Fernwärme & Strom aus Müll
Hier brennt ein Feuer, das nie erlischt. 24 Stunden – jeden Tag. Eine beeindruckende Technologie und 106 Mitarbeitende sorgen in der MVA dafür, dass aus Haus- und Gewerbemüll Fernwärme und Strom werden. Ulrike Bollrath kennt in der weitläufigen Anlage jede Schraube. Seit 2008 ist sie für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig, erst für die Interargem, seit 1996 Besitzerin der MVA, und nun für die Stadtwerke, die Miteigentümerin ist. Ihre öffentlichen Führungen sind heiß begehrt.
Apropos heiß: Betritt man die Räumlichkeiten, spürt man einen deutlichen Temperaturunterschied. Ein Hauch von Müll und Rauch liegt in der Luft. Kein Wunder: In den Brennkammern herrschen Temperaturen von bis zu 1.200 Grad. Diese werden permanent per Monitor in der Leitstelle überwacht, damit kein Feuer ausbrechen kann. „Denn verschiedene Müllarten haben einen unterschiedlichen Heizwert“, weiß Ulrike Bollrath.
„Müll hat übrigens denselben Energiewert wie Braunkohle.“ Abfall besteht zudem aus einem hohen Anteil an biogenen Bestandteilen, sodass sich die hieraus gewonnene Energie durch eine positive CO2-Bilanz auszeichnet. Im Vergleich zu einer konventionellen Erzeugung von Strom und Wärme können jährlich rund 290.000 Tonnen fossiler CO2-Emissionen eingespart werden.
AUS MÜLL WIRD ENERGIE
Aber von Anfang an: Als Erstes werden die Müllfahrzeuge gewogen – 420.000 Tonnen Abfall pro Jahr landen in der Bielefelder MVA. Der hoffentlich gut sortierte Müll – Wertstoffe aus der gelben Tonne und Papier gehören in den Reyclingkreislauf und nicht in die MVA – wird kontrolliert, abgekippt und im Bunker mit zwei riesigen Kränen von oben gut durchmischt.
An den Wochentagen ist immer mehr Müll im Bunker als verbrannt wird. So sind an den Wochenenden genug Reserven da, damit die Anlage rund um die Uhr läuft. Die Bielefelder Turbine, die aus dem entstandenen heißen Dampf die Energie zieht, ist bundesweit die größte. Dass keine schädlichen Gase in die Luft geblasen werden, dafür sorgt die 8-stufige Rauchgasreinigungsanlage.
Die Emissionswerte werden jeden Tag kontrolliert und u. a. im Internet veröffentlicht. Die Ergebnisse zeigen, dass die strengen Richtwerte des Gesetzgebers im Schnitt um 99 Prozent unterschritten werden. Damit gehört die MVA zu den saubersten Anlagen in Deutschland.
VERWERTBARKEIT: 100 PROZENT
Der Müll wird zu 100 Prozent in Fernwärme und Strom verwandelt und in das Netz der Stadtwerke eingespeist, deren Betriebsgelände vom Dach der MVA zu sehen ist – wie übrigens auch das Hermannsdenkmal in Detmold. Der Beitrag einer Tonne Abfall zur Energieversorgung kann sich sehen lassen: Sie liefert bei der Verbrennung im Durchschnitt 600 Kilowattstunden Strom. Das ist etwa die Menge, die ein Durchschnittshaushalt in zwei Monaten verbraucht. Durch die bei der Verbrennung des Abfalls entstehenden hohen Temperaturen wird Wasserdampf produziert, der zur Stromerzeugung über eine Turbine mit nachgeschaltetem Generator geleitet wird. So werden ca. 125.000 Haushalte an den Standorten in Bielefeld und Hameln im Jahr mit elektrischem Strom versorgt.
Und auch für die Fernwärme, die als umweltverträglich
und ressourcenschonend ressourcenschonend gilt, leistet der Abfall einen erheblichen Beitrag. Die erzeugte Wärme wird in der Heizzentrale der Stadtwerke in das gesamte Netz der Stadtwerke Bielefeld verteilt. Insgesamt werden so jährlich rund 40.500 Haushalte in Bielefeld und Hameln mit Fernwärme versorgt.
Rückstände wie Schlacke und Salze werden u. a. für den Straßenbau als Kiesersatz bzw. die Salze als Stabilisierung von nicht mehr genutzten Salzstollen verwendet. Eine logistische Herausforderung stellen Wartungsarbeiten dar, die alle zehn Jahre ins Haus stehen. Dafür muss die komplette MVA für vier Wochen abgeschaltet werden. Fast ein Jahr im Voraus wird diese notwendige Aktion durchgeplant, denn der Bielefelder Müll wird in diesem Zeitraum im zweiten Werk der Interargem in Hameln verbrannt oder an anderen Entsorgungspunkten zwischengelagert. Und die MVA ist – was man kaum vermutet – ein Paradies für die seltenen Wanderfalken. Seit 2006 sind über 34 Jungfalken auf der Plattform der Schornsteine in einem Falkenhorst zur Welt gekommen und erfolgreich großgezogen worden. Der Nistkasten wurde extra nach einer Anleitung der Wanderfalkenschutz AG des NABU in der Schlosserei der MVA gebaut und 2019 mit einer Webcam versehen. „Diese Jahr sind wieder drei Falken geschlüpft“, freut sich Ulrike Bollrath. „Sie sind bereits flügge auf der Suche nach einem eigenen Revier.“
Wer mehr über die MVA-Falken erfahren und sie bequem von zu Hause aus beobachten möchte: Hier geht’s zur Webcam www.interargem.de/mva-falken. ✔