MEHR DEMOKRATIE WAGEN
Demokratie ist eine mitunter anstrengende Angelegenheit. Aber die einzige Staatsform, bei der das Volk durch freie Wahlen an der Machtausübung im Staat teilhat. Allerdings verdichten sich die Indizien dafür, dass sich viele Menschen nicht mehr oder nicht ausreichend von ihren gewählten politischen Vertreter*innen repräsentiert fühlen.
Auf kommunaler Ebene – hier in Bielefeld – möchte das der im Oktober 2022 gegründete Verein Bürgerinnen-Beteiligung Bielefeld e.V. ändern und tritt für ein Mehr an direkter Demokratie in Form eines Bürgerinnen-Rates ein, um das von der Stadt ausgegebene Ziel Klimaneutralität 2030 zu erreichen.
„Für uns stellt ein Bürgerinnen-Rat eine gute Ergänzung zur Politik dar“, macht Christoph Klein das Anliegen des Vereins deutlich. „Damit können wir eine Brücke zwischen der gesellschaftlichen und der politischen Ebene bauen. Auf kommunaler Ebene wünschen sich einer aktuellen repräsentativen Umfrage zufolge 93 Prozent der Befragten eine stärkere Beteiligung der Bürgerschaft.“ Das Thema Klima für einen ersten Bürgerinnen-Rat war den Vereinsmitgliedern schnell klar. „Die Zeit, um gegenzusteuern, wird knapper. Veränderungsprozesse müssen so schnell wie möglich auf den Weg gebracht werden. Das schürt auch Ängste. Wie ändert sich mein Leben? Welche Einschnitte muss ich in Kauf nehmen?
Foto: Christoph Klein
DER KLEINSTE GEMEINSAME NENNER
Eine direkte Beteiligung ist jedoch wichtig. „Es fühlt sich anders an, wenn man Entscheidungen, auch wenn sie einem nicht gefallen, mitgetragen hat, als wenn sie ,von oben’ angeordnet wurden“, betont Sebastian Böhm. Insgesamt wünschen sich die Vereinsmitglieder einen Bürgerinnen-Rat, um ein realistisches Abbild der Gesellschaft bei wichtigen Fragen mitentscheiden zu lassen oder zumindest anzuhören. „Manchmal sind kleine Interessengruppen sehr laut und wirken wie eine breite, geschlossene Front“, so Bernadette Bueren, „aber das heißt nicht unbedingt, dass diese Gruppe für die Meinung der Mehrheit steht.“ Anders als bei einem Bürgerentscheid ist die Politik rechtlich nicht an die Empfehlungen eines Bürgerinnen-Rates gebunden. „Da gilt es vorher abzuklären, was die politischen Gremien mit den Ergebnissen aus dem Bürgerrat anfangen“, erklärt Christoph Klein. „Auf Bundesebene gibt es bereits Bürger*innen-Räte, in Kürze startet der achte seiner Art zum Thema Ernährung. Und auch Gütersloh wagte mehr Demokratie und sammelte Ideen für eine ,enkelfreundliche Zukunft‛ in einem Bürgerrat.“
Foto: Sebastian Böhm
Bislang reagierte die Bielefelder Politik verhalten bis skeptisch auf die Einrichtung eines Bürgerinnen-Rats „Klima“. Bis Herbst will ein von der Stadt beauftragtes Planungsbüro eine Strategie zum Konzept „Bielefeld Klimaneutral 2030“ vorlegen. „Dann können wir sehen, wo wir sinnvoll einhaken können. Ein Bürgerinnen-Rat ist ein verbindendes Format. Am Ende steht eine Lösung, mit der alle die wenigsten Konflikte haben“, davon sind die Vereinsmitglieder überzeugt. ✔
Foto: Bernadette Bueren