Wissenschaft trifft Praxis

Bis 2050 soll Europa der erste klimaneutrale Kontinent sein – so lautet das Ziel der EU. Mit dem europäischen Green Deal will die EU den Übergang zu einer modernen, ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen Wirtschaft schaffen. Zahlreiche Verordnungen und Richtlinien, z. B. zu Kreislaufwirtschaft, Verpackungen, Lieferketten, Nachhaltigkeitsberichtspflicht, zahlen auf dieses Ziel ein. Wie die im Juli 2024 in Kraft getretene EU-Ökodesign-Verordnung, die den gesetzlichen Rahmen für eine nachhaltigere Produktgestaltung darstellt. Produkte sollen langlebiger, ressourcensparender sowie besser reparier- und recycelbar sein.

Unternehmen müssen ihre Produkte auf den Prüfstand stellen. Aber das ist gar nicht so banal. „Die Verordnung bildet lediglich den Rahmen. Die Maßnahmen werden noch pro Produktgruppe durch die Europäische Kommission erarbeitet und in delegierten Rechtsakten verabschiedet“, erklärt Kathrin Sawatzky, Manager Product Sustainability bei WAGO.

Das weltweit agierende Unternehmen ist Weltmarktführer im Bereich der Federklemmentechnik und zählt zu den führenden Anbietern von Verbindungstechnik und Automatisierung. „Auch wenn die konkreten Anforderungen für die WAGO-Produkte erst noch durch die delegierten Rechtsakten kommen, bereiten wir uns bereits jetzt vor und beschäftigen uns u.a. mit dem digitalen Produktpass”, erklärt Kathrin Sawatzky. Im digitalen Produktpass werden Komponenten, Materialien und chemische Substanzen oder auch Informationen zu Reparierbarkeit, Ersatzteilen oder fachgerechter Entsorgung für ein Produkt zusammengefasst.

Eine Frage des Rechts

Verordnungen lassen häufig Interpretationsspielräume. Ein frischer Blick von außen ist bei WAGO immer willkommen, deshalb kooperiert das Unternehmen mit Wissenschaftler*innen der Hochschule Bielefeld (HSBI).

Prof. Dr. Christiane Nitschke ist Expertin für Wirtschaftsrecht und weiß um dessen Bedeutung bei der Umsetzung von Regulierungen, denn eine Innovation kann nur dann erfolgreich umgesetzt werden, wenn sie den rechtlichen Rahmenbedingungen genügt. „Deshalb ist es so wichtig, diese von Beginn an mitzudenken“, erklärt die Leiterin des Projekts „Wirtschaftsrecht im Transfer“ im Masterstudiengang. Hierbei beschäftigten sich 18 Studierende mit Fragestellungen aus der Praxis, die von mehreren Unternehmen bei einer Auftaktveranstaltung formuliert wurden und deren Ergebnisse als Open Educational Resources zur Verfügung stehen. WAGO beteiligte sich mit einem breiten Themenspektrum aus dem Bereich der Nachhaltigkeitsregulierung. Mit besonderer Expertise unterstützten die Wissenschaftlichen Mitarbeitenden Kristin Maoro (EU-Nachhaltigkeitsgesetzgebung) und Micha Steiner (Ökodesign-Verordnung). Ein Semester lang bearbeiteten die Studierenden „ihr“ Thema. „Unsere Mitarbeitenden standen als Sparringspartner bei Fragen zur Verfügung“, schildert Kathrin Sawatzky das Prozedere. „Eine Gruppe erstellte beispielsweise einen ,Trendradar Nachhaltigkeitsgesetzgebung’.

Für uns war der internationale Vergleich, den die Studierenden anstellten, sehr interessant.“ Ein anderes Team nahm sich den Entwurf der „Green Claims“-Richtlinie zur Unterbindung von Greenwashing vor und untersuchte am Beispiel der „Green Range“ der Serie 221 – eine Überarbeitung der WAGO Verbindungsklemme mit Hebeln der Serie 221, die zu den bekanntesten Produkten des Unternehmens zählt – die Variante, die aus zum Teil biozirkulären und recycelten Kunststoffen hergestellt wird, um vorhandene Ressourcen im Kreislauf zu halten.

Eine dritte Gruppe widmete sich bereits bestehenden Regulierungen, die Stoffverbote und beschränkungen regeln, wie REACH (Europäische Chemikalienverordnung) und RoHS, eine EU-Richtlinie zur Beschränkung gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten. Bei einer Abschlussveranstaltung präsentierten die Studierenden ihre Ergebnisse: „Zum Teil wurden wir in unseren Annahmen bestätigt, aber wir haben zusätzlich noch neue Impulse bekommen“, stellt Kathrin Sawatzky fest. Die Kooperation zwischen Wirtschaft und Wissenschaft ist eine gute Erfahrun für beide Seiten. „Die Studierenden haben einen Eindruck der nach Abschluss ihres Masterstudiums in der Wirtschaft relevanten Aufgabenstellungen gewonnen“, resümiert Christiane Nitschke. Und zwei Studentinnen tauchen noch tiefer in die Materie ein: Sie absolvieren nun ein sechswöchiges Praktikum bei WAGO.