Bis 2025 soll der Radverkehr in Bielefeld 25 Prozent des Verkehrs ausmachen. „Das ist unser Ziel, bislang sind es 18 Prozent“, erklärt Patrick Kühn, Teamleiter für konzeptionelle Verkehrsplanung und ÖPNV der Stadt Bielefeld. „Die Vision ist eine deutlich andere“, ergänzt Nahmobilitätsbeauftragte Barbara Choryan. Dafür muss die Mobilitätsstrategie bis 2030 noch ordentlich Fahrt aufnehmen. Der Anteil von Rad-, Fuß- und ÖPNV soll auf 75 Prozent steigen, der KFZ-Verkehr auf 25 Prozent reduziert werden.
Aufgabe ist es, die Aufenthaltsqualität in der Stadt zu verbessern und neuen Mobilitätsansprüchen gerecht zu werden. „Wir müssen Anreize schaffen, andere Verkehrsmittel zu nutzen und Ängste nehmen“, macht Barbara Choryan deutlich. Ein positives Beispiel sei der Verkehrsversuch auf dem Jahnplatz. „Es geht darum, praktisch auszuprobieren, wie es ist, z.B. auf einer Umweltspur mit dem Rad zu fahren.“ Das führt zu konstruktiven Diskussionen in der Stadt. Gebunden ist das Rad-Team dabei an Förderzeiträume ebenso wie an politische Prozesse oder unterschiedliche Zuständigkeiten. Und immer gilt es die verschiedensten Interessen zu berücksichtigen.
Barbara Choryan und Patrick Kühn radeln schon. Und zwar nicht nur in der Freizeit.
Patrick Kühn ist einer der 70.000 beruflichen Einpendler in Bielefeld. Er kombiniert das Fahrrad mit dem Bielefelder ÖPNV. Barbara Choryan setzt sich für den Weg zur Arbeit ebenfalls aufs Rad. Die beiden sind Teil eines 6-köpfigen Teams, das in der Stadt das Thema Radverkehr der Zukunft voranbringt. Das neue Radverkehrskonzept ist seit einem Jahr ihr täglich Brot. Neben Routenführungen für Radfahrer werden hier auch qualitative Standards berücksichtigt. „Dazu zählen beispielsweise Radwege durch Grünzüge, aber auch Beleuchtungen und Beläge“, erklärt der Teamleiter. Unterschiedlichste Ansprüche wollen berücksichtigt werden. „Neben Radwegen braucht es auch Serviceeinrichtungen für die Radfahrer“, erklärt Barbara Choryan. Dazu zählen u.a. Abstellanlagen in Verknüpfung mit dem ÖPNV.
So soll die Radstation am Hauptbahnhof künftig mit entsprechend größeren Kapazitäten ausgestattet werden. Statt 350 sind demnächst mindestens rund 1.000 Stellplätze geplant. Eine Übergangslösung gibt es am alten Postgebäude. Hier stehen die gleichen Kapazitäten wie an der alten Radstation zur Verfügung. Auch hochwertige Sammelschließanlagen werden im Zuge der abgerissenen alten Radstation neu geplant. Diese werden an der Vorder- und Rückseite– bislang gibt es an der hinteren Seite des Hauptbahnhofs nur Radbügel – aufgebaut. „Wir wollen herausfinden, wie hoch der Bedarf und die Akzeptanz sind“, macht Patrick Kühn deutlich. Als Übergangslösung stehen die Sammelschließanlagen den Radfahrern kostenlos zur Verfügung. An der endgültigen Preisgestaltung wird noch gefeilt. Angebote, wie 24 Stunden kostenlos parken, können zusätzlich Anreize schaffen, aufs Rad umzusteigen. Bislang kostete ein Jahresstellplatz in der Radstation 70 Euro.
Kommunikation und Information sind essentieller Bestandteil des Gesamtkonzeptes. „Es gibt viele (Verkehrs-)Regeln, die vergleichsweise neu sind“, macht die Nahmobilitätsbeauftragte deutlich. Aufgehoben ist an einigen Stellen zum Beispiel für Radfahrer die Nutzungspflicht von Radwegen.
Unser Ziel ist ein gleichberechtigtes Miteinander statt eines gegeneinander.
Patrick Kühn
„Dort darf man als Radfahrer auch die Straße nutzen und – bei Kennzeichnung – in der Gegenrichtung Einbahnstraßen befahren.“ Für Radfahrer ist das eine schöne Möglichkeit, um Strecken abzukürzen.
„Unser Ziel ist ein gleichberechtigtes Miteinander statt eines Gegeneinanders.“ Gleichzeitig geht es darum, das Verständnis der Verkehrsteilnehmer untereinander zu fördern. „Schließlich ist jeder ja nicht nur Auto- oder nur Radfahrer“, unterstreicht Patrick Kühn. Er macht sich für gegenseitige Rücksichtnahme im Straßenverkehr stark.
Dazu gehört auch die Einhaltung einer Abstandspflicht von 1,50 Meter, wenn Autofahrer Zweiräder überholen. „Wir machen keine Vorrangplanung für Radfahrer.“ Radfahrer wurden allerdings seit Jahrzehnten als Verkehrsteilnehmer benachteiligt. Ein Beispiel sind Hauptverkehrswege wie die Herforder oder die Detmolder Straße, die zu einer Zeit einer autogerecht ausgerichteten Stadtplanung entstanden sind. „Hier wird Radfahrern leider nichts angeboten“, bestätigen die Verkehrsexperten vor allem mit Blick auf die jüngere Generation, die ein anderes Mobilitätsbedürfnis mitbringt. Ihnen ist bewusst, dass das Verständnis für neue Formen der Mobilität in der Gesellschaft noch wachsen muss. Strategisches Vorgehen und Prioritäten zu setzen. ist dabei unabdingbar.
Es geht nicht nur darum, welche Maßnahmen in welcher Reihenfolge durchzuführen sind. In der Umsetzung gilt es auch abzuwägen, wieviel Potential welche Varianten haben. Denn: Auf Alternativrouten kann man für Radfahrer häufig schneller gute Bedingungen herstellen. „Der Ehlentruper Weg als Parallele zur Detmolder Straße wurde bereits in Teilen als Fahrradstraße kenntlich gemacht. „Ebenso wie die Strecke entlang der Stauteiche, quasi parallel zur Heeper Straße“. „Beim Radverkehr ist durch E-Bikes und Pedelecs noch viel mehr möglich“.
Gerade im innerstädtischen Bereich gibt es viele Möglichkeiten, um schneller mit dem Rad oder in Kombination mit ÖPNV ans Ziel zu kommen. „Das Thema muss man als Ganzes betrachten, eng miteinander verzahnen und den ÖPNV – gerade in der dunklen Jahreszeit – als Rückgrat des Verbundes sehen“, so die Verkehrsplaner. Denn auch als Pendler auf das Rad umzusteigen, muss attraktiv sein.
Auch über die Stadtgrenzen hinaus tut sich einiges: Eine Pendlerroute soll Radfahrer von Herford bis Rheda-Wiedenbrück führen. Der Radschnellweg – von Herford über Bielefeld nach Gütersloh und Rheda-Wiedenbrück – ist ein regionales Projekt mit entsprechendem Potential, aber auch langer Vorlaufzeit. „Dafür müssen alle Trassen betrachtet und später in Abschnitten gebaut werden“, so Patrick Kühn. „Ein Jahr noch, dann geht die Arbeit richtig los.“ Klar ist, auf dem Radschnellweg sind Radfahrer weitestgehend bevorrechtigt.
„Wir schalten ihnen quasi eine grüne Welle, um das zügige Einpendeln möglich zu machen.“ Das Projekt ist eng eingebunden in ein Weiteres: ein Radverkehrskonzept für die Regiopolregion. Bielefeld hat mit den elf direkt angrenzenden Kommunen die Regiopolregion Bielefeld gegründet. Ziel ist es, die Städte zusammenzubringen und sie über den Radverkehr zu verbinden. „Dafür muss neben dem ÖPNV auch der Personennahverkehr auf der Schiene eingebunden werden“, so Patrick Kühn.