Hospizarbeit im Bielefelder Süden
„Man ist dem Leben so nah.“ Auf den ersten Blick ein ungewöhnlicher Satz, denn Karin Ruoff ist Sterbebegleiterin. Doch genau so empfindet es die 66-Jährige. Gemeinsam mit rund 90 weiteren Ehrenamtlichen engagiert sie sich in der ambulanten Hospizarbeit im Bielefelder Süden.
„Erst habe ich geschwankt. Ich hätte mir auch vorstellen können, im Kindergarten Bücher vorzulesen“, sagt Karin Ruoff. „Aber die Tätigkeit hier macht mir immer wieder bewusst, wie dankbar ich sein darf für die Lebenszeit, die ich habe. Und ich habe den Eindruck, den Menschen etwas geben zu können; das ist eine schöne Herausforderung.“
Eine, die ihr nicht fremd ist. Vor dem Ruhestand war die Sozialpädagogin lange für die von Bodelschwinghschen Stiftungen tätig, davor in einem Altenheim. Sie hat viele Menschen in ihrer letzten Phase begleitet. Dennoch hat Karin Ruoff, wie die anderen Sterbebegleiter*innen auch, zunächst einen umfangreichen Befähigungskurs und ein Praktikum absolviert. So konnte sie nicht nur herausfinden, ob ihr dieses Ehrenamt wirklich liegt, sondern sie erhielt auch Anregungen für ihre Tätigkeit.
Doch was genau brauchen die Menschen, die sie begleitet? „Jemanden, der einfach da ist und ihnen zuhört. Viele reflektieren noch mal, was ihnen in ihrem Leben wichtig war“, weiß Karin Ruoff. „Manchen tut Musik gut, die zielt auf eine andere emotionale Ebene und kann Menschen auch dann noch erreichen, wenn Sprache nicht mehr genügt.“ Hier kommt der Rentnerin ihre musikalische Zusatzausbildung zugute. Generell geben die Sterbenden das Thema und den Takt vor. „Vielleicht möchten sie einfach raus und noch mal den Frühling sehen oder wir gehen Kaffee trinken.“
Manchmal gibt die Bielefelderin Anregungen, etwas zu schaffen, was bleibt. Die Dame, die sie zuletzt über dreieinhalb Jahre begleitet hat, fing zum Beispiel an zu malen. Übrigens ein ungewöhnlich langer Zeitraum, der natürlich auch die Verbindung verstärkt. Als es tatsächlich zu Ende ging, hat Karin Ruoff daher ihren Urlaub vorzeitig beendet. „Aber grundsätzlich versuche ich mir klarzumachen, dass es ein Ehrenamt ist“, unterstreicht sie. „Manchmal könnte man rund um die Uhr da sein, aber es gehört zur Professionalität, auch abzuschalten.“
Abschalten – genau das brauchen oft auch Angehörige, die bei der Hospizarbeit im Bielefelder Süden ebenfalls Unterstützung finden. Oft sind es scheinbar kleine Dinge, die entlasten können. „Wenn Eltern betroffen sind, kann man zum Beispiel mit den Kindern auf den Spielplatz gehen. Damit sie etwas Schönes erleben, sich eine Auszeit von der Trauer nehmen.“
Natürlich gibt es für Karin Ruoff Momente, die ihr nahe gehen. Doch das Thema Sterben und Tod zu verdrängen, ist für sie keine Option. „Ich glaube, dass viele Menschen nicht wahrhaben wollen, dass unser Leben endlich und ein Geschenk ist“, unterstreicht sie. „Für mich gehört es dazu, das sind ganz elementare Erfahrungen. Sowohl bei der Geburt als auch bei den letzten Atemzügen habe ich das Gefühl, unserem Schöpfer ganz nah zu sein. Ich glaube, dass einem etwas fehlt, wenn man das nicht miterlebt.“
www.diakonie-bielefeld.de
Die Hospizarbeit im Bielefelder Süden …
ist christlich geprägt, aber sie begleitet Menschen unabhängig von deren religiöser Einstellung und Nationalität. Und zwar grundsätzlich dort, wo sie wohnen, sei es privat, in Pflegeeinrichtungen oder in Krankenhäusern. Für die betroffenen Menschen und ihre Angehörigen ist die Begleitung kostenlos.
Einmal pro Jahr wird ein Befähigungskurs für angehende ehrenamtliche Sterbebegleiter*innen angeboten. Er ist unabdingbare Voraussetzung für diese Tätigkeit. Der Kurs dauert neun Monate und umfasst 100 Stunden. Er beginnt mit einem gemeinsamen Einstiegswochenende und klingt mit einem weiteren Wochenende aus. In dem Kurs setzen sich die Freiwilligen viel mit sich selbst auseinander und erhalten Anregungen für ihre Tätigkeit. Ein Praktikum gehört auch dazu. Verpflichtend ist später einmal monatlich die Teilnahme an Begleitgruppen. In ihnen wird darüber gesprochen, was die Begleiter*innen bewegt. Generell sollten die Ehrenamtlichen im Schnitt rund drei Stunden pro Woche Zeit einplanen. Längere Urlaube oder Dienstreisen lassen sich ebenso berücksichtigen wie die Möglichkeit, nach einer Betreuungsphase zu pausieren und „aufzutanken“.
Wer Interesse hat, nach den Sommerferien 2023 dabei zu sein, kann sich bei den hauptamtlichen Mitarbeiterinnen Susanne Bordewick, Alexandra Müller und Sabine Kroll melden.
Niedrigschwellig setzen vierstündige Letzte-Hilfe-Kurse an. Für Angehörige gibt es zudem die Trauerbegleitung.
Weitere Informationen können Interessierte der Broschüre „Hospizarbeit im Bielefelder Süden – Leben…BIS ZULETZT“ entnehmen, die sie im Hospizbüro oder unter hospiz@diakonie-bielefeld.de anfordern können.