REISEN MIT SINN

Reisen, nur um des Reisen willens? Viele machen sich inzwischen auf den Weg in fremde Länder ohne den klassischen Reisegedanken im Gepäck. Sie reisen um zu helfen und investieren neben ihrer Freizeit viel Herzblut in Projekte, die sie in fremden Ländern voranbringen wollen, Eindrücke aus anderen Kulturen inklusive. Ingenieurtechnische Projekte in der Entwicklungszusammenarbeit umzusetzen, treibt die Bielefelder Regionalgruppe von Ingenieure ohne Grenzen an. Hier engagiert sich seit 2019 auch die Bielefelderin Kathrin Schmidt.

Viele fassen den Vorsatz etwas Sinnvolles im Leben zu machen. Doch längst nicht jeder lässt diesem Wunsch Taten folgen. Kathrin Schmidt ist eine, die aktiv geworden ist. „Ich hatte Lust auf ein Ehrenamt und auf etwas, was mich außerhalb meines Berufs erfüllt“, sagt die Erziehungswissenschaftlerin mit Schwerpunkt Erwachsenenbildung. Um sich zu orientieren, suchte die 31-Jährige erst einmal online, stieß auf Ingenieure ohne Grenzen und nahm Kontakt zur Bielefelder Regionalgruppe auf. „Ich fand das, was Ingenieure ohne Grenzen bewegt, einfach spannend. Zum einen, weil es inhaltlich und fachlich weit weg von dem ist, was mich beruflich beschäftigt. Zum anderen finde ich Entwicklungszusammenarbeit sehr interessant.“ Auch der Gedanke für Ingenieure ohne Grenzen ins Ausland zu reisen, reizt sie. Schließlich ist die Bielefelderin durchaus reiselustig und hat bereits viele Länder, wie Israel oder Thailand, bereist. „Allerdings muss ein Auslandseinsatz für Ingenieure ohne Grenzen Sinn ergeben“, betont Kathrin Schmidt auch mit Blick auf die Finanzierung der Projekte. „Es muss immer einen Mehrwert vor Ort geben, der es rechtfertigt, dort zu sein. Da muss man natürlich schauen, welche Kompetenzen gerade bei den einzelnen Projekten benötigt werden. Das könnte bei mir der Fall sein, wenn es um Wissensvermittlung oder auch Schulen geht.“ Doch bevor ein Projektteam darangehen kann, ein Projekt vor Ort zu realisieren, braucht es viel Vorlauf. Das gilt auch für das aktuelle gemeinsame Uganda-Projekt der Regionalgruppen Bielefeld und Paderborn, das fast durch die Pandemie ausgebremst worden wäre. Denn: 2020 stand eine Erkundungsreise der Projektgruppe nach Uganda an. „Bei dem Projekt geht es – gemeinsam mit unserem Partner Suubi Community Projects – darum, die Infrastruktur für Sehbeeinträchtigte, Schüler*innen wie Lehrer*innen, am Iganga Centre for the Blind zu verbessern“, so Kathrin Schmidt.

Die Unterkünfte sollen ebenso wie die Sanitäranlagen erweitert und der Zugang zu sauberem Wasser ausgebaut werden. Das Projekt ist Teil des Programmes „Grundversorgung für Schulen“ und auf ca. drei Jahre angelegt. „Wir hatten bereits drei Personen aus unserer Projektgruppe ausgewählt, die zur Erkundung nach Uganda reisen sollten. Dann kam Corona und uns war schnell klar: Eine Ausreise funktioniert nicht“, erzählt Kathrin Schmidt. Nicht zu reisen, war für die Bielefelderinnen und Paderbornerinnen ein echtes Dilemma. Sich vor Ort ein Bild von der Situation zu machen, ist für die Organisation extrem wichtig. „Ein echter Glücksfall war, dass unsere US-Partnerorganisation ‚Engineers Without Borders‘ in Uganda war. Durch sie konnten wir remote die Situation vor Ort erkunden. Das passte von den Strukturen, unseren Visionen, Missionen und Werten“, stellt Kathrin Schmidt noch rückblickend fest. Auch der Zeitplan ist durch die Unterstützung nicht ins Stocken geraten. Für das Jahr 2022 plant die Bielefelder Regionalgruppe den nächsten Schritt: die Implementierung. Dann heißt es für die ausreisenden Ehrenamtlichen: Koffer packen.

Die Projekte selbst sind so angesiedelt, dass sie nach Projektende auch ohne Ingenieure ohne Grenzen funktionieren. Aspekte wie Funktionalität und Nachhaltigkeit der Projekte stehen im Fokus. Menschen einen menschenwürdigen Zugang und Teilhabe an Infrastruktur zu ermöglichen, ist das Ziel. Dabei sollen die Menschen vor Ort eigenständig handeln können. Nach dem Prinzip „Hilfe zur Selbsthilfe“. „Wir realisieren unsere Projekte´als Partner der Menschen vor Ort. Das Entscheidende ist, dass diese von den Menschen angenommen werden.
Interkulturelle Kommunikation ist daher ein wesentlicher Bestandteil unserer Projekte“, macht Kathrin Schmidt deutlich. „Wichtig ist es, sich auf Augenhöhe zu begegnen. Respekt vor der Kultur und den Menschen mitzubringen.“ Daher gibt es zur Vorbereitung auf einen Auslandseinsatz für die Ehrenamtlichen von Ingenieure ohne Grenzen unterschiedlichste Workshops: vom Ausreise-Workshop bis hin zur interkulturellen Kommunikation. „Eine erfahrene Person bei einem Auslandseinsatz dabei zu haben, ist natürlich hilfreich. Aber wir wollen auch Diversität abbilden und Männer wie Frauen vor Ort wissen. Auch das ist für die Kommunikation vor Ort hilfreich. Überhaupt ist eine offene Haltung wesentlich für den Erfolg unsere Projekte weltweit“, weiß die Erziehungswissenschaftlerin, die, obwohl sie nicht nach Uganda reisen wird, viel für sich mitnehmen kann.