Die einen müssen ausreichend ausatmen, um abzutauchen. Die anderen benötigen warme steigende Luft, um abzuheben. Egal, ob es ums Tauchen oder Segelfliegen geht – Luft spielt eine entscheidende Rolle. Und noch etwas verbindet die beiden Sportarten: Sie eröffnen neue Perspektiven. Wir stellen Bielefelder vor, die begeistert in andere Welten eintauchen: in faszinierende Unterwasserwelten und in luftige Höhen und beindruckende Landschaften mit Tiefgang und aus der Vogelperspektive erleben.
Tafelrunde der Gummiritter
ABGETAUCHT
„Es war der Klassiker: Im Urlaub auf Mallorca wurden am Pool Tauchausrüstungen für einen Schnupperkurs aufgebaut. Dann bin ich das erste Mal abgetaucht, und als ich wieder auftauchte, dachte ich: Das ist definitiv nichts für mich“, lacht Martin O’Toole, mittlerweile passionierter Tauchlehrer mit eigener Schule und Erster Vorsitzender des Vereins mit dem schönen Namen „Tafelrunde der Gummiritter e.V.“
„Wir sind ein bisschen anders als andere Tauchvereine“, berichtet der 44-Jährige. „Bei uns bekommt jeder den Freiraum, den er braucht. Der eine möchte beim Training an seiner Kondition und Flossentechnik arbeiten und der nächste an den Grundskills.“ Dazu gehören u. a. das Ab- und Aufsetzen der Maske oder das Ablegen der Tauchausrüstung unter Wasser. „Das muss immer wieder trainiert werden, um im Notfall automatisch reagieren zu können“, so Martin O’Toole, der in seinem Leben über Wasser als Straßeninspekteur bei der Stadt Bielefeld arbeitet.
War das erste Taucherlebnis im spanischen Pool eher ein Schlag ins Wasser, war es der Ehrgeiz, der ihn packte. „Während ich beim Tauchen noch an der Ankerkette hing und die Fische beobachtete, schwamm meine Frau schon mit dem Tauchlehrer durchs Riff.
Ich hatte die typischen Anfängerprobleme, das Gefühl nicht genug Luft zu bekommen und dann machte der Kopf dicht. Deshalb kann ich mich als Tauchlehrer jetzt gut in die Situation der Neulinge hineinversetzen, die nicht ausreichend ausatmen und deshalb zu viel Auftrieb bekommen. Zum Tauchen braucht man das Vertrauen in sich selbst, in die Ausrüstung und in den Tauchlehrer.“
TAUCHEN IN DEUTSCHLAND
Heute ist Martin O’Toole mit über 1.000 Tauchgängen Master Trainer und bildet bis zum Tauchlehrer aus. Er fühlt sich eher in kälteren Gewässern wohl – gern in der Ostsee. „Tauchen in Deutschland ist sehr schön. Man taucht wirklich ab und ein in eine andere Welt. Von Land aus sieht man nur die Wasseroberfläche, beim Schnorcheln blickt man von oben drauf, beim Tauchen ist man aber mittendrin. Es ist ein wirklich besonderes Erlebnis, wenn ich einen 1,50 Meter langen Stör aus einer Distanz von 30 Zentimeter beim Abfischen beobachte. Die Tiere haben keine Angst vor Tauchern.“ Außerdem schätzt der Tauchlehrer die Ruhe unter Wasser. Und das Wracktauchen. „Ein Highlight ist natürlich ein Wrack, bei dem ich mit der Erste bin. Ich versuche dann, auch etwas über die Geschichte
herauszufinden. Der Anblick eines Wracks ist immer auch mit Wehmut verbunden, wenn bei einem Unglück Menschen gestorben sind. Einmal waren wir mit einem Archäologen unterwegs und fanden ein 1908 vermisstes Schiff. Die dänische Regierung hat dann Kontakt zu den Hinterbliebenen, wahrscheinlich Urenkel, aufgenommen, dass diese zumindest wissen, wo das Schiff der Vorfahren gesunken ist.“ Aber die schönsten Erlebnisse unter Wasser hat er mit Menschen. „Wenn ein Schüler bei der Ausbildung über seine persönliche Grenze hinausgeht, ist das für mich riesig.“
Die „Tafelrunde der Gummiritter“ trifft sich im Sommer dienstags im Wiesenbad und ist auch im Winter immer für besondere Aktionen zu haben. An 6.12. verteilt ein als Nikolaus verkleideter Taucher kleine Geschenke unter Wasser. Oder es gibt einen Sektempfang zum Saisonabschluss. „Man kann tatsächlich unter Wasser trinken, ohne dabei Wasser abzubekommen“, erklärt Martin O’Toole mit einem Lachen. „Atemregler rausnehmen, den Flaschenhals fest auf den Mund pressen – der Flaschenboden zeigt dabei Richtung Wasserkante – und langsam Luft in die Flaschen pusten, dann gleitet der Sekt in die Kehle.“
Der Name des Clubs mit 140 Mitgliedern und über 20-jähriger Tradition stammt aus einer Zeit, als die Tauchanzüge noch nicht aus Neopren waren. Nach einer Tauchsession, als die Mitglieder am Seeufer saßen und die nächste Gruppe beobachteten, soll der Legende nach einer gesagt haben: „Guck mal, da laufen Gummiritter!“ ✔ www.gummiritter.de
Text: Eike Birk
Foto: Privat
Fabian Gier
MIT DER THERMIK KREISEN
Warme aufsteigende Luft ist ideal fürs Segelfliegen. „Die brauche ich, damit ich nach oben kreisen kann“, erklärt Fabian Gier. Denn für Segelflieger gelten die gleichen Gesetze wie für Vögel.
Bevor es in die Luft geht, braucht es Unterstützung: den Start an der Seilwinde. Beim Start beschleunigt das Segelflugzeug dann in wenigen Sekunden von 0 auf etwa 120 Kilometer pro Stunde. Dann klinkt das Seil aus und segelt mittels Mini-Fallschirm gen Erde, während das Segelflugzeug lautlos seine Kreise zieht und an Höhe gewinnt. Mit 14 Jahren war Fabian Gier das erste Mal in der Luft. An die Nervosität erinnert er sich noch genau. „Aber der Fluglehrer sitzt ja hinter einem“, sagt der inzwischen 19-Jährige vom Segelflugverein Oerlinghausen e.V., der für den Segelflugschein alle notwendigen Manöver lernte: Vom Start bis zu Landung und wie er reagieren muss, wenn das Seil beim Hochschleppen ausklinkt.
„Zum Fliegen bin ich über ein Plakat in der Schule gekommen, wo der Verein einen Schnuppertag anbot“, erzählt er. Seine Begeisterung danach war riesengroß. Heute verbringt er fast jede freie Minute auf dem Flugplatz Oerlinghausen. „Ich habe zwar lange Fußball gespielt, das Interesse fürs Fliegen war aber schon immer da.“ Und mit dem Flugplatz – quasi vor der Nase – fiel ihm die Entscheidung nicht schwer. Das Besondere beim Segelfliegen: Man beginnt sofort mit der Praxis –nicht ohne Sicherheitseinweisungen – und natürlich begleitet von einer umfangreichen theoretischen Ausbildung. Nach 50 bis 60 Starts geht’s dann in aller Regel das erste Mal allein in die Luft. Fabian Gier benötigte bis zum ersten Alleinflug gerade mal 48 Starts. Die Faszination liegt für ihn auch heute noch darin, ganz ohne Motor zu fliegen – auch wenn er seit dem 18. Lebensjahr den Motorflugschein besitzt. „Abzuheben und mit den Vögeln zu kreisen, ist einfach unbeschreiblich“, schwärmt er. „Die Vögel liefern den perfekten Hinweis für warme Aufwinde.“ Und haben ihm schon ganz besondere Erlebnisse beschert. „Es passiert häufiger, dass man neben (Greif-)Vögeln – aber natürlich mit entsprechendem Sicherheitsabstand – fliegt.“
Die Verantwortung beim Fliegen ist groß. Wie auf der Straße gelten auch in der Luft Regeln. „Fliegen zwei Flugzeuge aufeinander zu, weichen beide nach rechts aus“, so Fabian Gier. Selbst die gute alte Rechts-vor-Links-Regel besitzt in der Luft Gültigkeit. Wer von rechts kommt, hat Vorflug. Wie lange ein Segelflugzeug in der Luft bleibt, ist dagegen eine Frage der Thermik. „Man versucht im Thermikschlauch zu bleiben. Generell ist Segelfliegen schon etwas wackelig, denn man spürt in der Thermik die Bewegung der Luft. Daran muss man sich gewöhnen.“ Und wenn die Thermik passt, sind auch lange Strecken mit bis zu 500 oder 600 Kilometer möglich. „Bei sieben Stunden Flug ist dann allerdings die Konzentration stark gefragt. Schließlich ist man meist allein im Cockpit“, erklärt Fabian Gier, der ganz besonders die Ruhe beim Segelfliegen mag. Drei, vier Tage vor einem Flug schaut sich der Bielefelder die Wetterbedingungen an. Ein genauer Blick auf die Wolken, ist für ihn Alltag. Abhängig von der Thermik steuert er dann Ziele Richtung Westen oder Norden an und ist beispielsweise gen Münster unterwegs. Ihm macht es Spaß, OWL zu erkunden. „Je mehr Routine, desto mehr Ruhe zum Schauen“, stellt er fest. „Bei klarem Wetter kann man bis ins Ruhgebiet oder ins Sauerland schauen.“ 600 Starts mit dem Segelflugzeug hat er bereits hinter sich, 230 Flugstunden gehen insgesamt auf sein Konto. Es braucht eine gewisse Anzahl an Starts und Flugstunden, um die Lizenz zu behalten. „Von den Startzahlen zählt der Segelflugplatz Oerlinghausen zu einem der größten Segelflugplätze der Welt“, weiß Fabian Gier, der nach seinem Abitur im letzten Jahr im Rettungsdienst arbeitet. Um erste Erfahrungen im Segelflugzeug zu sammeln, empfiehlt er die frühen Morgen- oder die Abendstunden. „Da gibt es keine Verwirbelungen und abends lassen die Winde und Turbulenzen nach“, erklärt Fabian Gier, der auch eine Gastfluglizenz für Segel- und Motorflugzeuge besitzt und davon schwärmt, morgens früh um 5 Uhr in den Sonnenaufgang zu starten. ✔ http://www.sfvoe.de
Text, Foto: Corinna Bokermann