Interview: Birgit Stehl von der Handwerkskammer OWL zu Bielefeld
Internationalität, Diversität und Digitalisierung – im Handwerk geht was. Auch in Sachen Ausbildung. Denn die 130 Ausbildungsberufe im Handwerk sind so vielfältig wie die Menschen, die in diesen Bereichen arbeiten. Ob im Lebensmittelgewerbe oder im Bereich Gesundheits- und Körperpflege. Multitalente beim Innenausbau und im Holzgewerbe finden im Handwerk ebenso ihre Herausforderungen wie Spezialisten für das Elektro- und Metallgewerbe. Dennoch mangelt es in vielen Bereichen an Nachwuchs. Im Interview: Birgit Stehl, Geschäftsführerin und Leiterin Berufsbildung und Recht, von der Handwerkskammer Ostwestfalen-Lippe zu Bielefeld.
Birgit Stehl, Geschäftsführerin und Leiterin Berufsbildung und Recht, von der Handwerkskammer Ostwestfalen-Lippe zu Bielefeld.
Birgit Stehl: Große Unternehmen verfügen in der Regel über mehr Personal für die Nachwuchsgewinnung. In kleinen Betrieben muss sich der Chef/*in neben der eigentlichen Tätigkeit auch noch zusätzlich um das Thema Personal kümmern, für das dann oftmals nur wenig Zeit bleibt. Die Handwerkskammer OWL gibt hier mit zahlreichen Angeboten für Arbeitgeber Hilfestellung. Beispielsweise werden im Projekt „Passgenaue Besetzung“ kleine und mittelständische Unternehmen bei der Besetzung von Ausbildungsplätzen unterstützt: In einem persönlichen Gespräch im Betrieb wird ein Profil für die Ausbildungsstelle und für den zukünftigen Azubi erstellt. Die Handwerkskammer übernimmt daraufhin die Bewerberakquise, indem auf zahlreiche Kanäle, wie Ausbildungsbörsen und Schulkontakte, zurückgegriffen wird und bringt so Azubi und Unternehmen „passend“ zueinander.
In einem weiteren Projekt werden Kleinst- und Kleinbetriebe beraten, wie sie am Arbeitsmarkt attraktiv wahrgenommen werden können. Erschwerend kommt bei der Nachwuchsgewinnung hinzu, dass die jungen Menschen oftmals die Chancen und Möglichkeiten, die eine duale Ausbildung bietet, nicht kennen. Auch hier versucht das Handwerk mit zahlreichen Aktivitäten und Aufklärungskampagnen gegenzusteuern.
Birgit Stehl: Betriebe müssen für sich und ihr Gewerk sowie die Chancen und Möglichkeiten, die eine duale Ausbildung und darüber hinaus bietet, werben. Dies kann zum Beispiel auf Messen, in Schulen und vor allem auch über Social Media geschehen. Zudem sind begeisterte Azubis und Mitarbeiter die beste Werbung für Betriebe.
Birgit Stehl: Jungen Leuten ist es wichtig, dass sie Erfüllung in ihrem Beruf finden. Neben guten Arbeitsbedingungen sind auch Faktoren, wie ein gutes Arbeitsklima, Möglichkeiten der Fort- und Weiterbildung sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf von Bedeutung. Nicht nur die Betriebe sind gefragt, wenn es um Fachkräfte für morgen geht.
Birgit Stehl: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Handwerkskammer stehen beispielsweise als Bildungslotsen Schüler*innen in der Berufsorientierungsphase zur Seite, in dem sie rund um die duale Ausbildung informieren und bei der Suche von Ausbildungs- / und Praktikumsplätzen helfen.
Birgit Stehl: Durch vielfältige Maßnahmen: Sie präsentieren sich auf Jobmessen oder Azubi-Speeddatings, um nur einige Beispiele zu nennen. Darüber hinaus bieten sie Praktikumsplätze an.
Birgit Stehl: Hier gibt es noch viel Nachholbedarf. Oftmals kennen die Jugendlichen nur eine Handvoll Berufsbilder und damit nicht die Vielfalt, der über 130 Ausbildungsberufe im Handwerk. Oft basieren die Kenntnisse zudem noch auf tradierten Rollenbildern. Hier setzen wir an, in dem wir in Schulen, auf Berufsbörsen, im Internet auf den Social Media aktiv aufklären über die Berufsbilder und Möglichkeiten im Handwerk informieren. Parallel bewerben wir das Handwerk seit fast zehn Jahren mit einer bundesweiten Imagekampagne.
Birgit Stehl: Die Rolle der Eltern ist oft richtungsweisend für die berufliche Entscheidung vieler Jugendlicher. Darum setzen wir verstärkt und früh auf die Kommunikation mit den Eltern.
Birgit Stehl: Gerade in strukturschwachen Gegenden spielt die Mobilität eine immer größere Rolle. Das Azubiticket ist eine gute Möglichkeit, den Radius der Azubis zu vergrößern.
Birgit Stehl: Ein moderner Ausbildungsbetrieb sollte die jungen Leute auf das Arbeitsleben vorbereiten, dazu gehören digitale Fähigkeiten ebenso wie traditionelles handwerkliches Rüstzeug. Ergänzend sollte der Betrieb Möglichkeiten der Fort- und Weiterbildung aufzeigen und anbieten.
Birgit Stehl: Der Dreiklang von Azubi – Geselle – Meister ist eine Erfolgsgeschichte des deutschen Handwerks. Man lernt von erfahrenen Meistern und verdient nebenbei Geld. Durch die entsprechende Fortbildung und Weiterbildung ist ein beruflicher Aufstieg somit möglich. Die duale Ausbildung legt die Basis für eine vielversprechende berufliche Karriere.
PER WHATSAPP // BERUFE-CHECKER
Alle Infos zu Berufen im Handwerk gibt es jetzt auch per WhatsApp unter handwerk.de/whatsapp. Einfach fünf Fragen beantworten und sich Schritt für Schritt den Ausbildungsberufen nähern. Schließlich gibt es über 130 Ausbildungsberufe im Handwerk.
Stephanie Ernst, Lehrlingswartin der Raumausstatter
Wir sind als Innung aktiv, um dem Lehrlingsrückgang bei den Raumausstattern entgegen zu wirken. Leider ist auch die Anzahl der Betriebe, die ausbilden rückläufig. Wir machen uns dafür stark, über das Berufsbild zu informieren und wollen interessierten SchülerInnen ein klares Bild von den vielfältigen Aufgabenbereichen vermitteln. Wir verlegen Bodenbeläge, kleiden Wände und Decken mit Tapeten und Stoffen aus, übernehmen Polsterarbeiten oder montieren Sicht- und Sonnenschutzanlagen. Es ist ein Handwerksberuf, der mit körperlicher Arbeit verbunden ist. Dreck und Bohrmaschine gehören dazu. Als Innung präsentieren wir uns auf Lehrlingsbörsen und Berufsinformationsmessen. Auch mit größeren Aktionen machen wir immer mal wieder auf uns aufmerksam. Wir haben schon mal die Sparrenburg verhüllt und uns beim Stadtjubiläum beteiligt“, erklärt die Bielefelder Raumausstattermeisterin, Raumausstattung Ewert e.K.
Frank Stickan, Lehrlingswart bei den Zimmerern
Wenn wir junge Leute für Praktika gewinnen, kommen einige von ihnen in der Tat auf den Geschmack und können sich auch eine Ausbildung vorstellen. Allerdings gibt es längst nicht so viele Auszubildende wie notwendig wären, um den Bedarf an Fachkräften – auch künftig – zu decken. Auf der anderen Seite ist eine Ausbildung für Betriebe – besonders, wenn es um Zimmerer geht – auch sehr kostenintensiv. Als Innung gehen wir in Schulen, aber auch auf Berufswahlmessen, um das Interesse an unseren Ausbildungsberufen Zimmerer und Dachdecker zu wecken. Gleichzeitig werben wir in Meisterklassen dafür, sich in der Innung zu engagieren. Um Stärken zu bündeln, haben wir die beiden Gewerke vor einigen Jahren in einer Innung zusammengeschlossen“, erklärt der Dachdecker- und Zimmerermeister von der Stickan Zimmerei, Dachdeckerei und Bauklempnerei.