Samir Arabi

Zwei frischgebackene Europameister hat Arminia Bielefeld vorzuweisen. Amos Pieper auf seiner angestammten Position als Innenverteidiger und Hertha-Leihgabe Arne Maier als Kapitän der U21-Nationalmannschaft konnten den Pokal in den Abendhimmel von Ljubljana recken. Unterdessen erhielt DSC-Keeper Stefan Ortega Moreno einen Anruf von Andreas Köpke, Torwarttrainer der deutschen A-Nationalmannschaft. „Tego“ sollte sich als vierter Keeper bereithalten, falls sich einer der drei nominierten Torhüter verletzen sollte.

Und während die meisten Spieler ihren wohlverdienten Urlaub genießen, steckt Samir Arabi mittendrin in der heißen Phase der Kaderzusammenstellung. Und es verwundert nicht, dass andere Vereine auf die Arminen-Spieler aufmerksam wurden. Segen oder Fluch? „Das ist grundsätzlich gut und gehört zum Geschäft“, betont Samir Arabi. „Transfererlöse sind nach den TV-Geldern unsere zweitwichtigste Säule. Wenn sich unsere Spieler schneller entwickeln als der Verein, ist es verständlich, dass sie den nächsten Schritt gehen wollen. Arminia profitiert in solchen Fällen wirtschaftlich davon. Das heißt aber nicht, dass wir unsere Jungs abgeben wollen“, lacht der sympathische Geschäftsführer. „Das bedeutet natürlich auch, dass wir auf eventuelle Wechsel vorbereitet sein müssen und dafür einen Plan B in der Tasche haben müssen. Das heißt, noch ein wenig schneller und frühzeitiger, erfolgversprechende Spieler zu entdecken als finanzstärkere Clubs.“

TEAM-ARBEIT

Definitiv früh dran waren die Scouts des DSC am Kieler Stürmer Janni Serra, der im Sommer ablösefrei von Holstein Kiel zu Arminia wechselte. Bereits im Winter gab es erste Wechselgerüchte. „Wir beobachten Janni schon einige Jahre“, bestätigt Samir Arabi, der seit über 10 Jahren die sportlichen Geschicke des DSC verantwortet. Eine bemerkenswert lange Zeit im schnelllebigen Profi-Fußball, in der der gebürtige Aachener schon oft ein gutes Händchen für Transfers bewiesen hat. Als er beispielsweise 2011 Fabian Klos verpflichtete, der vorher noch nie 3. Liga gespielt hatte, wurde dem heutigen Kult-Stürmer von der Fachpresse während einer Negativserie die Tauglichkeit für diese Spielklasse aberkannt. Auch die „Rückholaktion“ von Ortega 2017 von 1860 München sorgte für Nörgeleien. „Es wäre vermessen zu behaupten, dass wir eine 100-prozentige Trefferquote bei unseren Transfers erzielen. Das schafft kein Verein“, räumt Samir Arabi ein. Für die Saison 2021/2022 stehen für den Kader 22,5 Millionen Euro zur Verfügung und somit gibt es keine Änderung gegenüber der letzten Saison. „Auf ähnlichem Niveau bewegen sich die Aufsteiger Greuther Fürth und der VfL Bochum – zwei weitere Paddelboote“, sagt Samir Arabi augenzwinkernd in Anspielung auf seine vielzitierte Metapher, die ihm spontan in einem Interview vor dem letzten Saisonauftakt einfiel, um Arminias Chancen auf den Klassenerhalt realistisch einzuordnen.
Angesichts der wirtschaftlichen Situation kann man sich in Bielefeld in puncto Transfers nicht viele Fehler erlauben. Deshalb beobachtet das komplette Scouting-Team potenzielle Neuverpflichtungen sehr akribisch, führt lange Gespräche mit dem Spieler und seinem Umfeld, berücksichtigt das Verhalten beim Training. Macht der Spieler nur da Nötigste oder bleibt er mal länger? Räumt er die Hütchen mit weg oder fühlt er sich schon als Star? „Das ist ein Gesamtpuzzle“, sagt der studierte BWLer. „Manchmal braucht man einen Spieler, der für Reibung innerhalb der Mannschaft sorgt. Aber die Balance muss stimmen. Wenn man zu viele Individualisten hat, funktioniert es nicht.“

MISSION KLASSENERHALT

„Es ist ein kleines Fußball-Märchen“, stellt Samir Arabi rückblickend fest. „Jede Erstliga-Saison ist ein Geschenk für Bielefeld. Wir alle freuen uns riesig, dass wir die kommende Saison hoffentlich zusammen mit den Fans in der SchücoArena feiern können. Das ist traumhaft gelaufen.“ Dabei ist der Geschäftsführer Sport beileibe kein Träumer. „Wer mit wirtschaftlich begrenzten Mitteln arbeitet, bei dem ist es nicht die Frage ob, sondern wann er absteigt“, bringt er das System Profi-Fußball auf den Punkt.
Nicht zuletzt die Verteilung der TV-Gelder, die Haupteinnahmequelle der Vereine, ist immer wieder Gegenstand der Diskussion um mehr Chancengleichheit. Die Statistik gibt ihm recht. Aufsteiger – z. B. Braunschweig oder Paderborn – stiegen gleich nach einem Jahr Ligazugehörigkeit wieder ab. Und Traditionsvereine, wie der viermalige Deutsche Meister Kaiserslautern, finden sich nach ein paar Jahren 2. Liga mitunter am unteren Ende der Drittliga-Tabelle wieder. „Es wird immer schwerer, sich als Aufsteiger längerfristig in der Bundesliga zu etablieren. Zuletzt ist das 2011 Augsburg und 2009 Mainz gelungen. Erst im dritten oder vierten Jahr Bundesliga steigen allmählich die Chancen, dauerhaft in der Liga zu bleiben.“ Vielleicht gibt es am Ende der Saison 2021/22 wieder ein Fußball-Märchen. Davon träumen darf man ja. Samir Arabi verspricht: „Wir werden alles in unserer Macht stehende tun und uns wieder stur, hartnäckig und kämpferisch präsentieren, um wieder ein weiteres Jahr Bundesliga in Bielefeld zu ermöglichen.“