Klimaschutz in Bielefeld
Vierzig Prozent weniger CO2-Emissionen bis 2020 im Vergleich zu 1990. So lautete viele Jahre lang die deutsche Selbstverpflichtung im Klimaschutz. Dieses Ziel wurde inzwischen mehrfach nach unten korrigiert „Bielefeld ist dicht dran an dem Ziel für 2020, aber jetzt müssen wir noch eine Schippe drauflegen“, stellt auch Birgit Reher fest, die im Umweltamt der Stadt das Team für Klimaschutz und Nachhaltigkeit leitet. Die Notwendigkeit, sich auch auf lokaler Ebene für den globalen Klimaschutz zu engagieren, bleibt.
Auch und vor allem mit Blick auf die kommenden Jahrzehnte, denn bis 2050 will Bielefeld seinen CO2-Ausstoß um 95 Prozent senken. Die größten Stellschrauben sind der Ausbau der erneuerbaren Energien und Energieeinsparung. „Wir haben die Ziele des Bundes, sofern sie für uns kommunal relevant sind, übernommen und zusätzlich eigene lokale Ziele im Handlungsprogramm Klimaschutz formuliert“, so Birgit Reher. Neun Handlungsfelder, die in „einem sehr offenen Prozess“ entstanden sind, definieren im Handlungsprogramm 2020 – 2050 für Bielefeld, was in welchem Bereich – von Erneuerbaren Energien, Mobilität und nachhaltigem Wirtschaften über Konsum und Ernährung bis hin zu dem Punkt Klimabewusstsein und Transfer – erreicht werden soll. „Insgesamt sind es 23 Ziele, die sehr breit gefächert sind“, stellt die 58-Jährige fest. Die Zunahme von Pkw und speziell schweren Pkw, aber auch der Anstieg des Logistikaufkommens, sind Gründe dafür, dass die CO2-Zahlen nicht mit den Zielen korrelieren. So stieg der CO2-Ausstoß im Verkehr 2015 in Bielefeld sogar um 3,1 Prozent gegenüber 2005. „Es ist auch bundesweit der Bereich, wo wir am wenigsten vorankommen“, stellt Birgit Reher fest. „Die Leute, vor allem die jungen, wollen mobil sein, aber auch ohne eigenes Auto. Es muss ein Umdenken stattfinden und wir müssen bessere Rahmenbedingungen schaffen.“ Bis 2030 soll der motorisierte Individualverkehr von 51 auf 25 Prozent reduziert werden und 75 Prozent des Verkehrs in Bielefeld auf öffentlichen Nahverkehr, Rad- und Fußverkehr entfallen. Dafür wurde mittlerweile das Radverkehrskonzept für Bielefeld und für die Regiopolregion beschlossen. Mit der Initiative Radentscheid wurde ein Vertrag geschlossen, der Nahverkehrsplan (ÖPNV) ist nahezu fertig. Zudem sind in diesem Jahr Gutachten zum Fußverkehr als auch zum Autoverkehr zu erwarten, so dass auch dazu politische Beschlüsse erfolgen können. Im Bereich Erneuerbare Energien – das angepeilte Bundesziel von 20 Prozent bis 2020 hatte Bielefeld übrigens schon 2016 erreicht – soll bis 2050 Strom und Wärme zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien oder aus Kraft-Wärme-Kopplung stammen.
Auf Initiative des Bielefelder Klimabeirats gibt es Fördergelder für Photovoltaikanlagen auf Bielefelder Dächern „Die Bielefelder wollen Klimaschutz aktiv angehen. Es braucht dafür viele kleine Schritte und auch Förderprogramme“, so Birgit Reher. Wichtige Punkte sind aus Sicht des Klimateams auch der Nah- und Fernwärmeausbau, da allein 80 Prozent des Energieverbrauchs in Gebäuden in die Wärmeerzeugung fließen. Fossile Brennstoffe wie Öl oder Gas verursachen hohe CO2-Emissionen im Vergleich zu Erneuerbaren Energien und zur Fernwärme. Zentrale Informationsstellen für die energetische Gebäudesanierung sind in Bielefeld das Portal www. alt-bau-neu.de/bielefeld und der KlimaTisch Bielefeld e.V. (www.klimatisch-bi.de). Viel zu tun gibt es aber auch bei den rund 1.000 städtischen Gebäuden. Sie sollen bis 2030 nahezu klimaneutral sein. Aktuell werden durch den Solar-Atlas gewerbliche Dachflächen auf Tauglichkeit geprüft. „Demnächst gehen wir auf einzelne Betriebe zu“, so Birgit Reher. Einen Impuls, CO2 -Emissionen zu senken und den Weg hin zu einer zirkulären Wirtschaft zu gehen – dafür steht das Projekt Ökoprofit. Unternehmen, Kommunen und ExpertInnen arbeiten hier Hand in Hand und nutzen Synergieeffekte. In Sachen Konsum und Ernährung macht sich seit Ende 2018 der Ernährungsrat dafür stark, Strategien für nachhaltige Ernährung in der Stadt und Umgebung zu entwickeln. „Regional, lecker, gesund“ lautet die Devise der Netzwerker, die die gesamte Ernährungskette in den Blick nehmen. „Es gilt, regionale Handelsstrukturen zu festigen, regionale Vermarkter und Dienstleister zu vernetzen und sichtbar zu machen. Dafür gibt es seit Anfang diesen Jahres das Portal OrtsKundIch auf der Internetseite der Stadtverwaltung. Dem Klimateam geht es darum, ein Bewusstsein zu schaffen. „Wesentlich sind dabei die durchgängige Kommunikation, Information und Bildungsangebote zu allen Handlungsfeldern.“
KlimaWoche Bielefeld
Die 13. KlimaWoche Bielefeld findet vom 15. bis 21. März statt. „Aktuell planen wir für 2021 vorrangig digitale Angebote, sodass sie auch in Corona-Zeiten auf jeden Fall stattfinden kann“, betont Chiara Wöhle vom Team der KlimaWoche Bielefeld. „Gleichzeitig möchten wir aber natürlich auch in der Stadt präsent sein, um mehr Menschen auf unsere Aktionen aufmerksam zu machen. Gespräche diesbezüglich laufen aktuell noch.“ Ziel ist es, im Rahmen der KlimaWoche wieder zahlreiche Aktionen und Veranstaltungen zu Klima-, Umweltschutz und sozialen Themen stattfinden zu lassen, um AkteurInnen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft zu vernetzen und zu konkretem Handeln zu bringen. Fest steht bereits jetzt, dass es wie in jedem Jahr im Rahmen der siebentägigen Veranstaltung wieder verschiedene Thementage mit bestimmten Schwerpunkten geben wird. Den Auftakt bildet der Tag der Energie (15.3.). Im Anschluss folgen der Tag der nachhaltigen Unternehmen (16.3.), der Tag der Bildung (17.3.), der Tag der Ernährung (18.3.), der Tag der KlimaFilme (19.3.), der Tag der Aktionen (20.3.) sowie der Tag der Schöpfung und der Natur (21.3.).
Um 0,2 Grad
Digitales Forum der KlimaWoche
Im zweiten Halbjahr 2020 hat die KlimaWoche Bielefeld mit dem „Digitalen Forum“ ein neues Format aus Vortrag und anschließender Diskussion an den Start gebracht. Zum siebten Digitalen Forum am 27.1. hat die KlimaWoche Bielefeld Karl-Heinz Land eingeladen. Sein Herzensthema – die Digitalisierung – erlebt und gestaltet er seit über 35 Jahren, unter anderem in Führungspositionen bei international operierenden Unternehmen wie Oracle, BusinessObjects (SAP) und Microstrategy. Mit seinem neuen Buch „Erde 5.0: Die Zukunft provozieren“ wendet er sich an die breite Öffentlichkeit und stellt sich einer ambitionierten Aufgabe: Wie wir die Welt mittels der Digitalisierung retten, und die Wirtschaft zu einer ökosozialen Marktwirtschaft entwickeln können.
Termin: 27.1., 19 bis 21 Uhr, bitte anmelden www.klimawoche-bielefeld.de (Digitales Forum)
Ausgezeichneter Dokumentarfilm
Atomkraft Forever
Beim Internationalen Film Festival Braunschweig wurde „Atomkraft Forever“ vor kurzem mit dem „Green Horizons Award“ 2020 für den besten Dokumentarfilm zum Thema Nachhaltigkeit ausgezeichnet.
Der Kino-Dokumentarfilm von Carsten Rau („Wadim“, „Willkommen auf Deutsch“) wirft einen ebenso profunden wie beunruhigenden Blick auf die Atomkraft in Deutschland, gezeigt mit herausragenden Bildern von Kameramann Andrzej Król. Die sechs miteinander verwobenen Episoden erzählen Erstaunliches: vom irrwitzigen Aufwand beim Abriss eines Atomkraftwerkes. Über die Suche nach einem Endlager, das eine Million Jahre und die nächsten zehn Eiszeiten überstehen soll. Bis hinein in die französische Atomindustrie, die dem deutschen Ausstieg mit Unverständnis begegnet und noch mehr Kraftwerke bauen will und wird, denn auf kurze Sicht im Hinblick auf den Klimawandel scheint die Kernenergie sauberer zu sein als die Kohleverstromung. Der Stuttgarter Camino Filmverleih bringt „Atomkraft Forever“ am 18. März 2021 bundesweit in die Kinos.
Mehr Daten und Fakten:
- An allen 4 Teststationen, die das Land in Bielefeld eingerichtet hat, um den Stickstoffdioxid-Gehalt der Luft zu messen, lagen die Mittelwerte auch im September 2020 unter dem jeweiligen Jahresmittel 2019.
- Über 10 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen der EU werden durch die Landwirtschaft verursacht.
- 78,2 Prozent der deutschen Bevölkerung befürworten eine möglichst vollständige Wiederverwertung von Produkten, auch wenn diese dadurch teurer würden. Das ergab eine repräsentative Umfrage, die das Meinungsforschungsunternehmen Civey im Auftrag des Wissenschaftsjahres 2020/21 – Bioökonomie durchgeführt hat.