oster- und Herbstferien zählen, hat man aber meist noch sehr viel Auswahl.
Anders reisen
Soll es nach Skandinavien gehen oder schreit das Herz nach Bella Italia? „Vor zwei Jahren hatten wir für die Osterferien Südfrankreich geplant, aber das Wetter sah am Mittelmeer nicht besonders vielversprechend aus. So haben wir uns an die Wettervorhersage gehalten und sind schließlich bei traumhaft schönem Wetter durch Deutschland gereist. Für unseren älteren Sohn war es zum Schulwechsel auf das Gymnasium zusätzlich eine tolle Erfahrung, da er in dem Gebiet rund um den Rhein die Möglichkeit hatte, viel über die römische Geschichte für das neue Fach Latein zu lernen“, erzählt Alf Meyer zur Heyde. Das Campen entdeckte er vor drei Jahren gemeinsam mit seiner Frau für sich. „In einer Zeitschrift stand ein Artikel über das Buch „Landvergnügen“, das ich mir sofort besorgt habe. Hierin sind kostenlose Stellplätze auf Bauernhöfen, Weingütern, Schlössern, Burgen oder auch Imkereien für eine Nacht und zum größten Teil mit Grundversorgung aufgeführt. Die Idee dazu entstand vor etwa 25 Jahren in Frankreich und heißt dort „France Passion“. Wir haben das damals mit unserem Bulli ausprobiert“, berichtet der 45-Jährige mit einem Lächeln auf den Lippen. „Ausgestattet mit einer Rollmatratze, Einmalgrill, Gaskocher für den morgendlichen Kaffee sowie einem Boule-Spiel. Meine Frau und ich waren so begeistert, dass wir diesen etwas anderen Camping-Führer, jetzt mit Caravan, oft gerade auch für Zwischenziele nutzen. Unsere Kinder freuen sich, auf den Höfen mit anpacken und immer wieder interessante Tiere aus nächster Nähe bestaunen zu dürfen, wie zum Beispiel bei unserem Besuch auf einer Straußenfarm. Das Schöne ist, dass die meisten Anbieter nur wenige Gästeplätze anbieten und wir zwischen dem Geschnatter der Gänse und dem Wiehern der Pferde mitten in der Natur stehen und für eine Nacht Teil des Hoflebens werden.“
Individuell unterwegs
Camping ist ein weites Feld. Vom Urlaub mit Pkw und Zelt über das Dachzelt, dem guten alten Bulli, Wohnwagen und Wohnmobil bis hin zum Luxusliner für ein paar Millionen Euro, in dessen „Bauch“ ei Porsche Platz findet, gibt es für jeden Geschmack und (fast) für jeden Geldbeutel eine Möglichkeit, seinen Urlaub individuell zu gestalten. Doch bleiben wir einmal bei den Wohnwagen, die schon lange ihr etwas spießig-angestaubtes Image abgelegt haben. Caravans bieten mittlerweile jeden Komfort, mit dem auch Reisemobile aufwarten –samt Küche, Dusche und WC. Die mobilen Begleiter bieten gegenüber Wohnmobilen den unschlagbaren Vorteil, das zweite Zuhause einfach abkoppeln und auf dem Campingplatz stehenlassen zu können. So lassen sich Ausflüge oder Einkäufe einfach mit dem Auto erledigen. Kein Parkplatzproblem, keine Höhenprobleme. Für längere Aufenthalte an einem Ort ist es ebenfalls sehr angenehm, denn lose Gegenstände wie z. B. die Obstschale oder Spielsachen der Kinder müssen nicht extra verstaut werden. „Bei einem Wohnmobil sieht das anders aus, denn für jede Fahrt muss erst das Vorzelt bzw. die Markise eingerollt und Tisch und Stühle eingeräumt werden“, macht Alf Meyer zur Heyde die praktischen Vorzüge deutlich.
Einsteigermodelle gibt es bereits um die 12.000 Euro, gebraucht wird’s noch günstiger. Der Pkw kann als Zugwagen genutzt werden. Wichtig sind hierbei ein hohes Drehmoment und die Beachtung der zulässigen Anhängelast. Für die meisten Fahrzeuge gibt es Anhängerkupplungen zum Nachrüsten. Die Wartungskosten sind anders als beim Wohnmobil überschaubar. So müssen regelmäßig die Bremsen nachgeguckt und ab und an mal eine Schraube nachgezogen werden. Alle zwei Jahre muss der Caravan zum TÜV. Die Kfz-Steuer hält sich mit 7,46 Euro je 200 kg zulässigem Gesamtgewicht im Rahmen.
Destination spontan
Mittlerweile ist Alf Meyer zur Heyde gemeinsam mit seiner Familie schon viel mit dem Wohnwagen herumgekommen. „Auch Verwandte, Freunde und Bekannte besuchen wir mit unserem Caravan. Die Kosten für das Hotel können wir uns sparen und zur Freude meiner Frau ausschlafen.“
Und welches Land ist am camperfreundlichsten? „Ganz Europa ist super auf Camper eingestellt. Wir suchen uns die Plätze über eine App. Hier sind 23.068 kategorisierte Campingplätze verzeichnet. Daneben auch Stellplätze, die meist das Nötigste bereitstellen, wie zum Beispiel Wasser und Strom. Zum Teil sind sie auch mit Duschen und WC ausgestattet, sollten aber eher als Parkplatz für eine Nacht gesehen werden. Fast jede größere Stadt stellt solche Stellplätze, wie wir sie am Johannisberg haben, zur Verfügung.“ Wer eine Städtetour machen möchte, hat somit einen guten Ausgangspunkt für Erkundungstouren.
So unterschiedlich die Wohnwagen und Wohnmobile, so verschiedenartig sind auch die Leistungen, die die einzelnen Campingplätze zu bieten haben. Manche punkten durch ihre Lage in schöner Natur oder direkt am Meer und andere verfügen darüber hinaus über ein Angebot, wie man es von Fünf-Sterne-Hotels kennt – inklusive Schwimmbad, Sauna, Wellness, Animationsangebot für Kinder, Fahrräder, mehrere Restaurants und vieles mehr. Die besseren Plätze, die schon in den Bereich Glamping fallen, bieten zudem eine Abwasserentsorgung direkt am Stellplatz und einen Gasanschluss an. Das ist besonders bei kühleren Temperaturen überaus komfortabel. Im Winter muss man sonst etwa alle drei bis vier Tage die Flasche wechseln, da nicht nur der Herd und der Backofen, sondern auch die Heizung mit Gas betrieben wird. Zu den Basics eines Stellplatzes gehören Strom, Wasser, Entsorgungspunkt für Abwasser und Chemietoilette, Duschen, Toiletten und eine Rezeption. Von den rund 23.000 Campingplätzen in Europa klassifiziert der ADAC etwa 1.000 als Glamping-Tipp und 125 Plätze schaffen es als „ADAC Superplätze“ ins Oberhaus. Beim 5-Sterne-Camping vom Nordkap bis nach Sizilien darf man allerlei erwarten. Was im Sommer Luxus und ein Nice-tohave in Sachen Infrastruktur ist, ist beim Wintercamping schon recht wichtig, wenn man nicht gerade ein ganz hartgesottener Camper ist. „Viele Wohnwagen-Hersteller werben mit einer Wintertauglichkeit ihrer Fahrzeuge in puncto Isolierung und Ausstattung“, erzählt Alf Meyer zur Heyde. „Eigentlich kann man aber mit jedem Mobil auch zur kühleren Jahreszeit gut unterwegs sein.“ Gut ausgestattete Plätze in den Skigebieten stellen große Trockenräume zur Verfügung, damit die Sportkleidung am nächsten Tag wieder einsatzbereit ist. Räume mit speziellen Halterungen gibt es ebenfalls für Skier, Snowboards und Ski-Schuhe. Manche sind sogar beheizt „Es ist herrlich in muckelig warme Schuhe zu schlüpfen bevor es auf die Piste geht.“ Wie man sieht – auch beim Camping im Winter muss man weder frieren noch auf ein bisschen Luxus verzichten.