JACOBA VAN HEEMSKERCK

Ein bisschen malen und musizieren im privaten Salon. Um die Wende zum 19. Jahrhundert herum durchaus üblich für Damen aus adligen Kreisen. „Aber mit diesen Hobbymalerinnen wollte Jacoba van Heemskerck nicht in Verbindung gebracht werden“, unterstreicht Dr. Henrike Mund. „Sie hat als eine der ersten Frauen an der königlichen Akademie der bildenden Künste in Den Haag studiert, wusste früh, dass sie die Kunst zum Beruf machen wollte und ist fokussiert ihren Weg gegangen.“

Ausstellungskuratorin Dr. Henrike Mund

Gemälde, Zeichnungen, Holzschnitte, Glasarbeiten und Mosaike: Mit ca. 60 Werken aus allen Schaffensphasen Jacoba van Heemskercks führt die Kunsthalle Bielefeld die Auseinandersetzung mit weiblichen Positionen in der Kunst fort. „Das hat mittlerweile eine gewisse Tradition“, freut sich die Kuratorin. Nach Ausstellungen wie „Einfühlung und Abstraktion. Die Moderne der Frauen“ oder der Werkschau zu Sophie Taeuber-Arp folgt jetzt also – in Kooperation mit dem Kunstmuseum Den Haag und den Museen Stade – ein Blick über die Grenze.

Stets auf der Suche nach modernen Ausdrucksformen ist die Niederländerin zielstrebig ihren eigenen Weg gegangen. „Ihr Vater war anerkannter Maler von Seestücken“, so die Kuratorin, „aber mit ihrem Stil war Jacoba van Heemskerck Pionierin in ihrer Familie.“ Wiederkehrende Motive durch alle Schaffensphasen hindurch –vom Luminismus und Kubismus bis zur Abstraktion – sind Bäume, Segelschiffe, Hafen und Stadt. „Rhythmische Kompositionen des Bildraumes, schwarze Umrisslinien und ein intensiver Farbeinsatz prägen ihre expressiven Motive“, sagt Henrike Mund. „Eine gewisse kraftvolle Strenge macht ihre Sicht aus, an ihrem Werk ist nichts Liebliches.“ Obwohl Jacoba van Heemskercks Bedeutung in den Niederlanden etwa mit der von Gabriele Münter in Deutschland zu vergleichen ist, ist sie hierzulande bislang kaum bekannt.

„Aber abgesehen von Piet Mondrian und einigen wenigen anderen gilt das auch für die männlichen Künstler der niederländischen Moderne“, weiß Henrike Mund. „Darüber hinaus ereilte die 1876 geborene Jacoba van Heemskerck das Schicksal vieler Künstlerinnen, die trotz ihrer Bekanntheit zu Lebzeiten nach dem 2. Weltkrieg in Vergessenheit geraten sind.“ Das zu ändern ist eines der Anliegen der Ausstellung, die sich unter dem Titel „Kompromisslos modern“ einer ebenso spannenden wie vielseitigen Malerin widmet. Eigentlich könnte man auch von einer Wiederentdeckung sprechen, denn als Künstlerin der avantgardistischen Bewegung des „Sturm“ von Herwarth Walden in Berlin hatte Jacoba van Heemskerck über viele Jahre eine starke Anbindung an Deutschland. Die dort ebenfalls ausstellenden Künstler des Blauen Reiters beeinflussten ihren Weg in die Abstraktion. „Sie war völlig begeistert vom ‚Sturm‘ und hat ihre Werke nur noch über Walden verkauft“, so die Kuratorin, „und sie wurde zur am häufigsten ausgestellten Künstlerin der Bewegung.“

Eher typisch für die niederländische Kunst ist dagegen Jacoba van Heemskercks Hang zu Spiritualität. Als Mitglied der Theosophischen Gesellschaft interessiert sie sich nicht nur für die sinnliche, sondern auch die übersinnliche Darstellung. „Ihre Baummotive spiegeln das wider“, erläutert die Ausstellungs-Kuratorin. „Der Baum als Lebensbaum, verwurzelt in der Erde, aber mit der Krone im Himmel, hat immer auch eine Symbolik. Ihre Werke sind universelle Gleichnisse für das Dasein des Menschen. Transzendenz und Mystisches spielen für die Künstlerin eine wichtige Rolle.“ Das geht einher mit ihrem Ziel, Farben so transparent, leuchtend-geistig wie möglich zu machen. Was damit gemeint ist, demonstrieren die Glasfenster, die Teil der Ausstellung sind. „Es ist ein spannender Aspekt, dass sich Jacoba van Heemskerck dadurch von der Malerei zur angewandten Kunst hin entwickelt und da die Verwirklichung ihrer Ziele gesehen hat“, betont die Kuratorin. „Viele Künstlerinnen sind den Weg genau andersherum gegangen.“


www.kunsthalle-bielefeld.de
13.3.-6.6.2021, Kunsthalle Bielefeld

Achtung! Neuer Termin: 19.6.-5.9.2021