Prof’in Dr. Michaela Vogt
Diversität sichtbar machen, Diskriminierung entgegenwirken, Internationalisierung und Offenheit in der Gesellschaft gezielt fördern und Vernetzung vorantreiben. Dafür setzt sich Prof‘in Dr. Michaela Vogt als neue Prorektorin für Internationales, Diversität und Gesellschaft an der Universität Bielefeld ein. Das Aufgabenspektrum der 42-Jährigen – seit 2017 arbeitet sie als Professorin für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Theorie und Geschichte der Inklusiven Pädagogik an der Fakultät für Erziehungswissenschaft – ist breit gefächert.

Was ändert sich durch den neuen Zuschnitt und den neuen Namen des Prorektorats?
Michaela Vogt: Wir haben den Teilbereich Internationales integriert. Internationalisierung betrifft in Teilen immer auch Fragen der Diversität.
Gleichzeitig wollen wir mit einem solchen Prorektorat in der Gesellschaft Verständnis für diese Themenfelder erzeugen, uns um die Menschen und ihre Bedarfslagen kümmern. Wir wollen die Synergien zwischen den Bereichen stärker nutzen und diese Schnittstellen ganz besonders bespielen. In Bielefeld gibt es viele tolle Beispiele für den Umgang mit Gleichstellung und Diversität. Solche Schnittfelder können wir jetzt national und international darstellen. Auch das ist sicherlich ein Gewinn, denn die Uni ist in puncto Diversität, Gleichstellung und Inklusion schon jetzt wirklich gut aufgestellt. Es gibt Leitlinien, Aktionspläne, Initiativen, Programme und Anlaufstellen der Universität wie die Zentrale Anlaufstelle Barrierefreiheit. Sie kümmert sich speziell um Studierende, die unter Barrieren leiden oder Herausforderungen gegenüberstehen, sich ins Studium zu integrieren. Auf europäischer Ebene spiegelt sich die enge Verzahnung von Internationalität und Diversität ebenfalls wider: Die Universität Bielefeld bildet gemeinsam mit acht weiteren europäischen Partneruniversitäten die Europäische Hochschule NEOLAiA. In dem Hochschulnetzwerk verantwortet jede Hochschule ein Arbeitspaket – wir das für Diversität und Inklusion (D&I). Daher macht es nochmal mehr Sinn diese Themen im Prorektorat zusammenzuführen.
Warum ist es aus Ihrer Sicht wichtig, Strukturen aus- bzw. umzubauen?
Michaela Vogt: Zunächst möchte ich die bestehenden Strukturen noch besser kennenlernen. Die einzelnen Bereiche – Familie, Gleichstellung, Diversität, Inklusion, Internationales und Gesellschaft – besitzen ihre eigene Dynamik. Diese möchte ich respektieren und verstehen. Wenn ich den Kurs ändere, dann in der Zusammenarbeit mit den Bereichen. Einfach, um Aufgaben besser zuzuteilen, sodass sie klarer verortet sind. Die Frage ist doch, wie sich Synergien besser nutzen und Bereiche vernetzen lassen oder welche Projekte gemeinsam bearbeitet werden können, wenn es beispielsweise um die Gewinnung internationaler Wissenschaftlerinnen im naturwissenschaftlichen Bereich geht. Hier müssen wir Gleichstellung und Internationalisierung zusammenarbeiten. Beim Ausbau der Strukturen nach außen möchte ich die Fühler verstärkt, wie mit der Wissenswerkstadt, in die Stadtgesellschaft hinaus ausstrecken und die Strukturen in der Stadt mit denen der Uni Bielefeld weiter vernetzen. Ein Beispiel: In Bielefeld gibt es einen Beauftragten für strategische Städtepartnerschaften, mit dem ich bereits im Kontakt bin. Sinnvoll ist es, dass wir uns auszutauschen, welche strategische Partnerschaften auf Uni-Ebene vielleichtausgebaut werden können. Oder im umgekehrten Fall – bei bestehenden strategischen Partnerschaften der Uni – die Stadt Bielefeld mitgezogen wird. Gleiches gilt für die Themen Gleichstellung und Inklusion, um in der Stadt einen qualifizierten Austausch über unterschiedliche Formate anzustoßen, die lokale Bedarfslage abzufragen und zu sehen, wie man dies auf Forschungsebene weiter betreiben oder gemeinsam geförderte Projekte einwerben kann. Hier geht es insbesondere um eine bessere Vernetzung mit der lokalen Wirtschaft. Was Bielefeld im Bereich Diversität und Inklusion zu bieten hat, begeistert mich immer wieder. Dr. Oetker ist zum Beispiel teilnehmendes Mitglied der Charta der Vielfalt, hat eine eigenen Homepage dazu und engagiert sich für Themen wie Gleichberechtigung und Frauen in Führungspositionen. Das machen wir als Uni genauso. Darin steckt viel Potenzial.
Was heißt es Themen wie Internationales, Diversität und Gesellschaft mit Leben zu füllen?
Michaela Vogt: Die Frage ist doch eher „Wie schaffe ich es gerade in diesen Bereichen nicht, sie mit Leben zu füllen?“ Denn es geht doch um Menschen mit all ihren Facetten, um das Miteinander, um Respekt, Verständnis und Verantwortung füreinander! Das ist eine Kultur und eine Haltungsfrage, die auch im Prorektorat stark angesprochen wird. Und das mit dem Ziel, dass wir alle Statusgruppen – Verwaltung wie Studierende, Wissenschaftler*innen und Lehrende –mitnehmen. Gleichzeitig braucht es den engen Austausch mit der Stadt als breite Kooperationsbasis, die wir dadurch zum Leben erwecken, dass wir eine Willkommenskultur und eine Kultur des konstruktiven Diskutierens etablieren. Das ist für die Stadt wie die Uni gleichermaßen wichtig.
Welche Schwerpunkte möchten Sie setzen, haben Sie bereits konkrete Ideen?
Michaela Vogt: Die Liste ist immer viel zu lang (lacht). Ich möchte Dinge verändern, aktiv mitgestalten und mich konstruktiv einbringen. Ein Ziel ist es, klarzumachen, dass Internationalisierung für alle in der Universität ein Thema ist. Nicht nur Studierende sollten internationale Erfahrungen sammeln, auch Lehrende und Dozent*innen und die Verwaltung. Denn Internationalisierung steht sinnbildlich für eine Haltung, für eine internationale Offenheit und eine generelle Bewegung innerhalb der Uni. Unsere Leuchtturm-Qualitäten im Bereich Diversität, Inklusion und Gleichstellung möchte ich international noch bekannter machen, unser Wissen zur Verfügung stellen, Projekte und Initiativen bedienen, den Dialog mit der Stadtgesellschaft weiterführen und gemeinsame Projekte entwickeln. Darüber hinaus machen wir uns als Uni vor dem Hintergrund der Standortentwicklung über unser eigenes Profil Gedanken. Auch hier tragen Diversität und Internationalisierung zu unserem Profil als Universität bei, denn sehr gute Forschungsprojekte stärken die Uni Bielefeld international und machen uns wettbewerbsfähiger.
Wie weit sind deutsche Hochschulen bzw. die Uni Bielefeld beim Umgang mit Vielfalt?
Michaela Vogt: Das ist schwer zu beantworten. Bielefeld ist in manchen Bereichen wirklich weit. Durch das Hochschulnetzwerk NEOLAiA, das von der Europäischen Union gefördert wird, lernen wir auf internationaler Ebene voneinander und können Entwicklungen gemeinsam vorantreiben. Sich mit neun europäischen Universitäten über Diversität und Inklusion auszutauschen, ist hoch innovativ und erkenntnisreich: In Schweden gibt es zum Beispiel an unserer Partneruniversität in Örebro ein Projekt, um benachteiligte Schüler*innen an die Uni zu bringen. Die Bandbreite an Unterstützungssystemen und Initiativen, die ich durch den Austausch mit den beteiligten Hochschulen vor Ort erlebt habe, hat mich überwältigt. Internationalisierung hilft uns zu lernen und zeigt, wo wir gute Praktiken teilen, welche als Beispiele dienen und welche wir integrieren können. Und das ist ja auch das Ziel von Europa, wo sich jeder mit seinen Stärken einbringt. Auch da steckt viel Potenzial drin.
Welche Bedeutung haben die Themenfelder des Prorektorats für eine Universität?
Michaela Vogt: Da gibt es verschiedenen Ebenen. Für eine hochqualitative Forschung braucht es unter anderem eine Willkommenskultur, wo Studierende, Forschende und Lehrende produktiv sein können. Über diese Felder eine solche Kultur zu erzeugen, ist entscheidend, um für internationale Wissenschaftler*innen attraktiv zu sein. Denn sie sind ganz zentral für eine gute Lehre. Dies zeigen Erfahrungen aus der Praxis und daran arbeiten wir in Bielefeld aktiv.
Wie können Hochschulen Internationalisierung chancengerecht gestalten?
Michaela Vogt: Da gibt es eine ganze To-Do-Liste mit Anforderungen. Denn die Beweggründe für Studierende, nicht ins Ausland zu gehen, sind vielfältig. Viele empfinden die Barrieren als hoch. Etwa weil die Organisation eines ganzen Auslandssemesters zu komplex erscheint, weil es an finanziellen Mitteln mangelt, die eigene Sprachkompetenz in Frage gestellt wird oder weil einfach der Mut fehlt, diesen Schritt zu wagen. Natürlich helfen Studienprogramme, die eine leichtere Zugänglichkeit zu internationalen Programmen haben, Internationalisierung chancengerechter zu gestalten. Aber es braucht noch mehr, beispielsweise eine ausreichende Varianz, was die Dauer von Auslandsaufenthalten angeht. Kurzzeitmobilitäten sind da eine Option. Ein niedrigschwelliges Angebot bietet die Uni Bielefeld mit einem neuen Lehrformat, dem Blended Intensive Programm, das wir oft innerhalb des Europäischen Hochschulnetzwerks NEOLAiA realisieren. Hier lernen internationale Studierende und Lehrende aus verschiedenen Ländern online oder hybrid, ergänzt um eine Präsenzphase von einer Woche in einem europäischen Land. Das Programm ermöglicht Auslandserfahrungen für Studierende auf Bachelor-, Master- oder Promotionsebene, die bisher noch wenig oder gar keine internationalen Erfahrungen sammeln konnten. Solche Programme bauen wir im Zuge unserer Internationalisierungsbestrebungen zurzeit auf und aus. Auch für Studierende mit physischen Einschränkungen gibt es Fördermöglichkeiten, damit sich internationale Perspektiven entwickeln können. Übers Mentoring wollen wir zudem Mut und Motivation wecken und auch den direkten Austausch zwischen Studierenden mit Auslandserfahrungen unterstützen. Dabei zeigt sich immer wieder, wie eng Internationalisierung, Diversität und Inklusion miteinander verzahnt sind. Ein konstruktiver, tolerierender Umgang mit Vielfalt entsteht auch durch ein verändertes Bewusstsein von und für Internationalität.
Welche Aspekte liegen Ihnen beim Umgang mit dem Thema Diversität persönlich am Herzen?
Michaela Vogt: Über mein Forschungsprofil als Professorin haben sich auch meine Interessen fortwährend weiterentwickelt, sodass ich auch über eine langjährige Forschungsexpertise im Bereich Diversität und Internationalisierung verfüge. Wichtig ist mir dabei, dass wir uns sehr breit über das Thema verständigen. Wir sollten überlegen, wo wir für wen Barrieren erzeugen und wie wir damit umgehen. Manche Dinge kann man nicht ändern, aber man kann in einen aktiven Austausch treten, gemeinsam reflektieren und manchmal auf Konflikte konstruktiv austragen. Nicht im Sinne eines Verdeckens von Fehlstellen, sondern vielmehr mit dem Fokus, an der Kultur und an der Grundhaltung von Toleranz gemeinsam weiterzuarbeiten. Der hohen Verantwortung des Prorektorats bin ich mehr sehr bewusst.