Lesung mit John Wesley Zielmann

Der Droge Literatur ist er eindeutig verfallen. „In meinem Leserverhalten bin ich süchtig“, lacht John Wesley Zielmann. „Ich lese sehr viel und manchmal wahllos. Und obwohl es Jahre bräuchte, um den Stapel mit ungelesenen Büchern abzubauen, kaufe ich trotzdem welche nach. Manchmal nur, weil sie mich optisch ansprechen. Außerdem lese ich jedes Buch zu Ende; selbst, wenn es mir gar nicht gefällt.“ Klarer Fall: Der freiberufliche Schauspieler und Rezitator ist genau der Richtige für die Lesung zum Thema „Drogen in der Literatur – Literatur als Droge“ im Kunstforum Hermann Stenner.

Das wiederum bietet nicht zufällig den Rahmen für die Veranstaltung, denn hier ist noch bis zum 30.3. die Ausstellung „Stoff“ von Cornelius Völker zu sehen. Die großformatigen Bilder zeigen neben Stoff im Sinne von Textilien auch hochprozentigen „Stoff“, Drogen, Süßes oder „Lesestoff“. Mit diesen unterschiedlichen Suchtmitteln beschäftigen sich auch die Texte der Lesung, die Prof. Dr. Holger Dainat ausgewählt hat. Gemeinsam mit Christiane Heuwinkel, der Künstlerischen Leiterin des Museums, übernimmt der Literaturwissenschaftler die Moderation des Abends.

Biografisches

1979 in Göttingen geboren, absolvierte John Wesley Zielmann sein Studium an der Westfälischen Schauspielschule in Bochum. Schon während seiner Ausbildung erhielt er die ersten Engagements u. a. am Deutschen Theater in Göttingen, dem Schauspielhaus Bochum und am Theater Oberhausen. Von 2005 bis 2013 war er fest im Ensemble des Theaters Bielefeld. Hier spielte er in zahlreichen Inszenierungen wie „Clavigo“, „Wie im Himmel“ und zusammen mit Therese Berger in „Sechs Tanzstunden in sechs Wochen“. 2010 wurde ihm von den Thekos der Bielefelder Theatertaler verliehen.

Auf dem Programm stehen unter anderem Autor*innen wie Jack London, Vicki Baum, Hermann Hesse, Thomas Mann und Friedrich Glauser. „Die Auswahl gefällt mir“, unterstreicht John Wesley Zielmann. „Es hat mich total gefreut, dass auch Fritz Eckenga und Robert Gernhardt dabei sind, die hätte ich selbst unbedingt reingepackt.“ Ebenfalls nicht fehlen darf Charles Baudelaire, der den Gehalt der Lesung auf den Punkt bringt: „Man muss immer trunken sein, darum geht es. Das ist das einzige Geheimnis. Um die Last der Zeit nicht zu fühlen, die eure Schultern zerbricht und euch zu Boden drückt, müsst Ihr euch ohne Unterlass berauschen.“ Ob am Wein oder an der Poesie, ist dann eine andere Frage.

Cannabis©Cornelius Völker und VG Bild-Kunst Bonn 2024

Texte zu lesen, die andere ausgewählt haben, ist für John Wesley Zielmann Arbeitserleichterung wie Horizonterweiterung zugleich. „Ich lese zwar viel, aber ich bin kein Literaturwissenschaftler. Durch die Zusammenarbeit mit der Literarischen Gesellschaft oder dem Kunstforum habe ich Autoren entdeckt, auf die ich selbst nicht gekommen wäre. Außerdem ist es eine Herausforderung, sich sperrigen Texte zu stellen. Wenn man sich ihnen dann doch annähern kann, sie ‚geknackt‘ hat, und das Publikum gebannt ist, ist das umso schöner.“

Besonders in Erinnerung geblieben ist ihm eine Lesung aus den Briefen und Tagebucheintragen von Hermann Stenner. „Das hat mir den Bielefelder Künstler, der sehr jung im ersten Weltkrieg gefallen ist, nahe gebracht. Ich habe viel von dem Menschen mitgekriegt.“ Generell liest der Rezitator gerne in Museen, wo sich Literatur und Bildende Kunst gegenseitig befruchten. Umso mehr wird er das Kunstforum vermissen, das nach der aktuellen Ausstellung seine Pforten schließt. „Das finde ich schade, ich schätze das Haus und sein Programm sehr“, unterstreicht John Wesley Zielmann. Kleiner Trost für das Publikum: Die Verbindung zur Stadt wird der Wahl-Hamburger trotzdem halten. Durch Gastauftritte beim Theater Bielefelder, bei dem er bis 2013 festes Ensemblemitglied war, und durch Lesungen.

Stoff dafür hat der bekennende Literatur-„Junkie“ reichlich. „Ich mache viele Lesungen und das sehr gerne, bislang sind es über 150 Programme.“ Aktuell etwa das Programm „Der Sandmann“, das er gemeinsam mit einem Cellisten und Live-Zeichner auf die Bühne bringt. „Das passt so gut, weil E.T.A. Hoffmann selbst auf allen Ebenen begabt war“, so der Schauspieler. Natürlich fließen in die Lesungen, die der Rezitator selbst aufwändig vorbereitet, seine Lieblingsautoren ein. „Ich bin ein großer Fan von Georges Simenon, Truman Capote und Alan Bennett, und ich mag französische Autoren.“ Sein Geheimtipp: Tanguy Viel. „Ich möchte andere für Literatur begeistern“, resümiert John Wesley Zielmann, „Ich freue mich, wenn ich Autoren für mich entdeckt habe und andere damit ‚anstecken‘ kann.“

14.2., 18:30 Uhr, Kunstforum Hermann Stenner