Berlin, Bremen, Bielefeld. Diese drei Städte waren in den 70ern Vorreiter der sogenannten zweiten Frauenbewegung. „Mit der Ausstellung möchten wir zeigen, wie aktiv und kreativ die Szene war“, so Kuratorin Friederike Meißner, „und den engagierten Frauen Wertschätzung entgegenbringen.“ Deren Aktivitäten stellt das Historische Museum am Beispiel von 12 ausgewählten Orten vor.

Wie in anderen Städten gingen auch in Bielefeld viele Impulse von der Universität aus. Dort entstand 1978 etwa das „Autonome Frauen- und Lesbenreferat“. Sehr früh, seit 1976, gab es in Bielefeld ein Frauenhaus, das immer wieder um seine Existenz kämpfen musste. „Die Gleichstellungsstelle der Stadt Bielefeld, heute selbstverständlich, war die zweite überhaupt in Deutschland“, weiß Friederike Meißner. Den Frauenbuchladen gibt es dagegen nicht mehr. Ebenfalls Geschichte ist ein Modellversuch, auf den es in den 80ern ein bundesweites Medienecho gab: Das Frauentaxi sollte Frauen nachts kostenlos und sicher zur nächstgelegenen Bushaltestelle bringen.

Gegen männliche Gewalt und Bevormundung

Überhaupt zählt der Kampf gegen männliche Gewalt und Bevormundung zu den Konstanten der Frauenbewegung(en). Von der Erlangung des Wahlrechts in der Weimarer Republik über die 70er bis heute, wo Aktionen wie „One Billion Rising“ darauf aufmerksam machen. Hauptauslöser der zweiten Frauenbewegung war vor allem der Kampf für das Recht auf Abtreibung und die Selbstbestimmung des weiblichen Körpers. „Es gab viele Demos und Initiativen, die sich gegen den Paragraphen 218 stark gemacht haben“, so die Kuratorin. Natürlich wirft die Ausstellung auch einen Blick darauf, wie sich der Feminismus weiterentwickelt hat – und begegnet Themen wie dem Gender Pay Gap, die nach wie vor relevant sind. „Hinzugekommen sind Gesichtspunkte wie eine neue Interpretation der weiblichen Identität oder der Kampf gegen Rassismus und Klimawandel.“

Frauen fragen

Wichtig ist es dem Ausstellungsteam, immer wieder die Frauen selbst zu Wort kommen zu hassen. „Wir haben sechs Videointerviews mit Frauen geführt, die sich für Frauenthemen stark machen, von Annelie Buntenbach bis zu Aktivistinnen von Naturtrüb“, so die Kuratorin. Viel erreicht, aber noch längst nicht am Ziel – so könnte das vorläufige Fazit lauten.
„Je mehr ich mich mit dem Thema auseinandergesetzt habe, umso mehr habe ich mich als feministisch begriffen und gesehen, wo sich noch etwas bewegen muss“, unterstreicht die 38-Jährige. Ihr selbst ist das besonders in einer Situation aufgefallen: „Als Mutter zweier kleiner Kinder werde ich oft gefragt, wie ich es schaffe, dabei berufstätig zu sein. Das passiert Männern nie.“
www.historisches-museum-bielefeld.de
23.1.-30.4., Historisches Museum

ANTONIA PUSCH

„Da geht was“ – diese Aufbruchsstimmung ist für die Bielefelderin auch rückblickend noch greifbar. Seit Ende der 70er hat sich die heute 68-Jährige in der Frauenbewegung engagiert. War u. a. viele Jahre im Vorstand des FraZe aktiv und Mitbegründerin der LesBenitas. Zur Ausstellung hat Antonia Pusch Plakate und Buttons beigesteuert.

Was war damals der Auslöser für Dein Engagement?

Der Aufbruch zu neuen Ufern, der Wunsch nach Selbstbestimmung und der Ärger bezogen auf den §218. Gleichgesinnte zu treffen und mir persönlich immer sicherer zu sein, Frauen zu lieben – das passte alles zusammen. Ich bewege etwas auf der politischen Ebene, und es bewegt mich etwas im Privaten, das war toll.

Warum warst Du gerade im FraZe aktiv?

Das FraZe gab es damals noch gar nicht. Das Frauenzentrum war eine 3-Zimmer-Wohnung in der Elsa-Brandström-Straße gemeinsam mit dem Büro der bunten Liste. Was Anderes gab es NOCH nicht. Mir gefiel die Idee und Kombination von Frauenkneipe und politischen Aktionen. Daraus entstand in Bielefeld im Laufe der Jahre ja auch das meiste Andere, vom Frauenbuchladen bis zum Mädchentreff BellZett.

Was hat sich seitdem verändert?

Das Tolle an Bielefeld ist, dass bürgerliches Engagement oft von der Stadt belohnt wurde, etwa durch ABM-Maßnahmen oder einen kleinen Stellenanteil bei Projekten wie dem FraZe. Im Positiven verändert hat sich die Anerkennung von Gewalt gegen Frauen und die Gleichstellung von Schwulen und Lesben. Nicht heterosexuelle Menschen tauchen auch in den Medien nicht nur als Opfer auf, sondern zunehmend als „normal“. Aber das Adoptionsrecht muss verbessert werden.

Was steht heute auf der Agenda der Frauenbewegung ganz oben?

Wirkliche Gleichstellung beim Gehalt (und damit auch der Rente), in Führungsebenen und der Gesellschaft insgesamt. Gewalt gegen Frauen, gegen Kinder, gegen LGBT* deutlich zu machen und entgegen zu wirken, durch Präventionsarbeit, Medien- und politische Einflussnahmen.