Viele Lebensweisheiten handeln vom Neuanfang. Von Veränderung, von neuen Wegen und vom Loslassen. Aber gibt es tatsächlich so etwas wie einen Neuanfang? Oder ist es vielmehr das subjektive Empfinden, wenn wir etwas Neues beginnen oder sich gefühlt die äußeren Umstände radikal verändern? Gern wird das Jahr 1945 als „Stunde Null“ bezeichnet, obgleich es sehr viele Kontinuitätslinien über das Kriegsende hinaus gab. Doch den Zeitgenossen kam es sicherlich vor wie ein Neuanfang. Die Kriegshandlungen waren beendet, das Land unter Trümmern begraben, der (Wieder-) Aufbau begann und Deutschland wurde letztlich ein demokratischer Staat. Eine neue Ära begann. Historiker sprechen hierbei gern von einer Zäsur.
Bahnbrechende Erfindungen wurden in der Vergangenheit häufig gegen Widerstände durchgesetzt. „Jeder Mensch mit einer neuen Idee ist ein Spinner, bis die Idee Erfolg hat“, soll Mark Twain gesagt haben. Und so gerät heute gern in Vergessenheit, dass es eine Frau war, die dem Auto zu seiner Erfolgsgeschichte verhalf. Im August 1888 unternahm Berta Benz die erste Fernfahrt – 106 km von Mannheim nach Pforzheim – in einem Automobil und bewies damit die Eignung des neuen Verkehrsmittels. Jetzt schreiben wir das Jahr 2023 und stehen vor anderen Herausforderungen. Individuelle Mobilität ist für uns eine Selbstverständlichkeit, aber wir brauchen dringend sauberere und am besten klimapositive Lösungen dafür. Wie auch für die Baubranche, die Energie- und auch die Landwirtschaft. Viele Pionierinnen und Pioniere haben sich auf den Weg gemacht, um Lösungen zu entwickeln.
Ist neu immer gut? „Neue Besen kehren gut“, sagt der Volksmund und meint damit jemanden, der eine neue Aufgabe in Angriff nimmt, mit Feuereifer dabei ist. Das ist gut, denn frischer Wind bringt einen anderen Blick auf Dinge, die immer schon so gemacht wurden. Und kann entscheidende Veränderungen herbeiführen. Aber dabei braucht es meist auch „altes Wissen“. Eine Kombination aus neu und alt, weil Innovationen häufig beides brauchen: Tollkühnheit und Geduld.
Neuanfänge und Veränderungen sind nicht immer leicht. Viele Menschen halten lieber an Vertrautem fest, auch wenn sie sich damit nicht wohlfühlen. Das Unbekannte macht Angst. Loszulassen, das ist für viele schwer. Liegt das am Klammerreflex, den wir als Säuglinge hatten?
Und dennoch gibt es immer Menschen, die etwas Neues wagen. Die ihren alten Job aufgeben und sich mit einer neuen Idee selbstständig machen. Die alle Zelte abbrechen und einfach auf Reisen gehen. Die der Liebe wegen in eine fremde Stadt ziehen oder eine unglückliche Beziehung beenden. Vielleicht bewahrheitet sich am Ende der Spruch: Man bereut nie, was man getan, sondern immer, was man nicht getan hat.