UNTERWEGS
Die einen verbinden das Reisen mit Arbeiten, andere nehmen sich eine Auszeit und reisen mehrere Monate durch die Welt und wieder andere werfen ihre Pläne um und finden im Ausland gleich eine neue Heimat. Wir stellen sie vor, Menschen, die vor allem eins eint: das Glück unterwegs zu sein.
Anna, Flo & Bob
LEBEN & ARBEITEN IM VAN
Platz ist in der kleinsten Hütte – oder eben in einem Campervan. Seit Mai 2022 sind Anna Orzelski und Flo Berndt mit Bob unterwegs. Bob ist ein mit viele Liebe zum Detail selbst ausgebauter grün schwarzer Fiat Ducato, der sie zuverlässig immer weiter Richtung Süden bringt. Im Moment sind sie auf einem Campingplatz in Galicien, im nordwestlichen Spanien. Wir zoomen, die beiden mit Blick auf den Atlantik, ich mit Aussicht auf den Teuto.
Die Verbindung ist überraschend gut – dank eines mobilen Routers, den sich Anna und Flo angeschafft haben, um von unterwegs gut arbeiten zu können. Anna ist zwei Tage in der Woche als Online-Marketingmanagerin aktiv und betreut die eigenen Social-Media-Kanäle, während Flo seine Selbstständigkeit im Bereich Networking und Persönlichkeitsentwicklung vorantreibt. Bob ist dabei Büro, Wohn- und Schlafzimmer und Küche. „Es ist erstaunlich, mit wie wenig man auskommen kann“, sagt Anna. „Wir haben schon 13 Kilogramm wieder nach Hause geschickt.“ Bob sieht innen eher aus wie ein Tiny House. Mit Steinwolle gedämmt und komplett mit hellem freundlichen Holz verkleidet. Die Arbeiten hat Flo übernommen.
„Das handwerkliche Geschick ist mir wohl in die Wiege gelegt worden“, lacht der 30-Jährige, der lange als Erzieher gearbeitet und erfolgreich Handball gespielt hat. „Mein Opa war Zimmermann und mein Vater Elektriker.“
Egal, wie gut man plant, oft kommt alles anders. „Das ist ein großes Learning der Reise“, stellt Anna fest. In San Vicente war alles für die Abfahrt gepackt, aber Bob sprang nicht an. „Da standen gleich zehn Spanier um uns herum, die uns helfen wollten und mit der Werkstatt telefonierten, da wir nur ein paar Sätze Spanisch sprechen. Das war eine tolle Erfahrung, dass es immer Menschen gibt, die einem helfen, wenn man nicht weiterkommt.“ Ein Gewöhnungsprozess war, dass eigentlich alles beim Campen mit mehr Arbeit verbunden ist als in einer Wohnung. Aber diese Bequemlichkeit haben die beiden schnell überwunden. „Dafür haben wir den größten Garten der Welt“, strahlt Flo. Die Freunde und die Familie fehlen den Reisenden schon manchmal und auch ein Rückzugsort wäre zuweilen schön. Aber dafür genießen sie die Freiheiten, die das Camperleben mit sich bringt, das Surfen an den schönsten Stränden Südeuropas und insgesamt ein entschleunigtes Leben. Mindestens ein Jahr soll die Reise dauern, da gilt es, das Budget gut im Griff zu haben.
„Wir versuchen, so oft wie möglich, an freien Plätzen zu übernachten“, so Anna. „Und ab und zu gehen wir auf einen Campingplatz, um das Abwasser abzulassen, Frischwasser aufzufüllen und Wäsche zu waschen.“
Je näher der Winter rückt, desto südlicher wollen die beiden Camper sein: Südspanien, Portugal und die Kanaren stehen zum Überwintern auf dem Programm. Zu Weihnachten kommt die Familie zu Besuch.
Und wenn die Reise irgendwann zu Ende ist, wollen Anna und Flo in Bielefeld sesshaft werden – bis zur nächsten Tour.
annasworldofwonder.de/vantour
Instagram: @anna.und.flo
Youtube: Anna und Flo
Tabea Kramer
UND IMMER DAS MEER
Manchmal ist es eine glückliche Fügung, wenn ein Plan nicht funktioniert. Eigentlich wollte Tabea Kramer mit ihrem Reisepartner von Kairo nach Kapstadt radeln. Einmal quer durch Afrika – auf dem Landweg. Jetzt ist sie in Ägypten im wahrsten Sinne des Wortes abgetaucht und hat im Tauch-Eldorado Hurghada eine neue Heimat gefunden.
„Tauchen ist wie fliegen unter Wasser. Man hört seinen eigenen Atem und kann ganz abschalten“, schwärmt die 31-Jährige, die nun andere Menschen für den Sport begeistert. Gleich ihrer ersten Schülerin konnte sie die Furcht vor dem Wasser nehmen. „Es war ein super Gefühl, sie nach dem ersten Tauchgang so happy zu sehen.“ Tabea hat ihren Platz am Roten Meer gefunden. Der Weg dahin war nicht so geradlinig. Im Februar 2019 kam sie mit ihrem Reisepartner am Kairoer Flughafen an – aber es waren nicht alle Taschen mitgekommen.
Hierin befanden sich neben der Malaria-Prophylaxe auch das komplette Kartenmaterial für die Radstrecke nach Kapstadt. „Wir hatten unsere Tour akribisch vorbereitet, weil wir uns nicht allein auf das GPS verlassen wollten. Das war ein herber Rückschlag“, erinnert sich Tabea.
Trotz aller Bemühungen, die Taschen blieben verschwunden und es ließen sich auch in Kairo keine zuverlässigen Karten beschaffen, um die Route zu rekonstruieren. „Wir sind dann erst mal mit dem Rad durch die Wüste in Richtung Hurghada gefahren, doch die Polizei hat uns gestoppt und wir mussten den Bus nehmen.“ Nach rund 460 Kilometer erreichten die beiden das Rote Meer und schnell war für Tabea klar: „Hier will ich bleiben.“
Immer der Sonne nach
Nach einem Abstecher nach Bali und Laos machte Tabea in Hurghada ihren Dive Master und die Ausbildung zur Tauchlehrerin. Jetzt geht sie für Egypt International Diving Center auf Tauchstation und kümmert sich um die Wünsche der Gäste – auch wenn es mal Beschwerden gibt. „Der Standard in Ägypten ist schon anders als in Europa“, erzählt die begeisterte Taucherin. „Das ist vielen Touristen nicht so bewusst.“ Mit ihrer herzlichen und diplomatischen Art gelingt es ihr, Verständnis zu wecken und etwaige Wogen zu glätten. An Ägypten schätzt sie nicht nur die Sonne. „Die Menschen haben ein unfassbar großes Herz und sind sehr hilfsbereit.“ In Hurghada bewohnt sie ein kleines Einraum-Apartment – mit Meerblick. Heimweh hat sie nicht. Schwierig war es während der Pandemie, als die Touristen ausblieben. Keine Arbeit bedeutete kein Einkommen. „Allein, ohne Familie im Lockdown samt Ausgangssperre, das war wirklich hart.
Meine Mutter hat mich in dieser Zeit unterstützt. Ein Jahr habe ich durchgehalten, dann ging es nicht mehr.“
Deshalb kam Tabea im Februar 2021 für zwei Monate zurück nach Bielefeld und arbeitete anschließend ein halbes Jahr in Hamburg in einer Arztpraxis. Doch die Elbe hielt dem Vergleich mit dem Roten Meer nicht stand. „Als der Flieger wieder gen Ägypten abhob, habe ich ganz tief in mir eine Vorfreude gespürt“, sagt sie.
„Das fühlte sich einfach richtig an.“
Daniela & Moudjahid Abu Tair
MIT HUGO IN DIE WELT
18.000 Kilometer, 13 Länder, 4 Monate. Allein diese Zahlen lassen auf jede Menge Abenteuer und Eindrücke schließen. Erst im Juli dieses Jahres sind Daniela und Moudjahid Abu Tair mit ihren fünf Kindern Sophia (12), Emilia (11), Jakob (10), Julia (7) und Johannes (1,5) von einer ungewöhnlichen Reise zurückgekehrt. Nicht nur die Route über Kroatien, Griechenland und die Türkei – entlang der Mittelmeerküste – bis in den Iran dürfte bei vielen das Fernweh schüren. Auch das Gefährt, mit dem die Familie unterwegs war, löst zweifellos Begeisterung aus: ein umgebauter rund 30 Jahre alter Feuerwehrwagen. 14 Tonnen schwer. „Er heißt Hugo, so wie mein Opa. Gefunden haben wir ihn in der Schweiz“, erzählt Daniela Abu Tair. Was für ihn sprach: Er hatte nur wenige Kilometer runter und bot der siebenköpfigen Familie genug Sitzplätze. „Und nach dem Umbau, den wir an Fachleute ausgesourct haben, verfügt er sogar über acht Schlafplätze, so dass meine Schwägerin Mariam uns auf einem Teil der Reise begleiten konnte“, freut sich Daniela Abu Tair, die vor dem Roadtrip – ebenso wie ihr Mann – in Sachen Camping ein unbeschriebenes Blatt war. Und auch erst durch Hugo zu ihrem LKW-Führerschein kam.
Entstanden war die Idee für diese Familienaktion während der Pandemie. Inspiriert von Reiseberichten, in denen Leute in umgebauten Vans die Welt bereisen. „Wir fanden die Idee sehr verlockend“, verrät Daniela Abu Tair, die mit ihrem Mann die Zeit von Hugos Umbau nutzte, um Routen zu erstellen und wieder zu verwerfen. „Wir sind dann einfach los und haben schließlich versucht, für den Iran ein Visum zu bekommen.“ Als das klappte, bemühte sich auch ihre Schwägerin um ein Visum. „Ich bin dann quasi Hals über Kopf los und über Istanbul nach Tabris geflogen“, erinnert sich Mariam Abu Tair, deren Gepäck am Zielort erst einmal zur Kontrolle rausgezogen wurde. „Kein Wunder, ich hatte die Bestellliste meiner Schwägerin abgearbeitet und neben Babymilch, Desinfektionsmittel und Gemüsebrühe auch etliche Schrauben für Hugo im Koffer. Zum Glück war das kein Problem!“
Kleine und größere Pannen gab es natürlich auch. Als nach Schiras Hugos Keilriemen und die Wasserpumpe streikten, stand die Familie quasi im Nichts. Glücklicherweise besaß die Familie die Telefonnummer eines Nomadenführers, den sie zuvor kennengelernt hatte. „Er setzte alles in Bewegung, um uns zu helfen“, so Daniela Abu Tair. Die große Hilfsbereitschaft, aber auch die Gastfreundschaft, auf die sie stießen, hat die Familie berührt. Mitgenommen hat sie darüber hinaus unzählige Erinnerungen an unterschiedlichste Länder: Die Größe der Türkei ist ihnen ebenso lebhaft im Gedächtnis wie die landschaftlichen Gegensätze im Iran – von der Varzaneh Wüste bis hin zum Gebirge. „Aber auch die reiche Geschichte und die Kulturschätze des Landes sind faszinierend“, findet Mariam Abu Tair. „Von Persepolis, der Ruinenstadt im Süden des Landes, über die altpersische Residenzstadt Pasargadae nordöstlich von Schiras bis hin zum historischen Basar in Tabris.“ Im Kopf planen die Abu Tairs schon die nächste große Tour mit Hugo. Sie soll Richtung arabische Halbinsel führen. „Unsere Reise ist etwas sehr Wertvolles, was wir uns bis dahin in den Rucksack gepackt haben“, unterstreichen sie.