NACHHALTIG

Wegwerfgesellschaft war gestern. Von Urban Farming bis hin zu nachhaltigem Bauen — eine grüne Arbeitswelt wartet auf die neue Generation von Berufs- und Studienanfängern. „Es findet ein wichtiger Umbau in vielen Berufsbildern statt“, macht Eva Stüker, Berufs- und Studienberaterin aus der Bielefelder Jugendberufsagentur deutlich. „Der Aspekt Nachhaltigkeit rückt immer stärker in den Fokus.“

Die Wirtschaft muss nachhaltiger werden, um zukunftsfähig zu sein und dafür braucht es gut ausgebildete Fachkräfte mit nachhaltigen Kompetenzen. Und zwar in Handwerk, Technik und Naturwissenschaften. Denn immer mehr Unternehmen setzen Themen wie CO2-Reduktion und -vermeidung, Klimaneutralität, Ressourcenschonung, nachhaltige Produkte, Kreislaufwirtschaft oder Remanufacturing auf ihre Agenda. Zum einen aufgrund gesetzlicher Vorgaben, die sich aus dem Pariser Klimaschutzabkommen, den 17 Nachhaltigkeitszielen der UN (Sustainable Development Goals) und dem European Green Deal ergeben, zum anderen wandelt sich das Bewusstsein der KundInnen. Und so stehen allen, die sich nicht nur privat, sondern auch beruflich für Natur- und Umweltschutz einsetzen möchten, vielfältige berufliche Möglichkeiten offen. Von innovativer Energietechnik über den Erhalt natürlicher Lebensräume bis hin zur Umsetzung nachhaltiger Mobilitätskonzepte reicht das Spektrum. Der Wandel war für die Berufs- und Studienberatung der Agentur für Arbeit auch der Anlass, im Rahmen ihres Sommerprogramms im letzten Jahr erstmalig einen Workshop zu nachhaltigen Berufsfeldern zu veranstalten. „Man kennt bestimmte Berufe und schaut bei den ungewöhnlichen weniger hin“, weiß Eva Stüker aus Erfahrung. Schließlich gibt es allein 450 anerkannte Ausbildungsberufe – davon 130 schulische und 320 betriebliche Ausbildungsberufe – sowie rund 10.000 Bachelorstudiengänge für Abiturienten, unter denen sie auf dem Weg ins Arbeitsleben wählen können. „Zur Orientierung stellen wir Informationen zusammen, wobei wir u. a. unsere Kontakte zu Betrieben und Hochschulen nutzen. Neben Veranstaltungen für Gruppen liegt unsere Kernaufgabe in der individuellen Beratung von jungen Menschen. Dazu gehen wir auch regelmäßig in die Schulen“, beschreibt Eva Stüker das Aufgabenfeld der Studien- und Berufsberatung. „Dabei begegnet uns oft die Sorge, sich angesichts der vielen Angebote zu früh festzulegen.“ Die erfahrene Berufs- und Studienberaterin versucht den Druck rauszunehmen. „Doch das große Ganze sollte gefallen. Wenn jemand zu 80 Prozent sagen kann ‚Das gefällt mir!‘ ist das schon eine gute Basis“, stellt die 57-Jährige fest. „Das gilt natürlich auch für die Vielzahl an Berufen mit nachhaltigen Komponenten. „Es ist ein wichtiges Thema und uns erreichen zunehmend Anfragen junger Menschen.“ Im Bereich Landwirtschaft/Natur scheint der Bezug zum Thema Nachhaltigkeit von Natur aus gegeben. Zu den Klassikern zählen Ausbildungen wie GärtnerIn Garten und Landschaftsbau, Pflanzentechnologie, LandwirtIn oder ForstwirtIn. Exotischer mutet da schon eher die Weiterbildung zur Fachkraft für Waldökologie an. Auch in punkto Studium gesellen sich zu traditionellen Studiengängen wie Agrarwirtschaft, Garten- und Landschaftsbau oder Ökologische Landwirtschaft inzwischen interessante neue: vom Urban und Vertical Farming bis hin zu Baumwissenschaften. Weitere Spezialisierungen bieten inzwischen auch Masterstudiengänge wie urbanes Pflanzen- und Tierraummanagement. „Da geht es zum Beispiel um klimaschonende urbane Indoor-Produktionsanlagen, die künftig lange Transportwege überfl üssig machen“, so Eva Stüker. Apropos Transportwege. Ein ganz großes Zukunftsfeld ist die Mobilität, die nachhaltiger und klimaschonender gestaltet werden muss. Ob E-Autos oder E-Bikes, ob Stadtplanung oder Logisti k – die Bandbreite, die es zu betrachten gilt, ist groß. Berufsfelder, wie KFZ-MechatronikerIn, ZweiradmechatronikerIn, EisenbahnerIn im Betriebsdienst oder Kaufmann/Kauffrau für Speditions- und Logisti kdienstleistungen befinden sich im Wandel und bieten spannende Optionen. Ebenso wie ein Studium im Bereich Fahrzeugtechnik, Verkehrsingenieurwesen, Bahningenieurwesen, Elektromobilität, Logisti k oder Mobilitätsmanagement. Ein weiteres großes Zukunftsfeld ist das Thema Wasser.

„Es werden ExpertInnen gebraucht, wenn es um ökologische Fragestellungen rund ums Wasser geht“, erklärt Eva Stüker. Zu den klassischen Ausbildungsberufen zählen u. a. die zur Fachkraft Wasserwirtschaft, zur Fachkraft Abwassertechnik oder zur WasserbauerIn. „Nachhaltige Aspekte werten diese Berufe inzwischen auf“, so die Berufs- und Studienberaterin. „Und es sind wichtige Handlungsfelder, auf denen man Themen der Nachhaltigkeit durch Weiterbildungen aufsatteln kann. Auch mit Blick auf neue Gesetzgebungen in diesem Bereich.“ Zu den Studiengängen, in denen das Thema Wasser im Fokus steht, gehören u. a. Wasserwirtschaft, Landnutzung und Wasserwirtschaft oder auch Hydrowissenschaften. Möglichkeiten Umwelt- und Klimaschutz beruflich in den Fokus zu rücken, gibt es natürlich auch im Bereich Energie oder rund um das Themenfeld Architektur und Bauen. Die Ausrichtung auf mehr Nachhaltigkeit wird u. a. im Bereich Energie- und Gebäudetechnik oder in der Kältetechnik sichtbar. „Das Thema nimmt deutlich mehr Fahrt auf. Greenbuilding steht neben dem Klassiker Architektur“, erklärt Eva Stüker. Auch Studiengänge wie Nachhaltige Ingenieurwissenschaften oder Nachhaltige Gebäudeplanung zielen in diese Richtung. Klassische Berufsausbildungen bieten aus Sicht der Berufs- und Studienberaterin übrigens eine ebenso gute Basis und Entwicklungsmöglichkeiten wie ein Studium. „Und, wie gesagt, auch in traditionellen handwerklich-technischen Ausbildungsberufen, wie zum Anlagenmechaniker, werden zunehmend neue nachhaltige Inhalte integriert“, macht die 57-Jährige deutlich. Ebenso sind in den letzten Jahren viele neue Studienrichtungen hinzugekommen, die genau diesen Themenkanon aufnehmen. „Die Hochschulen haben die Möglichkeit, ihr Profil zu schärfen und sich abzuheben“, betont Eva Stüker. Insgesamt gilt: Von der Stadtplanung, Energie über Mobilität bis hin zur Müllentsorgung – die politischen Weichen sind gestellt. „Dadurch wird sich das Thema auf dem Arbeitsmarkt weiter dynamisch entwickeln“, ist sich Eva Stüker sicher. „Wir machen den Fächer auf. Vielen jungen Leuten ist nicht klar, wie breit dieser ist. Vor allem aber gucken wir, wo jeder steht. Der einzelne Mensch steht für uns in der Beratung im Fokus. Denn: Nachhaltigkeit ist eine Haltung, aber noch kein Beruf.“

Employer Branding
MIT BEWUSSTSEIN FÜR NACHHALTIGKEIT

Das Thema Nachhaltigkeit gewinnt an Bedeutung. Und spielt auch beim Employer Branding längst eine Rolle. Die eigenen Mehrwerte optimal im Recruiting zu vermarkten und eine überzeugende Arbeitgebermarke aufzubauen, ist heute auch entscheidend, um off ene Stellen mit Fachkräften zu besetzen. Warum das so ist und wie sich das auf Unternehmen, aber auch für Mitarbeitende auszahlt, erläutert Prof. Dr. Ingo Ballschmieter; Dekan Fachbereich Wirtschaft an der Fachhochschule des Mittelstands (FHM) und Wissenschaftlicher Leiter Open Innovation City.

Warum spielt das Thema Nachhalti gkeit beim Employer Branding eine Rolle?

Zum einen spielen Aspekte wie Klima und Umweltschutz, faire Arbeitsbedingungen oder Diversität für immer mehr Menschen eine wichtige Rolle. Sie achten selbst darauf, zum Beispiel beim Kauf von Produkten, bei ihrer Ernährung oder ihrem Freizeitverhalten. Es ist daher nur logisch, dass ihnen nachhaltiges Verhalten ihres zukünftigen Arbeitsgebers auch wichtig ist. Zum anderen stehen Unternehmen mittlerweile vor zahlreichen Aufgaben im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit: in der Produktentwicklung, der Produktion, bei Zertifizierungen, im Marketing usw. Daher benötigen sie auch immer mehr Fachkräft e, die Kompetenzen im Bereich Nachhaltigkeit mitbringen.

Was bedeutet das für Unternehmen?

Über das Employer Branding kann ein Unternehmen wichti ge Informati onen von sich preisgeben, u. a. „Welche Werte vertritt das Unternehmen? Wie werden die Produkte hergestellt? Welche Arbeitsbedingungen herrschen vor?“ Bei der Ansprache von Fachkräft en sollten Unternehmen ihre Arbeitgebermarke daher gezielt mit Nachhalti gkeitsaspekten verknüpfen und ihre Leistung in diesemBereich in der Kommunikati on noch stärker in den Vordergrund stellen, um die wichti ge Zielgruppe gezielt anzusprechen. Wichti g dabei: ehrlich und glaubwürdig bleiben, sonst kann die Arbeitgebermarke sogar Schaden nehmen.

Wie sieht – ganz praxisnah – der Mehrwert für künft ige Mitarbeitende aus?

Fachkräfte, denen Nachhaltigkeit wichtig ist, werden sich lieber bei einem Unternehmen bewerben, das zu ihren Wertevorstellungen passt. Sie werden zudem eher Vertrauen in ein Unternehmen aufbauen, das seine Aktivitäten in diesem Bereich glaubwürdig darstellt. Damit steigt dessen Attraktivität als Arbeitgeber für die Fachkräfte. Einmal im Unternehmen, werden die Fachkräfte sicherlich mit Motivation daran mitwirken, Nachhaltigkeitsthemen weiter voran zu bringen, was sich positiv auf ihre Zufriedenheit und Bindung zu dem Arbeitgeber auswirken kann. Und das werden sie sicherlich auch gerne in ihrem Umfeld weitererzählen.