Welturaufführung von Bernd Wilden
Das Timing muss passen. Selten gilt das so extrem wie bei live gespielter Filmmusik. Laufen Bild und Ton nicht absolut synchron, merkt das Publikum das sofort. „Die Musik ist minutiös ausgetüftelt. Und wenn das am Ende aufgeht, ist es sehr beglückend, zumindest für mich“, lacht Bernd Wilden. Wie das Publikum das Erlebnis aus Stummfilm und Livemusik mit großem Orchester empfindet, wird sich beim Film+MusikFest zeigen.
Große Zeiten“, lautet das Motto des mittlerweile 30. Festivals, das von der Bielefelder Friedrich Wilhelm Murnau-Gesellschaft veranstaltet wird. „Große Aufgabe“ würde dagegen Bernd Wilden sagen, der wenige Wochen vorher noch mitten in der Komposition der Filmmusik für Murnaus Meisterwerk „Sunrise“ steckt. Den Film kennt er inzwischen sekundengenau, hat sich viele Szenen wieder und wieder angeschaut, um den richtigen Ton zu treffen. „Man verwächst richtig mit dem Film, das ist irre“, unterstreicht der Bielefelder. Leidgesehen hat er sich das Dreiecksdrama dennoch nicht. Kein Wunder, denn Murnaus Meisterwerk wird von der internationalen Filmkritik als bester Film aller Zeiten gefeiert. Sein Spiel mit Licht und Schatten, Stadt und Land, revolutionärer Bildmontage und subtilster Kameraführung fasziniert bis heute. „Murnaus Bildsprache begeistert genauso wie seine Technik, hier ist einfach einer der ganz Großen am Werk“, resümiert Bernd Wilden. Umso höher liegt die Latte für die Welturaufführung seiner Neukomposition, die von den Bielefelder Philharmonikern gespielt wird. Aber schließlich bringt Bernd Wilden mit seiner inzwischen 13. Filmmusik reichlich Erfahrung mit. Dabei hat er vor allem eines gelernt: Weniger ist mehr. Und manchmal reicht ein gehaltener Ton, um die Spannung eines Blickwechsels wiederzugeben. „Ich möchte keinen besonders innovativen
Soundtrack schreiben. Das funktioniert nicht mehr, sobald es vom Film ablenkt. Da muss man sich zurücknehmen, sonst macht man den Film kaputt“, unterstreicht der Komponist. „Im Idealfall sollte sich die Musik wie eine zweite Haut anschmiegen, ohne plump zu sein.“ Das war übrigens nicht immer so. Ursprünglich wurden Stummfilme eher von Standardmusiken begleitet, wo bestimmte Noten für Liebesszenen, andere für Kampfszenen verwendet wurden. „Dass der Komponist eine eigenständige künstlerische Ebene beisteuert, die den Film stärkt und vielleicht sogar hebt, ist eher ein Phänomen der Nach-Stummfilm-Ära.“ Genau diese Aufgabe reizt Bernd Wilden, der seine eigene Sprache für den Film finden will. Dabei schöpft er aus der klassisch- romantischen Orchestermusik, bei der sich auch Hollywood in seiner Blütezeit bedient hat. „Ich könnte zu so einem Film auch einen Pop-Soundtrack schreiben, aber dann hätte ich das Gefühl, ihm Gewalt anzutun.“
Sunrise: 8.11., 20:00 Uhr, Rudolf-Oetker-Halle
GROSSE ZEITEN – 30. Film+MusikFest
Große Filmkunst, große Orchester, große Gefühle: Das Jubiläumsprogramm wird seinem Motto in jeder Hinsicht gerecht. Gleich zum Auftakt, wenn sich Greta Garbo in „Flesh and the Devil“ in John Gilbert verliebt und die ZuschauerInnen das Knistern auf der Leinwand spüren. Das filmversessene Braunschweiger Staatsorchester spielt dazu die opulente Musik von Carl Davis unter der Leitung des international renommierten Dirigenten Helmut Imig. Oder wenn Buster Keaton in „Steamboat Bill jr.“ als schmächtiger Kapitänssohn zum großen Gewinner wird, weil er nicht nur das Mädchen rettet und dessen Liebe gewinnt, sondern auch ganz nebenbei noch seinen Vater und dessen Kapitänsrivalen aus den Fluten holt. Oder doch lieber große Spannung, wenn Alfred Hitchcocks Thriller „Blackmail“ in der selten gezeigten Stummfilmfassung läuft?
25.10.-10.11., Rudolf-Oetker-Halle & Lichtwerk Infos zum kompletten Programm unter: murnaugesellschaft.de