ZIG OWL
Es fehlt an Haus- und Kinderärzten, die medizinische Versorgung im ländlichen Raum ist gefährdet, Personalmangel in der Pflege – solche Botschaften prägen derzeit das Bild vom Gesundheitsbereich. Gute Lösungen sind gefragt. Seit 1999 vernetzt das „Zentrum für Innovation in der Gesundheitswirtschaft OWL“ – kurz ZIG OWL – zahlreiche regionale und überregionale Akteure mit dem Ziel, gesundheitliche Versorgung zu verbessern, innovative Produkte zu fördern sowie die Entwicklung neuer Gesundheitsdienstleistungen zu unterstützen. Zu den über 40 Mitgliedern zählen Kliniken und Dienstleister, Unternehmen, Verbände sowie Hochschulen und Forschungseinrichtungen.
Bielefeld ist, was die Gesundheitsversorgung anbelangt, vergleichsweise ganz gut aufgestellt“, berichtet Uwe Borchers, Geschäftsführer des ZIG OWL. „In den ländlichen Regionen sieht das anders aus. Eine Studie der Robert Bosch Stiftung prognostiziert, dass 2035 bundesweit 11.000 Hausärzte fehlen werden. Davon ist dann auch OWL betroffen, und das ist heute schon spürbar.“
Eine der Ideen, dagegen anzugehen, ist die Errichtung größerer Praxen als medizinische Versorgungszentren. Dort können sich Ärztinnen anstellen lassen, in Vollzeit oder Teilzeit, hätten flexiblere Arbeitszeiten und bessere Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie. „Und wenn man den Gedanken weiterentwickelt, können auch die weiteren Gesundheitsberufe unter einem Dach gebündelt werden – samt Café für eine gute Aufenthaltsqualität. Auf solche Gesundheitszentren setzen auch andere Regionen“, erklärt der Geschäftsführer. Die Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten an der neuen Medizinischen Fakultät ist ein besonderer Gewinn für OWL. Man setzt darauf, dass ein Teil der Studierenden nach ihrem Abschluss in der Region bleiben. Der vom ZIG mit weiteren Partnerinnen initiierte gemeinnützige Verein MED OWL unterstützt dieses Ziel und begeistert die Medizinstudierenden mit einem Willkommensprogramm für OWL. Außerdem entwickeln sich neue Schwerpunkte der Medizin- und Gesundheitsforschung in der ganzen Universität sowie an den Krankenhäusern des Universitätsklinikums OWL und den Lehr- und Forschungspraxen. „Das ist auch für die Wirtschaft von Interesse – und für Fachkräfte, die sehen, dass OWL schon heute ein hochinteressanter Standort für Innovation rund um Medizin und Gesundheit ist. Die ganze Region wird davon profitieren“, ist sich Uwe Borchers sicher und verweist auf die Hochschulen für angewandte Wissenschaften, an denen – oft in Kooperation mit Unternehmen – auch ganz praktische Hilfen für Patient*innen entwickelt werden, z. B. eine App zur Sturzprophylaxe bei Parkinson-Erkrankung.
Smarte Unterstützung
Digitale Technik kann helfen, das Personal in Krankenhäusern und Arztpraxen zu entlasten. „Wenn in der Hausarztpraxis die Anamnese digital erfolgt, vereinfacht das die Abläufe. Eine Praxis in Halle testet das gerade mit Erfolg. Aber auf Digitalisierung allein zu setzen, ist keine gute Lösung“, betont Uwe Borchers. „Digitale Technik soll dazu dienen, die Versorgung der Menschen zu verbessern.“ Zum Beispiel wenn alle, die mit Patientinnen arbeiten, einen gemeinsamen Blick auf die Patientenakte hätten. Die Digitale Gesundheitsplattform OWL ist so eine innovative Lösung, die von fünf Paderborner Krankenhäusern mit dem Praxisnetz Paderborn umgesetzt wurde. Der professionelle Austausch von Gesundheitsdaten und Arztbriefen erfolgt hier nach aktuellen Standards, und die Patientinnen können sich einloggen und selbst entscheiden, wer welche Befunde einsehen darf. Ein Projekt, das auf andere Regionen übertragbar ist. Und wie sehen die Bürgerinnen auf die Zukunft der Pflege? Dazu hat das ZIG gemeinsam mit zahlreichen Partnerinnen eine großangelegte Studie mit über 1.500 Teilnehmer*innen in Bielefeld durchgeführt und die Ergebnisse in „Bürgerdialogen“ zur Diskussion gestellt. Telemedizin und Pflegetechnologien waren dort ein Thema, und der Wunsch der Befragten, dass Pflege und Gesundheit gemeinschaftliche Aufgabe einer ganzen Stadtgesellschaft sein sollten. „Mit Medizin und Pflege haben wir die große gesellschaftliche Frage, welche Versorgungsmodelle wir uns in Zukunft wünschen und leisten können. Das ist eine Herausforderung sozialer Gerechtigkeit und wirtschaftlicher Regionalentwicklung zugleich“, betont Uwe Borchers, der davon ausgeht, dass künftig auch Prävention, Selbstfürsorge und kommunale Daseinsvorsorge eine noch wichtigere Rolle spielen werden.