NADINE CONNOR
Sie hat beruflich schon vieles in ihrem Leben ausprobiert. Dabei hat Kultur immer eine große Rolle gespielt. Seit Juni 2024 ist Nadine Connor Kulturmanagerin bei der Bielefeld Marketing und wirft einen frischen Blick auf die Stadt. Wir haben mit der 38-Jährigen gesprochen – u. a. über ihre Sicht auf Bielefeld, Inklusion und warum Kultur ein Rausch ohne Nebenwirkungen ist.
Nadine, von Berlin nach Bielefeld – war das ein Kulturschock?
(lacht) Nein, ich wusste, worauf ich mich einlasse. Weil ich in Bad Oeynhausen geboren bin und in meiner Jugend auch in Bielefeld gelebt habe, ist die Stadt ein Stück Heimat. Aber es hat sich in den 12 Jahren, in denen ich in Berlin gewohnt habe, hier so viel entwickelt, dass ich mich beinahe als Neu-Bielefelderin fühle.
Was war Deine Aufgabe in Berlin?
Ich habe im Deutschen Historischen Museum als Ausstellungsgestalterin gearbeitet. Zusammen mit meinem Kollegen habe ich die Theorie, also das, was Kuratoren, Künstler, Wissenschaftler entwickelt haben, in die Praxis umgesetzt. Und das in Zusammenarbeit mit Restauratoren, Handwerkern und anderen. Als Ausstellungsgestalterin hatte ich zu allen Kontakt, insbesondere zum Marketing und der Finanzabteilung. Wir haben für jede Ausstellung ein Modell gebaut, um das sich alle an der Ausstellung Beteiligten versammelt haben. Zum Teil hatten wir 500 Objekte, die alle abgebildet wurden.
So konnten wir ganz praxisorientiert zusammen daran arbeiten, was wo ausgestellt werden soll und wie die Ausstellung aussehen und von den Besucherinnen und Besuchern erlebt wird. Mit allen musste ein Konsens gefunden werden – das war eine große Kommunikationsaufgabe.
Kommunikation zählt zu Deinen Stärken?
Ich tausche mich sehr gern mit anderen Menschen aus. Das ist es auch, was ich in den ersten Wochen in meinem neuen Job als Kulturmanagerin getan habe und weiterhin tue. Ich habe ganz viele Einrichtungen und Kulturorte der Stadt besucht und mit den Verantwortlichen gesprochen. Ich möchte den Spirit der einzelnen Orte aufnehmen. In vielen Einrichtungen findet ein Generationenwechsel statt – und der Kulturbereich wird durch jüngere Führungspositionen auch weiblicher. Ich freue mich sehr, dass ich mich nun in der Transitzone von Generation und Geschlecht bewege und Teil davon bin. Das ist ein spannender Wandel, der sich gerade in der Stadt Bielefeld vollzieht, der viel Potenzial und innovative Entwicklungen verspricht.
Was bedeutet dieser Wandel für Bielefeld?
Hierbei geht es darum, sich als Stadt zukunftsfähig aufzustellen. Eine starke und schillernde Kulturlandschaft ist ein Wettbewerbsvorteil für Städte. Kultur ist dabei ein großes Thema und verbindet Menschen. Kulturelle Veranstaltungen und Erlebnisse lotsen Menschen in die Stadt, schaffen Raum für Begegnung. Ich setze hier auch stark auf die jüngere Zielgruppe, die ich aktiv einbinden möchte. Deshalb interessiert es mich, mit welchen Themen sich die Jüngeren befassen. Ich möchte sie zum Mitmachen bewegen, dann fühlen sich Menschen ganz anders mitgenommen, weil sie selbst etwas auf die Beine stellen. Der Fokus liegt nach meinem Empfinden bei dieser Generation stark auf sozialen Aspekten. Nachhaltigkeit ist beispielsweise ein großes Thema und danach wird auch der zukünftige Lebensraum ausgesucht.
Inklusion ist ein Herzensthema von Dir. Warum?
Hier sehe ich noch viele Entwicklungsmöglichkeiten. Das ist vergleichbar mit dem Thema „Nachhaltigkeit“. Da wird – wie bei Inklusion – gesagt: Und das macht ihr jetzt bitte auch noch. Da verwundert es nicht, dass die Menschen darauf wenig Lust haben. Aber im Grunde möchten wir alle ja genau diese wichtigen Themen angehen. Wir wollen uns entwickeln und manchmal braucht es einen ersten Impuls, um zu starten. Wenn wir Veranstaltungen, wie eine Ausstellung, inklusiv konzipieren, indem wir beispielsweise Stationen mit haptischen Elementen schaffen und insgesamt mehrere Sinne ansprechen, haben alle einen Mehrwert, die die Ausstellung besuchen. Außerdem haben wir mit Bethel die Zielgruppe genau vor der Haustür, die können wir noch besser abholen. Kultur und Inklusion sind Themen, die ineinandergreifen, neue Ideen und Innovation freisetzen.
Was hast du dir im Kulturmarketing vorgenommen?
Es gibt sehr, sehr viele Schnittstellen, an denen ich als Kulturmanagerin andocken kann. Insgesamt gesehen möchte ich die bestehenden Marketinginitiativen und Entwicklungen bündeln und weiter stärken, um die Sichtbarkeit der Bielefelder Kultur zu erhöhen. Eine Plattform bilden, um innerhalb der Stadt für mehr Sichtbarkeit für Kultur zu sorgen. Ich bin fasziniert von der Vielfalt und dem Facettenreichtum – und das obwohl ich viele Jahre in Berlin gelebt habe. Für Bielefeld gilt, diese vielen kleinen und großen kulturellen Kreise bekannter zu machen, neues Interesse zu wecken und für mehr Zugänglichkeit zu sorgen. Das ist die Herausforderung.
Hat Kultur heute weniger einen Bildungsauftrag als früher?
Meiner Ansicht nach hat Kultur weiterhin selbstverständlich einen Bildungsauftrag, schließlich werden dafür zum Teil öffentliche Gelder verwendet. Aber der Zugang verändert sich – der Türöffner kann ein anderer sein. Das Angebot ist niederschwelliger geworden, um möglichst viele Menschen durch Spaß an der Kultur zu erreichen. Meiner Erinnerung nach „Es begeistert mich, dass Kultur die Macht hat, Emotionen auszulösen.“ 87 war der Schulausflug ins Museum früher eine eher dröge Pflichtveranstaltung. Das hat sich durch diverse tolle Vermittlungsangebote sehr geändert. Es werden heute zahlreiche zielgruppenorientierte Formate entwickelt. Die Kinder und Jugendlichen werden dadurch abgeholt und mitgenommen. Wer schon im Kindesalter mit seinen Eltern für einen Sonntagsausflug ins Museum geht, empfindet diesen Ort als völlig normal und nicht als weihevolle Bildungsstätte mit hohen Hürden.
Wie können Barrieren verschwinden?
Es hat sich bewährt, kulturelle Orte mit Gastronomie zu verbinden. So nach dem Motto: Wir gehen einen Kaffee trinken und eine Ausstellung gibt es auch noch. Dadurch werden Menschen, die nicht so gezielt Kultureinrichtungen aufsuchen, gut abgeholt. Solche kleinen Teaser wirken oft sehr gut. Ein gutes Beispiel sind die Nachtansichten; da ist die Stadt jedes Mal voll und die Menschen können nach Herzenslust Museen, Kirchen und Galerien ausprobieren. Kultur sollte nicht zu hoch aufgehängt werden, damit der Besuch leichtfällt. Mir gefällt auch die Idee des Theaters sehr gut, anhand einer humorvollen Veranstaltung zum Beispiel eine Oper zu erklären. Gerade im klassischen Bereich ist es gut, Menschen an die Hand zu nehmen und auf Augenhöhe zu kommunizieren.
Warum bist Du eigentlich bei der Kultur gelandet?
Es begeistert mich, dass Kultur die Macht hat, Emotionen auszulösen. Das ist wie ein kleiner Rausch ohne gefährliche Nebenwirkung. Abgesehen davon, dass man vielleicht immer mehr Kultur möchte. Kultur öffnet den Geist und eröffnet Möglichkeiten, in eine neue Welt einzutauchen. Wenn ich ein schönes Event oder ein tolles Konzert in Bielefeld erlebt habe, bleibt mir das lange in Erinnerung. Insgesamt glaube ich, dass die positiven Erlebnisse, die wir durch Kultur haben, auch gut für unser Wohlbefinden sind und gleichzeitig auch für unsere Stadt. ✔