Wirtschaft anders denken

Es braucht keine Feindbilder, um die Welt zu retten“, unterstreicht Eberhard Sprenger. Themen wie Gerechtigkeit und Umweltschutz liegen dem Bielefelder schon lange am Herzen. Mit der Gemeinwohl-Ökonomie ist er auf eine Idee gestoßen, die beides zusammenbringt, ohne in Feind-Freund-Schemata zu denken.

Eberhard Sprenger

„Die Gemeinwohl-Ökonomie ist ein alternatives Wirtschaftsmodell, das statt Wachstum und Profitmaximierung das allgemeine Wohlergehen zum Ziel hat“, erklärt Eberhard Sprenger. Die Idee ist 2010 in Österreich entstanden und hat inzwischen weltweit 11.000 Unterstützerinnen und über 4.800 Aktive in 180 Regionalgruppen. Die Bielefelder Ortsgruppe hat der Sozialtherapeut, der mit Straffälligen arbeitet, 2015 mit ins Leben gerufen. Ihn überzeugt besonders die Breite des Ansatzes. Wenn ein Unternehmen eine Gemeinwohl-Bilanz erstellen möchte, funktioniert das nach einem umfangreichen, standardisierten System. Die Gemeinwohl-Matrix definiert zum einen verschiedene Berührungsgruppen von Lieferantinnen über Mitarbeitende bis zu Kundinnen. Dem gegenüber stehen Menschenwürde, Solidarität und Gerechtigkeit, Ökologische Nachhaltigkeit sowie Transparenz und Mitentscheidung. Bei der Bilanzierung wird überprüft, inwieweit diese Werte umgesetzt werden – und das eben von der Zulieferkette bis zu den eigenen Mitarbeitenden.

Durch die am Ende testierte Gemeinwohlpunktzahl können Verbraucherinnen sehen, welche Auswirkungen auf Mensch und Natur bestimmte Produkte haben. Und die Unternehmen selbst erkennen ebenfalls, wo sie stehen und wie sie sich in Richtung einer ethischen Wirtschaftverbessern könnten. „Wir lernen bei unseren Vorträgen oder am Infostand viele Unternehmen kennen, die möchten, dass es den Mitarbeitenden und der Natur gut geht“, freut sich Eberhard Sprenger. „Und natürlich ist eine positive Gemeinwohl-Bilanz eine gute Werbung. Die Unternehmen profitieren aber auch in anderer Hinsicht, etwa durch einen niedrigeren Krankenstand.“

Das langfristige Ziel ist eine nachhaltige und solidarische, an ethischen Zielen orientierte Umstrukturierung der Wirtschaft. Einige Unternehmen, aber auch Städte, etwa der Kreis Höxter, haben sich bereits auf den Weg gemacht. Zu den bekannten Firmen, die eine Bilanz erstellt haben, zählen u. a. Vaude Sport, Greenpeace Deutschland, BKK Provita und Ökofrost. Aus der Region kommen Maas Natur und Gut Wilhelmsdorf, das sich gerade bilanzieren lässt. „Aber es ist klar, dass auch politisch etwas passieren muss“, unterstreicht der 53-Jährige. Denkbar wäre etwa, dass Unternehmen, deren wirtschaftliche Tätigkeiten für die Allgemeinheit von Nutzen sind, steuerlich oder bei der öffentlichen Auftragsvergabe belohnt werden.

Trotz der wirtschaftlich gerade angespannten Lage glaubt Eberhard Sprenger an die Überzeugungskraft des Gemeinwohl-Gedankens. „Die Corona-Pandemie ist Schock und Chance zugleich. Sie könnte der Auslöser einer sozialökologischen Transformation sein, die Chance, sich auf wirkliche Werte zu besinnen. Aber natürlich könnte es auch in die andere Richtung gehen“, resümiert der Bielefelder. „Aber ich erlaube mir, meinen Optimismus zu behalten, denn ich sehe viele Pflänzchen aufkeimen.“

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