Das Gold steckt in den Köpfen

4.700 Prüfungen an 400 Orten hat die IHK in der Corona-Krise innerhalb kurzer Zeit abgewickelt. „Es ist eine unserer Hauptaufgaben, aber in diesem Jahr steckte ein noch größerer Koordinationsaufwand dahinter“, weiß Petra Pigerl-Radtke, neue Hauptgeschäftsführerin der Industrieund Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld. Sie richtet den Blick bereits auf die Winterprüfungen. Ein Masterplan steht. Doch jetzt geht es ihr erst einmal darum, bis zum Jahresende bei der Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge aufzuholen. Dafür soll auch die IHK-Kampagne „Duale Ausbildung jetzt“ sorgen.

Die Zahl der eingetragenen Ausbildungsverhältnisse ist während der Corona-Zeit zurückgegangen“, stellt die Rheinländerin fest. „Es ist viel liegengeblieben.“ Dafür gab es unterschiedlichste Gründe. So konnten die Unternehmen zum Teil keine realen Vorstellungsgespräche führen. Gleichzeitig haben sich einige SchülerInnen aufgrund der unsicheren Situation entschieden, zunächst weiter zur Schule zu gehen. Und wer seinen Traumberuf, beispielsweise im Bereich Eventund Veranstaltungsmanagement gesehen hatte, musste ernüchtert feststellen, dass hier eine ganze Branche brachliegt und tatsächlich kaum Chancen auf einen Ausbildungsplatz bestehen.

„In unserem Kammerbezirk gibt es ein Minus von 14 Prozent bei den eingetragenen Ausbildungsverhältnissen“, beziffert Petra Pigerl-Radtke das Defizit (Stand 1.9.20). In normalen Jahren liegen der IHK spätestens bis zum 1.9. rund 90 Prozent der Verträge vor, da das Gros der Jugendlichen in diesem Zeitraum traditionell ihre Ausbildungen aufnehmen. Einen Hoffnungsschimmer gibt es dennoch. Im August verzeichnete die IHK einen kleinen Schub bei den abgeschlossenen Ausbildungsverträgen. Es kamen 770 neue dazu, im Vorjahreszeitraum waren es mit 753 weniger. Die Differenz zum Vorjahr ist damit aber noch nicht beseitigt: 7.214 eingetragene Ausbildungsverträge stehen den derzeit 6.224 (Stand 1.9.20) entgegen. „Ich bin aber hoffungsvoll, dass noch was kommen wird“, betont Petra Pigerl-Radtke. Schließlich müsse man bei diesen Zahlen auch diejenigen herausrechnen, die sich aufgrund der Corona-Krise für Schule entschieden haben. NRW-weit – dazu zählen 16 Bezirke – liegt das Minus bei den eingetragenen Ausbildungs verhältnissen bei 16,8 Prozent. „Da stehen wir besser da“, so die 54-Jährige. „Der Branchenmix, den wir in Bielefeld und Ostwestfalen haben, dürfte dazu ebenso beitragen wie der solide Mittelstand der Region. Und: Die Ausbildungsaktivität in Bielefeld und Ostwestfalen ist gegeben. Die Unternehmen haben den Wert der Ausbildung erkannt.“ Und wer erst später in die Ausbildung einsteigt – bis Ende des Jahres ist dies zum oder 15. eines jeden Monats möglich –, hat keine Nachteile, denn der verpasste Stoff kann mit Hilfe der Ausbildungsbetriebe und Berufsschulen aufgeholt werden.

Petra Pigerl-Radtke

Petra Pigerl-Radtke, seit dem 1. September 2020 Hauptgeschäftsführerin der Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld (IHK), hat als Nachfolgerin von Thomas Niehoff, auch ein zweites Amt, nämlich die Geschäftsführung der Umweltstiftung der ostwestfälischen Wirtschaft, von ihm übernommen. Die 54-Jährige war zuvor seit 2016 als Geschäftsführerin Innovation, Bildung, Fachkräfte für die IHK Mittlerer Niederrhein tätig und zusätzlich als Bildungs- und Fachkräftepolitische Sprecherin der IHKs in NRW aktiv. Studiert hat die gebürtige Düsseldorferin Linguistik und Erwachsenenbildung in Bamberg und Antwerpen.

Den Grund für die geringere Anzahl abgeschlossener Ausbildungsverträge sieht die neue Hauptgeschäftsführerin übrigens nicht nur auf Seiten der Unternehmen. Schließlich gibt es in Ostwestfalen mit minus drei Prozent auch rückläufige Zahlen bei den Schulabgängern. „Zahlen sind das eine“, so Petra Pigerl-Radtke, die auch die Berufs- und Karrierewünsche der jungen Menschen im Blick hat, die sich jetzt coronabedingt teilweise nicht realisieren lassen. Sie plädiert dafür, auch jenseits des eigentlichen Traumberufs nach artverwandten Berufsbildern zu schauen und die eigenen Kompetenzen zu reflektieren. Die von der Kammer initiierte Kampagne „Duale Ausbildung jetzt“ spricht daher alle Akteure an, die maßgeblich den Weg für den so dringend benötigten Fachkräfte-Nachwuchs ebnen können: Die künftigen Azubis ebenso wie die Eltern als Mitentscheider und natürlich die Ausbildungsbetriebe selbst. Allein bis 2030 fehlen in der Region rund 81.000 Fachkräfte. Die jungen Menschen an unterschiedlichen Weggablungen abzuholen, ist das Ziel der IHK Ostwestfalen. Neben einer Speeddating-App setzt die Kammer deshalb auf Schulkooperationen, veranstaltet Ausbildungstouren, macht über Ausbildungsbotschafter Werbung für die duale Ausbildung und stellt beispielsweise auf ihrem YouTube-Kanal Ausbildungsberufe vor. Zusätzliche Entscheidungshilfe und Unterstützung bei der Orientierung bietet auch in diesem Jahr der von der IHK Ostwestfalen herausgegebene neue Ausbildungsatlas für den Ausbildungsstart 2021. „Wer mit einer Ausbildung startet, hat gute Chancen“, berichtet Petra Pigerl-Radtke. „Das ist vielen nicht klar.“ Denn neben dem breiten Spektrum an Berufen sind es auch die attraktiven Karrierewege bis hin zum Master Professional, die eine duale Berufsausbildung mit sich bringt. „Das Gold steck in den Köpfen der Menschen“, resümiert Petra Pigerl-Radtke.

Neuer IHK-Ausbildungsatlas

Der neue Ausbildungsatlas der Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld (IHK) für 2021 ist erschienen. Der Ratgeber bietet Jugendlichen Orientierungshilfe bei der Suche nach Plätzen für Praktika und die Berufsfelderkundung und erleichtert die Berufswahl. Der Atlas, herausgegeben von der IHK Ostwestfalen und der IHK Lippe zu Detmold, beinhaltet eine aktuelle Liste der IHK-Ausbildungsbetriebe in OWL, sortiert nach Berufsbildern und Regionen. Zudem finden Bewerber Informationen zu den einzelnen IHK-Ausbildungsberufen sowie zu Begriffen aus der dualen Ausbildung. Darüber hinaus werden Informationen zur Berufswahl, zu Bewerbungsschreiben, zum Lebenslauf sowie zu Vorstellungsgesprächen gegeben.

Die 280 Seiten umfassende, kostenlose Broschüre gibt es in den regionalen Berufsinformationszentren der Agenturen für Arbeit, in den ServiceCentern der IHKs in Bielefeld und Detmold sowie in den IHK-Zweigstellen in Paderborn und Minden.

Mädchenmerker Bielefeld

Der Mädchenmerker für das Schuljahr 2020/21 ist ein Taschenkalender, der junge Frauen durch den Prozess der Berufsorientierung begleitet. Er enthält Tipps rund um Ausbildung, Studium und Beruf, aber auch zahlreiche weitere Infos und Adressen zu Themen, die für Mädchen von Interesse sind. Er wird an Schülerinnen ab Klasse 8 verteilt. Liegt ab er auch in den Stadt(teil)bibliotheken aus.

Online-Tipps von „Dr. Azubi“

Darf mich der Chef in Kurzarbeit schicken? Was passiert mit der Übernahme nach der Ausbildung? Und was tun, wenn die Berufsschule zumacht? Die Corona-Pandemie stellt Azubis in Bielefeld vor viele Fragen. Antworten darauf können Berufsstarter unter www.dr-azubi.de bekommen – und zwar kostenlos. Die Online-Sprechstunde bietet dabei nicht nur Rat in puncto Pandemie. Auch wer wissen will, welchen Urlaubsanspruch es gibt oder welche Arbeiten in der Ausbildung erlaubt sind, bekommt im Netz kompetente Hilfe. Die Antworten bei „Dr. Azubi“ kommen je nach Branche von Experten der zuständigen Gewerkschaft, die jeden Fall genau prüfen. Die Online-Sprechstunde der DGB-Jugend ist rund um die Uhr erreichbar. Eine Antwort gibt es in der Regel am nächsten Tag.