Modisches Upcycling

Zusammen sind sie Nou.Niss. Jutta Meisen und Faraaz Sedaghati. Nou.Niss stammt aus dem Persischen, der Muttersprache von Faraaz Sedaghati, bedeutet „es ist nicht neu“ und steht für die Philosophie des Labels. Das Bielefelder Designerinnen-Duo reanimiert Kleidungsstücke, die sonst im Müll landen. Mit „Visible Mendings“ – kleinen Handstickereien – betonen sie die Schönheit des Unperfekten. Ehemalige Schäden, die der Grund für die Entsorgung waren.

20, 22, 28, 30 – ein Baukastensystem aus vier unterschiedlich großen Quadraten bildet die Basis ihrer farbenfrohen Kreationen: von Pullovern über Cardigans, Jacken und Mänteln bis hin zu Ponchos und Pullundern. „Die Idee für das modulare System hatte ich während meiner Bachelorarbeit, wo ich den ersten Pullover auf Basis von Quadraten entworfen habe. Das war quasi unser ‚Mutterteil‘“, sagt Jutta Meisen. Schon während ihres Studiums an der FH für Gestaltung am Fachbereich Mode arbeitete sie aus Überzeugung mit Secondhand Ware. „Es wird unheimlich viel Bekleidung entsorgt, auch aus hochwertigem Material wie Merinowolle, Kaschmir oder Woll-Seide Gemischen“, betont die 28-Jährige. Das Upcycling Modelabel verarbeitet diese hochwertigen Wollqualitäten mit maximal 30 Prozent synthetischem Faseranteil. Die gerettete Strickware, die durch Beschädigungen nicht für den Weiterverkauf in Second Hand Läden geeignet ist, erhalten die Bielefelderinnen vom Arbeitskreis Recycling e.V.. „Viele entsorgen ihre Kleidung schon, wenn sie etwas pillt“, weiß Jutta Meisen.

74 PROZENT GEBEN NACHHALTIGKEIT ALS MOTIVATION AN SECONDHAND ZU KAUFEN.
(QUELLE: OXFAM)

Mit Faraaz Sedaghati hat sie eine Co-Founderin gefunden, die ebenso gern wie sie nachhaltig arbeitet. Die gemeinsame Philosophie eint die Gründerinnen, die Ende 2022 den Schritt in die Selbständigkeit wagten und – noch mitten im Master – im Mai dieses Jahres ihren Showroom in Bielefeld eröffneten.

RUND 1 MILLION TONNEN 2ND HAND KLEIDUNG

WIRD JÄHRLICH IN DEUTSCHLAND SORTIERT.

In ihrem Atelier stapeln sich in den Regalen unterschiedlich große Quadrate. Vorsortiert nach Fein-, Grobstrick oder Filz. Und nach Farben. „Unsere Patchwork-Designs können wir immer wieder nachbauen. Auf Basis unserer Schnitte entstehen individuelle Kleidungsstücke. Wer es nicht bunt mag, kann die Farben natürlich auch monochrom wählen“, macht Faraaz Sedaghati auf die vielfältigen Möglichkeiten des Baukastensystems aufmerksam. Es ermöglicht ein serienfähiges Upcycling, das Unikate hervorbringt. Um möglichst wenig Abfall zu produzieren, arbeiten Jutta Meisen und Faraaz Sedaghati nach ihrem eigenen Low-Waste-System und recyceln auch Verschnittreste. „Wir versuchen bei unserer Arbeit so viel vom geretteten Material wie möglich upzucyceln“, unterstreichen sie.

Es wird unheimlich viel Bekleidung entsorgt, auch aus hochwertigem Material wie Merinowolle, Kaschmir oder Woll-Seide-Gemischen”.

Jutta Meisen

Mal in Form von Patchwork-Accessoires, mal als Versäuberung oder Band. Die aufwendigen Stickereien – die Visible Mendings – orientieren sich wiederum an klassischen Stopftechniken. „Wir besticken liebevoll von Hand und schmücken damit unsere Designs, um zu zeigen, dass etwas, das beschädigt und dann repariert wurde, nicht an Wert verlieren muss“, so Faraaz Sedaghati.

NUR 2 BIS 4 PROZENT DER KLEIDUNG, DIE IN RECYCLINGBETRIEBEN
LANDET, IST FÜR DEN WIEDERVERKAUF GEEIGNET.

Die 32-Jährige, die aus dem Iran stammt, dort Kunsthandwerk studierte und seit sieben Jahren in Deutschland lebt, stickt seit ihrer Kindheit. Die für die Stickereien verwendeten Wollgarne stammen – ganz im Sinne der Nachhaltigkeit – aus Fehlproduktionen, die nicht im industriellen Strick- und Webverfahren genutzt werden können. „Da es sich um Handarbeit handelt, können wir das Garn allerdings ohne Probleme verwerten“, macht Jutta Meisen deutlich. Um eine wirklich nachhaltige Marke zu sein – und damit ein Teil der Slow Fashion- und der „Maker“-Bewegung – ist es den Gründerinnen außerdem wichtig, ihr Wissen zum nachhaltigen Umgang mit Textilien und Reparatur weiterzugeben. Workshops gehören bei Nou.Niss deshalb zum Programm. ✔
www.nou-niss.de