BERND WILDEN VERTONT ELSE LASKER-SCHÜLER
Seine Begeisterung steckt an. Nach einem Gespräch mit Bernd Wilden möchte man sich sofort einen Gedichtband schnappen und in Else Lasker-Schülers Welt eintauchen. Der Bielefelder Dirigent und Komponist ist seit seiner Schulzeit von der Autorin fasziniert. Das Jubiläumsjahr „1.700 Jahre Jüdisches Leben in Deutschland“ gibt ihm jetzt Gelegenheit, eine Idee umzusetzen, die schon lange in ihm schlummert.
Mit der Vertonung ausgewählter Werke von Else Lasker-Schüler (1869-1945) möchte die Jüdische Kultusgemeinde Bielefeld das Werk der jüdischen Dichterin als besonderes Beispiel für den Beitrag jüdischer KünstlerInnen zur kulturellen Identität Deutschlands in den Fokus rücken. „Mein blaues Klavier“ heißt die Auftragskomposition für Kammerorchester und Gesang, die von der LWL-Kulturstiftung gefördert wird. „Das gleichnamige Gedicht ist ein beredtes Zeugnis eines Künstlerlebens im Exil“, sagt Bernd Wilden. Damit meint er das tatsächliche Exil in Israel, wie auch das innere Exil, die Flucht in eine literarische Fantasiewelt. „Else Lasker-Schüler erfindet Sprache ständig neu, ihre Wortschöpfungen haben eine poetische Dimension, die atemberaubend ist“, unterstreicht der Komponist. Mit dieser Einschätzung steht er nicht allein. Ihr Zeitgenosse Gottfried Benn etwa schwärmte von der „größten Lyrikern, die Deutschland je hatte.“
„Weltende“ heißt das erste Gedicht, das Bernd Wilden von der Autorin las. „Es ist ein Weinen in der Welt, als ob der liebe Gott gestorben wär“ – dieses starke Bild in den ersten beiden Zeilen hat ihn im Innersten getroffen. Nicht zuletzt, weil es das persönliche Schicksal der verarmt verstorbenen Dichterin widerspiegelt. „Sie hat auch viele Liebesgedichte geschrieben, aber die Süße ist häufig bittersüß. Und selbst bei sehr forschen, lebensfrohen Gedichten ist die Schattenseite vielfach dabei.“ Während des Studiums fiel Bernd Wilden dann eine Gesamtausgabe in die Hände, die ihn sehr berührte. „Ihre Gedichte schreien förmlich nach einer Vertonung“, so der 54-Jährige, „und heute weiß ich natürlich, dass es bereits unendlich viele Vertonungen gibt.“
Er selbst hat die Textzusammenstellung für seine Komposition nach dramaturgischen Gesichtspunkten gewählt. „Ich möchte in ihre Welt eintauchen, mit ihr Höhenflüge erleben und Talsohlen durchschreiten. Am Ende steht ‚Das blaue Klavier‘, das tatsächlich ein spätes Gedicht ist, so baut sich ein Spannungsbogen auf.“ Als Komponist reizt ihn, dass ihre Gedichte in eine musikhistorisch sehr interessante Zeit fallen. Else Lasker-Schüler gilt als herausragende Vertreterin der avantgardistischen Moderne und des Expressionismus in der deutschen Literatur. „Das ist ein Pendant zu der musikalischen Suche nach neuen Wegen“, so Bernd Wilden. „Debussy komponiert plötzlich fünftönig, Schönberg und andere stellen das klassische romantische Musikempfinden in Frage.“
Seine eigene Komposition schöpft aus dem Repertoire der Klassischen Moderne. „Ich versuche eine angemessene Tonsprache zu finden, ohne die Texte zu verbiegen. Mit der metrischen Struktur der Sprache muss ich auch musikalisch umgehen. Als Filmmusikkomponist versuche ich immer die Atmosphäre zu erspüren und bin dankbar für starke Bilder – die finde ich bei Else Lasker-Schüler auch.“
JÜDISCHE KULTURTAGE
Auch der Initiativkreis „Jüdische Kulturtage Bielefeld“ beteiligt sich mit einer Reihe spannender Veranstaltungen aus dem Bereich Kunst, Musik und Literatur an dem Jubiläumsjahr. Vom 2.9. bis 10.10. machen Konzerte, Installationen, Ausstellungen, Vorträge und Workshops im Festjahr 2021 jüdisches Leben sichtbar und erlebbar. Zu den Highlights im September zählen der Konzertabend mit Moshe Beker (2.9., 18:30 Uhr, Raspi), die Fotoausstellung „Jekkes in Israel“ (Eröffnung: 5.9., 11.30 Uhr, Raspi), „Beatriz und die Platane“ – eine szenische Lesung für Kinder (19.9., 11:30 Uhr, Synagoge Beit Tikwa) und 3rd Generation Cabaret (30.9., 19 Uhr, Raspi). Ausführliche Infos zum gesamten Programm gibt es im Netz.
www.juedische-kulturtagebielefeld.weebly.com
www.juedische-gemeindebielefeld.de
www.vhs-bielefeld.de
