Literaturtage Bielefeld
Mit der 25. Auflage der Bielefelder Literaturtage ist die Kunst des Erzählens wieder einmal zu Gast in Bielefeld. Mit neun Veranstaltungen lädt die Stadtbibliothek am Neumarkt vom 1. bis 30. Oktober unter der Überschrift „Eine Art von Wahrheit“ zu außergewöhnlichen Literaturpräsentationen ein. „Da wir aufgrund der besonderen Situation nur 50 Gästen Zutritt zu den einzelnen Veranstaltungen gewähren können, streamen wir diese erstmals und teilen das Erlebnis live“, erklärt Dr. Katja Bartlakowski, Direktorin der Stadtbibliothek Bielefeld.
Die hohe literarische Qualität zu halten und mit sicherem Gespür für unterhaltsame wie berührende Literaturerlebnisse zu sorgen, ist der Anspruch, mit dem das Team der Stadtbibliothek die diesjährigen Literaturtage geplant, organisiert und hochkarätige Autoren gewonnen hat. Und dafür sorgt, dass die Abende durch musikalische Beiträge aus der Bielefelder Musikszene umrahmt werden. „Die Literaturtage haben sich zum Leuchtturm in Bielefeld entwickelt und strahlen über Bielefeld hinaus. Wir wollen diese Qualität halten und wie jedes Jahr den literarischen Genuss, die Freude an neuen Erkenntnissen und ungewöhnlichen Perspektiven ermöglichen“, macht Dr. Katja Bartlakowski deutlich. Anteil daran haben auch die Freunde und Förderer der Stadtbibliothek e.V. und die Literarische Gesellschaft Ostwestfalen-Lippe, die die Literaturtage wieder unterstützen.
Eröffnet werden die Literaturtage Bielefeld von Denis Scheck, dem wohl prominentesten Literaturkritiker hierzulande. Mit Schecks Kanon stellt er die 100 wichtigsten Werke der Weltliteratur vor – von Krieg und Frieden bis hin zu Tim und Struppi. „Er wird den großen Horizont aufmachen und ist einer der besten Entertainer der Literatur“, ist Klaus-Georg Loest überzeugt, der die Literaturtage vor 25 Jahren ins Leben gerufen hat. Der Leiter der Stadtbibliothek am Neumarkt hat in dieser Zeit über 200 Autorinnen und Autoren in Bielefeld begrüßt. Mit Aris Fioretos (5.10.) heißt er einen Autor willkommen, der seine Figuren immer sehr genau unter die Lupe nimmt. Sein zentrales Thema ist der Rausch oder, wie er es nennt, sich selbst verlassen zu können. Und so geht es in „Nelly B.S Herz“ um Hingabe und Ekstase in Nellys lesbischer Liebe zu Irma im Berlin der 1920er Jahre. Lutz Seiler (7.10.) hat sein neustes Werk „Stern 111“ – so hießen die im VEB Stern-Radio-Berlin gebauten Kofferradios – im Gepäck. Sein zweiter Roman wurde gerade mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet und entwirft ein schillerndes Panorama der ersten anarchischen Zeit nach dem Mauerfall. Paul Celan, der am 23. November 100 Jahr alt würde, steht im Fokus eines Gesprächs, das Prof. Dr. Kai Kaufmann von der Uni Bielefeld mit Prof. Dr. Dieter Burdorf von der Uni Leipzig führt (8.10.). „Das wird ein ernster, aber sehr erkenntnisreicher Abend“, mutmaßt Angelika Teller von der Stadtbibliothek, die den Abend moderiert.
Humorvoll, mit Leichtigkeit und einer wunderbaren Sprache erzählt Jackie Thomae die Geschichte zweier gleichaltriger Männer in ihrem Roman „Brüder“ (15.10.). Mit Heinrich Steinfest (21.10.) kommt ein weiterer ausgezeichneter Autor nach Bielefeld. Denis Scheck sagt über ihn: „Er unterhält nicht nur, er öffnet einem buchstäblich die Augen für – ein großes Wort – die Vielfalt der Schöpfung.“ „Zentrales Thema seines Romans ‚Der Chauffeur‘ ist das Scheitern“, so Angelika Teller. Mit Iris Wolff (27.10.), Anne Weber (29.10.) sowie Anna Katharina Hahn (30.10.) stehen schließlich noch drei Frauen im Fokus der Literaturpräsentationen. „Mit ihrem traumsicheren Sprachgefühl verbindet Iris Wolff in ihrem Roman ‚Die Unschärfe der Welt‘ die Lebenswege von sieben Menschen und schreibt über Katastrophen. Ich habe beim Lesen geweint“, verrät Angelika Teller. Zum Stilmittel des Epos greift dagegen Anne Weber. In ihrem „Heldinnenepos“, das sich, wie Klaus-G. Loest feststellt, „in seiner gebundenen Sprache wie Prosa liest“ durchbricht die renommierte Autorin das Formale des Epos. Und zu guter Letzt begrüßt Bielefeld Anna Katharina Hahn. Schon der Titel ihres neuen Romans „Aus und davon“ lässt einen stolpern. „Er ist erzählerisch ein Meisterstück“, schwärmt Klaus-Georg Loest von dem Familienroman, der zentrale Themen unserer Gesellschaft wie Mobbing, Pietismus, Verantwortung oder Feminismus thematisiert. Gegenwartsliteratur, die, wie schon der Titel der 25. Literaturtage verrät, eine Art von Wahrheit ist und dazu auffordert, sich auf die Kunst des Erzählens einzulassen.