Der Arbeitskräftemangel treibt die Wirtschaft um. Viele Unternehmen machen sich Gedanken, wie sie insbesondere die jüngere Generation – die Gen Z – für sich gewinnen können. Aber zunehmend rücken auch die Potenziale von Älteren in den Fokus. Aktuell arbeiten (noch) häufig vier Generationen in Betrieben zusammen. Baby Boomer mit den Generationen X, Y und Z. Ist das tatsächlich eine Quelle für Konflikte? Oder ist das genau das Salz, das die (Unternehmens-)Suppe braucht?

Wir wollten wissen, wie jung und alt zusammenarbeiten und haben bei der Digitalagentur comspace nachgefragt. Der Altersdurchschnitt in dem vor 20 Jahren gegründeten Bielefelder Unternehmen liegt bei etwa 35 Jahren. Dabei sind 18,4 Prozent 51 Jahre oder älter und 8,7 Prozent jünger als 30 Jahre. „Einige unserer Kolleg*innen sind schon von Anfang an mit dabei“, berichtet Sarah Biendarra vom Team People & Culture. „Jetzt haben wir den ersten Mitarbeiter, der kurz vor dem Rentenalter steht. Aber der Kollege möchte noch gar nicht in den Ruhestand und wir schätzen seine Erfahrung, deshalb erarbeiten wir gerade gemeinsam eine Perspektive für eine weitere Beschäftigung.“ Neue Talente gewinnen, erfahrene Mitarbeitende halten, in der Praxis bilden die jungen Wilden und die alten Hasen die Teams bei comspace. Entscheidend dabei: Alle Team-Mitglieder begegnen sich auf Augenhöhe.

So arbeiten im Marketing & Communications-Team u. a. Annie Chen (38), Hannah Fischer (26) und Anke Lorge (58) zusammen. Wir haben die drei Frauen gefragt, welche Erfahrungen sie mit altersgemischten Teams gemacht haben und was Angehörige unterschiedlicher Generationen voneinander lernen können.

ANNIE CHEN, 38 JAHRE
BRAND & CONTENT
MARKETING MANAGERIN

„Ich empfinde altersgemischte Teams als äußerst vorteilhaft für die Zusammenarbeit und den Erfolg eines Projektes, da eine Vielfalt an Erfahrungen, Perspektiven und Herangehensweisen die Diskussionen und Kreationen bereichert. Ich habe schon des öfteren die Erfahrung gemacht, dass erfahrenere Kolleg*innen einen anderen Blick auf die Dinge haben, da sie auf einen reichen Erfahrungsschatz zurückgreifen und somit wertvolle Einsichten aus vergangenen Situationen teilen können.

Das hat sich bisher als sehr wertvoll für meine tägliche Arbeit erwiesen, z. B. wenn es darum geht, potenzielle Fallstricke zu vermeiden. Bei jüngeren Kolleginnen habe ich beobachtet, dass sie oft mit einem frischen Blick und großer Begeisterungsfähigkeit agieren – das nehme ich als Inspirationen auf. Sie motivieren mich zur kontinuierlichen Weiterentwicklung und zur Offenheit gegenüber Neuem. Auch wenn man das schwer pauschalisieren kann, habe ich zudem beobachtet, dass sich jüngere Kolleginnen als „Digital Natives“ eher im Umgang mit z. B. Social Media oder Apps einbringen können.“

HANNAH FISCHER, 26 JAHRE
WERKSTUDENTIN IM BEREICH
GRAFIKDESIGN

„Aus meiner Sicht als Designerin sind altersgemischte Teams sehr hilfreich, weil ich selten „nur“ für meine Altersgruppe gestalte. Durch den Austausch lerne ich, was anderen Altersgruppen zusagt und wie wir dadurch mehr Menschen erreichen können. Deswegen ist dieser Austausch für mich elementar. Aber eigentlich nehme ich Alter gar nicht so aktiv wahr.

Es geht vielmehr um Kommunikation und die Bereitschaft, sich gegenseitig zu verstehen und voneinander lernen zu wollen. Ich persönlich profitiere enorm von den Erfahrungen meiner Kollegen, die oft einen breiteren und umfassenderen Blickwinkel besitzen als ich.”

ANKE LORGE, 58 JAHRE
MARKETING MANAGERIN

„Für mich trägt jede Art von Diversität zur erfolgreichen Zusammenarbeit eines Teams bei. Weit wichtiger als das Alter ist ein offenes lernwilliges Mindset. Dieses können jüngere genauso wie ältere Mitarbeitende besitzen. Natürlich bringt jede Generation „ihre“ Werte, Erfahrungen und Perspektiven in die Arbeitswelt ein.

Ich als Babyboomerin bin sehr leistungsorientiert aufgewachsen mit einem starken Fokus auf Loyalität und Durchhaltevermögen – egal, ob mir etwas Spaß gemacht hat oder nicht. Die Menschen jüngerer Generationen legen mehr Wert auf Flexibilität, Work-Life-Balance und die Sinnhaftigkeit ihrer Arbeitsinhalte. Was ich für sehr positiv halte und was nicht heißen soll, dass sie nicht genauso viel leisten! In unserer Branche, die sich ja wahnsinnig schnell weiterentwickelt, kann ich vor allem in puncto digitale Technologien und Arbeitsweisen viel von jüngeren Kolleg*innen lernen, denn ich bin noch mit Schreibmaschine und Fax aufgewachsen. Was ich an jüngeren Kolleg*innen oft bewundere und schätze, ist ihre Unvoreingenommenheit und ihr Selbstbewusstsein, an (neue) Dinge heranzugehen, ohne sich von überkommenen Hierarchien einschränken zu lassen. In meiner eigenen Jugend wurde das höhere Alter automatisch mit größerer Kompetenz gleichgesetzt mit der Folge, dass eine Kommunikation auf Augenhöhe häufig nicht stattgefunden hat. Heute bereichern jüngere Mitarbeitende ein Team mit frischen Impulsen aus ihrer Ausbildung und oft internationalen und damit interkulturellen Erfahrungen. Diese Dynamik fördert eine Kommunikation auf Augenhöhe, bei der nicht das Alter, sondern Wissen, Fähigkeiten und unterschiedliche Perspektiven zählen.“

Im Coaching & Facilitation-Team arbeiten Janna Kramer (26) und Tilmann Mißfeldt (58) Jahre im Bereich Organisationsentwicklung zusammen. Das sind ihre Erfahrungen mit altersgemischten Teams.

TILMANN MISSFELDT, 58 JAHRE
ORGANISATIONSENTWICKLER

„Diverse Teams sind wichtig. Ich mag das nicht nur auf das Alter reduzieren. Ich bin der festen Überzeugung,
dass Diversität – verstanden als offener Dialog und Diskurs von Personen mit möglichst unterschiedlichen
Lebenszusammenhängen – entscheidend dafür ist, Komplexität zu bewältigen. Die Bereitschaft zum Lernen ist entscheidend – bei allen.

Das ist keine Frage des Alters. Ich sage gerne „Erfahrung ist gut, Lernen ist besser“. Es geht für mich ganz viel darum, miteinander zu lernen. Mehr noch als voneinander. Gerade jüngere Kolleg*innen nehme ich gar nicht so einheitlich wahr. Vielleicht in einem Punkt doch: wie viel digitales Wissen sie ganz natürlich haben; ich komme ja gerade noch aus der Zeit vor dem C64 [Der Commodore 64 kam 1982 als 8-Bit-Heimcomputer mit 64 KB Arbeitsspeicher auf den Markt, Anm. d. Red.]. Vielleicht gelingt es Jüngeren etwas schneller, die eigenen Bedürfnisse zu erkennen und diese zu benennen. Das Wissen darüber, was ich brauche, was ich will, ist ganz wichtig für die Zusammenarbeit, wenn es gelingt, das auch klar zu formulieren. Manchmal denke ich: Ja, das können die Jüngeren besser – manchmal beneide ich sie ein wenig darum und ganz oft freue ich mich darüber.“

JANNA KRAMER (ganz rechts), 26 JAHRE
ORGANISATIONSENTWICKLERIN

„Aus meiner Sicht sind altersgemischte Teams nicht unbedingt erfolgskritisch. Bei der Zusammenarbeit mit älteren Personen merke ich, dass wir eine größere Bandbreite an Menschen erreichen. Es trifft dabei Erfahrung auf einen, im positiven Sinne, naiven und unvoreingenommenen Blick. Das eröffnet einen ganz anderen Lösungsraum. Von älteren Kolleg*innen schaue ich mir Inhaltliches ab, aber auch die Ruhe und Sicherheit. Ein noch nicht gefestigtes Bild erhält mehr Sicherheit/Festigkeit. Und andersherum: Ein gefestigtes Bild kann noch einmal aufgebrochen und neu erlebt werden. In manchen Situationen fällt es mir schwer, die andere Perspektive wirklich tief zu verstehen. An der Stelle hilft Vertrauen, den Weg oder den Vorschlag trotzdem mitzugehen und die Erfahrung zu machen“

ROY KRAFT, 65 JAHRE
PARTNER-MANAGER

Für alle befragten comspace-Mitarbeitenden ist übrigens
Vertrauen der Schlüssel für eine gute Zusammenarbeit. Und die hat für Roy Kraft nichts mit Altersunterschied oder Generation zu tun. Der 65-jährige Partner-Manager aus dem Team Account Management ist der Meinung, dass man sich Vertrauen erarbeiten muss – und das gilt für beide Seiten: „In altersgemischten Teams kann man voneinander lernen.

Die Älteren haben mehr Erfahrung, logisch, sie leben ja auch schon länger. Das Weitergeben von diesen Erfahrungen erfordert aber viel Fingerspitzengefühl, und man sollte dabei immer im Kopf behalten, dass man nicht automatisch recht hat, nur weil man älter ist – und dass Jüngere nicht deshalb unrecht haben, nur weil sie jünger sind!“