INGO NÜRNBERGER

Ingo Nürnberger, seit 2015 Dezernent für Soziales und Integration in Bielefeld, ist seit 2021 Stellvertreter des Oberbürgermeisters. Aktuell kandidiert der Wahl-Bielefelder und gebürtige Niederbayer für das Amt des Oberbürgermeisters.

Herr Nürnberger, welche Bedeutung hat der Integrationsrat für
die Stadt? Können Sie das einmal kurz einordnen?

Der Integrationsrat vertritt die Interessen von rund 90.000 Bielefelder*innen mit internationaler Familiengeschichte. Davon ist nur etwas mehr als die Hälfte berechtigt, an den „normalen“ Kommunalwahlen teilzunehmen – beispielsweise nach einer Einbürgerung oder wegen einer EU-Staatsbürgerschaft. Zugewanderte Menschen sind in der Partei- und Ratspolitik immer noch unterrepräsentiert. Der Integrationsrat gibt also den vielen Menschen mit internationaler Familiengeschichte eine Stimme.

So können die eigenständigen Interessen und Themen zur Sprache gebracht werden, beispielsweise bei der Öffnung der Stadtverwaltung für Menschen unterschiedlicher Herkunft oder bei den Unterstützungsprogrammen in Kitas, Schulen und bei der Arbeitsmarktintegration. Aber auch Themen wie der Abbau von Diskriminierung und Ausgrenzung sowie die Förderung der Migrantenvereine sind wichtige Schwerpunkte des Integrationsrates. Er bildet die Brücke zwischen Verwaltung und Migrantenorganisationen.

Welche Themen des Integrationsrates liegen Ihnen besonders am Herzen?

Allgemein gilt: Die Zusammenarbeit mit dem Integrationsrat gibt uns bei ganz vielen Themen Impulse, damit wir nicht die Belange, aber auch die Kompetenzen und Fähigkeiten zugewanderter Menschen – und ihrer Organisationen – übersehen. Wo müssen wir mehrsprachige Informationen geben, wo können uns Menschen mit Zuwanderungserfahrung bei der Erledigung unserer gemeinsamen Aufgaben besonders helfen? Um solche Fragen geht es da. Außerdem macht uns der Integrationsrat immer wieder auf benachteiligende Strukturen aufmerksam, grad auf dem Arbeits- oder dem Wohnungsmarkt. Der Integrationsrat legt den Finger in die Wunde – und zeigt auch häufig Lösungen auf.

Wie fördern und fordern Sie die Integration von Bielefelder*innen mit Migrationshintergrund? Wo ist noch Luft
nach oben?

Migrationshintergrund bedeutet erstmal gar nicht, dass die Menschen besonders gefördert und gefordert werden müssen. Viele Menschen mit einer internationalen Familiengeschichte sind Säulen unserer Gesellschaft – mit dem, was sie in ihren Familien, am Arbeitsplatz oder ehrenamtlich leisten. Aber natürlich brauchen manche besondere Unterstützung – im Bildungssystem, bei der Sprachförderung oder auf dem Weg in den Arbeitsmarkt. Am meisten Luft nach oben haben wir sicher bei der Anerkennung von Qualifikationen und Berufserfahrungen, die im Ausland erworben wurden, oder bei berufsbegleitenden Sprachkursen. Da sind die Rahmenbedingungen, die der Bund setzt, wirklich nicht gut. Und wir müssen nach der erhitzten Migrationsdebatte der letzten Monate alle miteinander wieder lernen, positiv über unsere Einwanderungsgesellschaft zu reden – ohne die Herausforderungen zu verschweigen. ✔