ALTERSSIMULATION IM SKILLS LAB

Wie möchte ich altern? Es lohnt sich, diese Frage nicht erst im fortgeschrittenen Alter zu stellen. „Der Alterungsprozess ist ein physiologischer und beginnt schon mit Mitte zwanzig. Dann lassen erste sensorische Fähigkeiten nach“, erklären Ariane Rolf und Deborah Damkröger. An der Hochschule Bielefeld (HSBI) sind sie am Fachbereich Gesundheit im Skills Lab tätig. Angst vor dem Alter wollen sie nicht schüren, wohl aber das Bewusstsein der Pflegestudierenden dafür schärfen, welche Hürden der Alltag bietet, wenn der Körper gebrechlich wird. Dafür schlüpfen die Studierende in einen Alterssimulationsanzug.

Sportliche Aktivitäten fördern – ebenso wie eine positive Grundeinstellung – neben dem persönlichen Wohlbefinden auch die Gesundheit. „Alle körperlichen Aktivitäten tragen dazu bei. Egal, ob man walkt, Gymnastik oder Yoga macht“, sagt Ariane Rolf. „Es zahlt sich auch mit Blick auf das Herz-Kreislaufsystem aus, in Bewegung zu bleiben, um auch im hohen Alter beweglich zu bleiben“, fügt Deborah Damkröger hinzu.

„Wer körperlich aktiv ist, ist auch geistig fitter und aktiver – Immobilität führt zu einem Nachlassen der geistigen Fähigkeiten.“ Mit dem Ausprobieren des Alterssimulationsanzugs erleben Pflegestudierende in Bielefeld, wie sich das Leben mit 75 Jahren anfühlt. Der Selbstversuch ist fester Bestandteil des Pflegestudiums am Fachbereich Gesundheit und erhöht das Verständnis für die Einschränkungen älterer Menschen: von der nachlassenden Muskelkraft über schmerzende und unbewegliche Gelenke bis hin zu mangelnder Sehkraft. Es ist eine Zeitreise in die eigene Zukunft. „Wenn die Studierenden den Alterssimulationsanzug tragen, merken sie, warum Ältere sich anders verhalten, mehr Zeit benötigen und warum sie einen Fleck auf ihrer Kleidung nicht wahrnehmen“, erklären die beiden Mitarbeiterinnen. „Es braucht mehr Geduld im Umgang mit älteren Menschen.“ Das Bewusstsein will das Pflegestudium vermitteln, das die ganze Spanne der Pflege abdeckt – vom Umgang mit Säuglingen bis zur Pflege hochaltriger Menschen.

„Wer körperlich aktiv ist, ist auch geistig fitter und aktiver –
Immobilität führt zu einem Nachlassen der geistigen Fähigkeiten.“

„Bewegungsförderung im Alter ist – auch wenn die Gelenke versteift sind – extrem wichtig, um die Beweglichkeit zu erhalten“, weiß Ariane Rolf. Zumal das Sturzrisiko mit zunehmendem Alter durch schwindende Muskelkraft steigt.

Teppiche, unebene Böden oder Treppenstufen werden dann zu potenziellen Sturzquellen. Das erleben die Studierenden der HSBI am eigenen Körper. Ihre Füße, die in den Überschuhen des Simulationsanzuges stecken, weichen den festen Stand auf und sorgen durch ihre unförmige Sohle für einen unsicheren Gang. Zusätzliche Gewichte an den Knöcheln beschweren die Beine.

„Wichtig ist für ältere Menschen eine Beratung zur Sturzprophylaxe, bei der wichtige Tipps mitgegeben werden“, sagt Deborah Damkröger. Angefangen vom festen Schuhwerk bis hin zu einem Nachtlicht, das in der Dunkelheit für bessere Sicht sorgt und somit die Sturzgefahr minimieren kann. „Studierende sind oft überrascht, wie sehr sie eingeschränkt sind, wenn sie den Alterssimulationsanzug tragen“, erzählt Ariane Rolf. Denn Knie- und Ellenbogenschoner schränken jede Bewegung ein.
Eine schwere Weste lastet auf den Schultern und Handschuhe und eine Halskrause beengen zusätzlich. Brillen, die unterschiedliche Augenerkrankungen simulieren, und schalldämpfende Ohrenschützer komplettieren den Anzug. „Wenn wir die Studierenden so ausgestattet auf den Weg bringen, um mit Kleingeld eine Flasche Wasser zu bezahlen, Kartoffeln zu schälen, ein Bett zu beziehen oder ein Dokument zu unterschreiben, wird ihnen klar, wie schwer der Alltag werden kann“, macht Ariane Rolf deutlich. „Es ist ein Aha-Effekt, der einen Reflexionsprozess lostritt“, unterstreicht Deborah Damkröger. Sich im Studium dafür Zeit zu nehmen, ist wesentlich. Denn es geht darum, aus den Fragen Antworten für die Praxis abzuleiten. Der Alterssimulationsanzug im Skills Lab ersetzt viele theoretische Erklärungen. Zeigt, warum Ältere ihre Aktivitäten einschränken und infolgedessen Einsamkeit ein Thema ist. Gleichzeitig rücken Ariane Rolf und Deborah Damkröger die Chancen des Älterwerdens, das natürlich sehr individuell aussieht, in den Fokus: Zeit für Familie und Freunde, für Hobbys oder ehrenamtliche Tätigkeiten.

Sich schon in jungen Jahren ein soziales Netzwerk aufzubauen, um die psychische Gesundheit zu stärken, trägt ebenso zur Gesundheit bei wie ein gesunder Lebensstil. „Es ist wichtig, schon im Studium zu vermitteln, dass man den Menschen ganzheitlich betrachten muss“, sind sich die zwei Lehrenden einig. ✔

Ariane Rolf mit einem Studierendem der HSBI im Alterssimulationsanzug