Wenn es ein Gebäude gibt, das symbolisch für den Bielefelder Westen und den typischen Spirit dieses Viertels steht, dann die Bürgerwache auf dem Siegfriedplatz. Einst Polizeiwache, Eichamt und Post wird das Stadtteilzentrum seit 1994 in Eigenregie
der Bürgerinitiative Bürgerwache e.V. geführt. Kultur gehörte von Anfang an mit zum Konzept – seit den 2000ern unter dem griffigen Label „KulturWache“.
Wohl jeder und jede schätzt den beliebten Biergarten auf dem Siggi, viele sind in einer der über 200 Hausgruppen aktiv, die sich in der Bürgerwache treffen. Aber nicht alle kennen das breitgefächerte Kulturangebot, zu dem neben Konzerten, Theater und Kunstinstallationen auch Lesungen zählen. Übrigens möglichst mit einem Bezug zum Stadtteil oder zum Viertel. Zugleich mit viel Offenheit für verschiedenste Formate: Von Krimis bis zu szenischen Lesungen zu historischen Themen wie der Novemberrevolution. Vom Rumpelstilzchen Literaturprojekt mit einer Lesung und Ausstellung zum Thema „Experiment HEIMAT“ bis hin zur zweisprachig vorgetragenen Lyrik aus Syrien.
Um die Organisation kümmern sich – stets mit dem ganzen Team im Hintergrund – Ulrich Zucht und Anna Sümening. Für beide ist das eher Herzenssache und ehrenamtliches Engagement, denn ihre 30-Stunden-Stellen sind vorrangig für die Verwaltung gedacht. Dass sie direkt im Haus arbeiten, ist dabei ein dicker Pluspunkt. „Durch den Kontakt zu Hausgruppen wie den ‚Bücherfrauen‘ bekommen wir oft Empfehlungen, was interessant sein und zum Publikum passen könnte“, so Anna Sümening. Ihr Kollege ergänzt: „Ich habe zwar ein literarisches Faible, aber ich würde mich nicht als Experten beschreiben.“ Umso mehr schätzt Ulrich Zucht die guten Netzwerke (nicht nur) im Bielefelder Westen. „Vorschläge beraten wir im Team. Wenn eine Veranstaltung in unser Setting passt, übernehmen wir den Großteil der Werbung und stellen Räumlichkeiten und technisches Equipment zur Verfügung.“ Das Budget für die Kulturveranstaltungen ist gering. Sie müssen durch Eigenmittel und Sponsoring finanziert werden. Froh sind die Programmplaner*innen daher auch über gegenfinanzierte Projekte.
Viele, die einmal hier gelesen haben, kommen gerne wieder. So etwa die Mitglieder der Literaturzeitschrift Tentakel oder der Bielefelder Autor und Lyriker Hellmuth Opitz, der im August zum zweiten Mal im Rahmen der Reihe „klein + fein“ zu einer Open-AirLesung mit einem musikalischen Gast einlädt. Auch die Kontakte zum benachbarten Pendragon Verlag sind oft für eine Überraschung gut. So feiert der Hamburger Autor Alexander Häusser die Veröffentlichung seines Romans „Karnstedt verschwindet“ bei Pendragon nicht etwa in seiner Heimatstadt, sondern in der Bielefelder Bürgerwache.
Neben der Vielfalt des Angebots ist den beiden Programmplaner*innen noch etwas wichtig. „Wir versuchen Kultur niedrigschwellig anzubieten“, so Anna Sümening, „mit ganz geringem Eintritt oder kostenlos.“ ✔
DIE NÄCHSTEN TERMINE
20.7., 18:30 Uhr,
Siegfriedplatz am Biergarten:
Konzert mit Intermoot in der Reihe „klein & fein“
17.8., 19 Uhr, Saal (Raum 007, EG.):
Lesung und Buchpräsentation „Karnstedt verschwindet“ von Alexander Häusser in Kooperation mit dem Pendragon Verlag
24.8., 18:30 Uhr,
Siegfriedplatz am Biergarten: Lesung mit Hellmuth Opitz in der musikalisch-literarischen Reihe „klein & fein“
14.9., 20 Uhr, Siegfriedplatz:
Wanderkino
21.9., 18:30 Uhr,
Siegfriedplatz am Biergarten: Konzert mit White Coffee in der Reihe „klein & fein“
5.10., 19:30 Uhr, Saal (Raum 007, EG.):
Klavierkonzert mit Lesung von Michael Ihlefeld
17.10., 19:30 Uhr, Saal (Raum 007, EG.):
Lesung mit Winfried Browczak aus „Terror, Gas und Staatsversagen – Anatomie eines radikal-islamischen Aufstandes in Nordmosambik“
16.11., 19:30 Uhr, Saal (Raum 007, EG.):
Theaterprojekt: Harald Hahn – Monolog mit meinem „asozialen“ Großvater – Ein Häftling in Buchenwald