Bielefeld Undercover

„Erfahrungsgemäß ruft unser Publikum nicht das Off ensichtliche, sondern eher ‚Pömpel‘ als ‚Mordwaff e‘“, lacht Marvin Meinold. „Das ist Gold für uns, daraus dann etwas zu zaubern.“ Ob der Pömpel tatsächlich zur Tatwaff e wird, entscheidet er gemeinsam mit Bühnenpartnerin Nele Kießling spontan. Fest steht zu Beginn des Abends nur, dass der Tatort in Bielefeld liegen soll. Den weiteren Verlauf bestimmen die Einfälle der Zuschauerinnen und die Reaktionen der Schauspielerinnen.

Seit 2008 schaffen die Stereotypen improvisierte Bühnenunterhaltung in unterschiedlichen Formaten. Diese Spielzeit steht ganz unter dem Krimi-Motto. „Das ist zwar nicht unser erster Impro-Krimi“, erzählt Marvin Meinold, „aber wir haben das Format noch einmal auf Herz und Nieren geprüft und die Krimi-Elemente nachgeschärft.“ Das Besondere: Die beiden Bielefelderinnen servieren keine kurzen Szenen, sondern einen abendfüllenden Fall mit Lokalbezug. „Wenn wir in Bielefeld auftreten, möchten wir den Krimi auch hier spielen lassen. Wir brauchen kein großes Bühnenbild oder aufwändige Kostüme, sondern stellen den Bezug zum Alltag der Leute her und holen sie dort ab, wo sie eben noch hergelaufen sind.“ Zusätzliche Atmosphäre schafft ein Musiker, der am Piano je nach Handlungsverlauf ebenso improvisiert wie die Darstellerinnen.
Das Publikum bestimmt übrigens nicht nur den konkreten Schauplatz – ob Jahnplatz oder Uni-Campus –, sondern inspiriert auch Berufe, Namen und Eigenschaften des Verdächtigen und wählt in einer einmaligen Abstimmung das Opfer des Abends. Nur den Täter kennt bis zum Schluss niemand. Noch nicht einmal die Stereotypen selbst, denn sie spielen die Krimis immer mit zwei wechselnden Gästen anderer Improtheater und losen den Täter geheim aus. „So bleibt es auch für uns total spannend“, freut sich Marvin Meinold.
Überhaupt gleicht kein Abend dem anderen, denn Tathergang, Motivsuche und Auflösung können sich in verschiedenste Richtungen entwickeln. „Das ist ein sehr schnelles und aufregendes Format“, unterstreicht der Improkünstler. Dass der Plot da nicht immer völlig niet- und nagelfest konstruiert sein kann, versteht sich von selbst. „Dann retten wir uns über den Witz und natürlich spielen wir uns gegenseitig die Bälle zu. Es ist kollegiale Pflicht, den anderen zu retten, wenn der wirklich mal nicht weiterweiß. Andererseits ist es für das Publikum lustig zu sehen, wenn man mal auf dem Schlauch steht oder geflasht vom Einfall der anderen ist. Und manchmal nimmt der Fall auch eine unerwartete Wendung und plötzlich wird es richtig spannend.“
Dieses Spannungsfeld zwischen Comedy und Krimi reizt ihn ebenso wie der Nervenkitzel des Unerwarteten und Unplanbaren. Wie „normale“ Schauspieler einen fertigen Text zu lernen, wäre für Marvin Meinold eher eine Horrorvorstellung. „Ein bisschen ist das wie Tennis und Squash; es sieht ähnlich aus und ist doch was ganz Anderes.“ Er liebt das schnelle Reagieren, das nicht reproduzierbare Live-Erlebnis. „Und ich befürchte eher, dass ich mir keinen Text merken könnte.“ Muss er auch nicht, denn es kommt auf andere Qualitäten an, die man seiner Ansicht nach lernen kann. „Eine Neigung gehört schon dazu, aber wir geben ja auch Workshops, wo wir den Leuten die Grundlagen beibringen. Oft geht es darum, sich zu trauen, dem ersten Impuls zu folgen.“ Natürlich hilft es, wenn man extrovertiert und schlagfertig ist. So wie eine frühere Mitschülerin in der Theater-AG, die Marvin Meinolds Interesse am Improtheater überhaupt erst geweckt hat. „Sie konnte nie ihren Text, aber was sie improvisiert hat, war immer gut. Da ist der Funke übergesprungen – die Impro-Szene hat mich sofort gekriegt und nie wieder losgelassen.“
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