Jürgen Albrecht und Heinrich Dingerdissen
Sie liefern Sauerstoff und Holz, sie bieten Lebensraum für Tiere, spenden Schatten und schützen vor Regen. Bäume leisten Erstaunliches. Mit einem gemeinsamen Projekt engagieren sich der NABU-Stadtverband Bielefeld e.V. und die Kreisjägerschaft Hubertus Bielefeld e.V. für die Herren der Ringe: Baumfreunde können Patenschaften zur Erhaltung wertvoller Altbäume in Bielefelder Privatwäldern übernehmen.
Gemeinsam mit Bielefelder Jägern, Waldbauern und Naturschützern wollen wir alte Bäume über ihr Wirtschaftsalter hinaus als Biotopbäume in Bielefelder Wäldern erhalten. Und zwar bis zu ihrem natürlichen Ende“, erklärt Dr. Jürgen Albrecht, Vorsitzender des Naturschutzbundes Bielefeld. Zusammen mit Heinrich Dingerdissen von der Kreisjägerschaft Bielefeld möchte der 66-Jährige, der sich schon seit Jahrzehnten für den Naturschutz engagiert, möglichst viele Bielefelder Waldbesitzer für das Projekt gewinnen. „In Bielefeld gibt es etwas mehr als 320 Waldbauern, 16 Patenbäume sind bislang vergeben“, so Jürgen Albrecht. „Das Projekt kann aber noch deutlich mehr Dynamik vertragen.“ Antrieb ist für den Bielefelder, die Vitalität des Waldes zu erhalten. Dafür braucht es auch Bäume, die nicht vermarktet werden. Über eine Baumpatenschaft wird den Waldbesitzern der Holzwert des im Vorfeld sorgfältig ausgewählten Baumes ersetzt. Die Baumpaten – dies können einzelne, aber auch mehrere Privatpersonen oder Unternehmen sein – erhalten eine Patenschaftsurkunde mit der Zusage, dass „ihr Baum“ bis zu seinem natürlichen Tod und Zerfall am Standort verbleibt und nicht forstwirtschaftlich genutzt wird. „Mit einem halben Dutzend Waldbesitzern sind wir inzwischen im Gespräch“, so Jürgen Albrecht mit Blick auf das Projekt, für das im letzten Jahr der Startschuss fiel. Mit fünf Waldbesitzern konnten bereits Verträge abgeschlossen werden, weitere haben Interesse signalisiert. „Wir hoffen, dass wir demnächst auf zehn aufstocken können“, erklärt der 66-Jährige, der weiter auf der Suche nach interessierten Waldeigentümern ist, die sich als Baumpartner einbringen wollen.
Altbäume sind ökologisch sehr wertvoll und enorm wichtig für die Artenvielfalt im Wald“, beschreibt Jürgen Albrecht seine Motivation sich für den Erhalt alter Bäume wie eine etwa 250 Jahre alte Bielefelder Barockbuche einzusetzen. Der großkronige Methusalem steht in Stieghorst-Dingerdissen. „Es gibt noch weitere Buchen und Eichen, die mehrere hundert Jahre alt sind und unersetzliche Lebensräume bieten“, betont Jürgen Albrecht. Alte Bäume sowie stehendes und liegendes Totholz sind Lebensräume für Pilze, Flechten, Moose und zahllose Insektenarten. Von diesem Nahrungsangebot profitieren wiederum Vogelarten wie Spechte, Meisen, Baumläufer oder Kleiber. „Mitteleuropa ist ein Baumland, typisch für unsere Region ist der Laubwald mit Buchen, Eichen, aber auch Eschen, Erlen oder Ahorn“, betont der Bielefelder, der durch alte Bäume, aber auch Totholz zu mehr Naturnähe im Wirtschaftswald beitragen möchte. „Die Patenbaumschaft macht dies möglich und wächst noch dazu über die eigene Lebensspanne hinaus.“ Vorstellen kann sich der Bielefelder auch ein entsprechendes Pendant im öffentlichen Wald. Seine Zukunftsvision: „Wenn zu jedem unserer Patenbäume ein ‚Zwillings‘-Baum aus dem Stadtwald dazukäme, wäre das ein großartiger Multiplikationsfaktor.“
Sorgenkind Wald
Waldsterben. Ein Schlagwort aus den 80ern feiert sein trauriges Comeback. Auch dem Bielefelder Wald hat der zweite trockene Hitzesommer in Folge stark zugesetzt. Diplom-Forstingenieur Herbert Linnemann und sein Team stehen vor einer Mammutaufgabe. Der Abteilungsleiter Forsten/ Heimat-Tierpark Olderdissen im Umweltbetrieb der Stadt Bielefeld weiß mehr über sterbende Fichten und schwächelnde Buchen.
Herbert Linnemann: Es ist echt traurig. Traurig bis beängstigend. Besorgniserregend. Anders kann ich es nicht sagen. Wir haben über Jahrzehnte begonnen einen stufigen Mischwald aufzubauen, auf den wir stolz sind, und von dem wir jetzt vieles verlieren. Die Entwicklung begann mit Sturmschäden und hat sich mit der Trockenheit und Hitze fortgesetzt.
Herbert Linnemann: Die Fichte ist so stark betroffen, dass sie bei uns fast ausstirbt. Besonders hier haben wir so einen hohen Borkenkäferbefall, dass wir davon ausgehen, dass die Fichten alle absterben werden. Obwohl wir momentan versuchen, die restliche Population zu schützen, indem wir betroffene Bäume fällen. Aber auch bei Buchen finden wir mittlerweile Borkenkäferbefall. Und auch andere Baumarten haben durch den Hitzestress mehr Probleme mit Schädlingen wie dem Eichenprozessionsspinner oder Pilzerkrankungen.
Herbert Linnemann: Die Probleme haben sich potenziert durch den zweiten Hitzesommer in Folge. Die Situation hat sich im Vergleich zum letzten Jahr noch einmal dramatisch verändert. War es im letzten Jahr im Wesentlichen nur die Fichte und trockene Blätter beim Laubholz, so bereitet uns in diesem Jahr auch das Laubholz, vor allem die Buchen, große Sorgen. Die Bäume sind im Frühjahr ausgetrieben und entweder nach kurzer Zeit welk geworden und abgestorben
oder sie haben viel kleinere Blätter ausgetrieben. Wo da die Reise langfristig hingeht, können wir noch nicht abschätzen. Auch, weil es so eine Situation, solange wir zurückdenken können, noch nicht gab.
Herbert Linnemann: 5.600 Hektar Wald gibt es in Bielefeld insgesamt. Fichten stehen auf etwa 20 Prozent dieser Fläche. Ein Drittel ist mit Buchen bestockt und die schwächeln jetzt auch. Bäume halten eine Menge aus, aber bei den Altbaumbeständen sieht es dramatisch aus. Zum Schutz der noch lebenden Bäume und aus Verkehrssicherheitsgründen werden wir viele Bäume fällen müssen. Das wird deutlich sichtbar sein.
Herbert Linnemann: Es kann nur in Richtung Mischbestände gehen, um das Risiko zu reduzieren. Mit verschiedenen Baumarten wie beispielsweise Eichen, Buchen, Weiden, Birken, Pappelarten aber auch Douglasien, Tannen und Kiefern, die nach wie vor eine der stabilsten Baumarten sind. Wenn sich das Klima im Schnitt um zwei Grad erwärmt, dann haben wir klimatische Verhältnisse wie am Mittelmeer. Dort sehen Waldflächen allerdings ganz anders aus.
Herbert Linnemann: Zum einen natürlich auf dem eigenen Grundstück Bäume pflanzen bzw. erhalten. Nicht leichtfertig Bäume absägen, weil man dann im Herbst weniger Arbeit mit dem Laub hat. Forscher aus der Schweiz haben berechnet, dass die Aufforstung einer Fläche von 1,8 Milliarden Hektar weltweit einen großen Teil der klimaschädlichen CO2-Emissionen kompensieren könnte. Vor allem aber müssen wir insgesamt von unserem Energieverbrauch runter. Jeder kann und muss darüber nachdenken, wann eine Autofahrt oder eine Flugreise wirklich notwendig sind.
Rund 450 Hektar Wald der städtischen Reviere sind ausgewiesene FFH- (FloraFauna Habitat) und Naturschutzgebiete.
HERBSTFARBEN – Wanderung zu Bielefelder Bäumen
Auch der BUND Bielefeld kümmert sich um den Baumschutz. Ein Ziel der Aktion „Bielefelder Bäume“ ist es, die Diskussion um eine neue Baumschutzsatzung, die 2002 in Bielefeld abgeschafft wurde, zu beleben. Darüber hinaus bietet Jens Jürgen Korff, Projektleiter Bielefelder Bäume und Bäche, regelmäßig Stadtführungen und Radtouren zu den schönsten Bäumen und Bächen von Bielefeld an. Am 6.10. findet diese unter der Überschrift „Bielefelder Herbstfarben“ statt. Los geht die geführte Wanderung um 14 Uhr am Alten Friedhof Jahnplatz, Eingang Friedrich-Verleger-Straße. Das Ende ist gegen 16.30 Uhr im Kunsthallenpark (Café) geplant. Die Wanderung geht über den Sparrenberg. Teilnahmegebühr 7 € (Kinder frei).
www.bielefelder-baeume.de
Rund 2,4 Kilogramm Kohlendioxid verarbeitet ein Straßenbaum innerhalb einer Stunde.